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#Die vierte Dimension – Alpha Cephei

Die vierte Dimension – Alpha Cephei

Was ist Zeit? “Zeit ist das, was die Uhr anzeigt” soll Einstein einmal auf diese Frage geantwortet haben – was einerseits stimmt, aber dann doch nur einen winzigen Aspekt dieser Frage beantwortet. Warum vergeht Zeit? Ist die Vergangenheit real? Und die Zukunft? Warum können wir uns im Raum frei bewegen, aber die Zeit kennt nur eine Richtung? Oder könnte sie auch rückwärts laufen? Können wir durch die Zeit reisen und könnte dies Zeitparadoxa verursachen? Hat die Zeit einen Anfang oder ein Ende? Alle diese Fragen möchte ich in einer kleinen Artikelserie anreißen.

 

Wozu man Zeit gebrauchen kann

“Zeit” ist eines der in der Sprache am häufigsten verwendeten Substantive. Unser ganzes Leben dreht sich um Zeitpunkte (das fängt morgens schon mit dem Klingeln des Weckers an) und Zeiträume. Zeit hat im wesentlichen drei Funktionen:

  1. Die eindeutige Definition von Augenblicken.
    Zum Beispiel um uns zu verabreden. Wir legen dazu nicht nur die Ortskoordinate für das Zusammenkommen fest, sondern auch den Zeitpunkt, damit wir uns sicher begegnen können.
  2. Die Bestimmung und den Vergleich von Dauern.
    Unser Leben hängt vollkommen von den Zyklen von Tag und Nacht und den Jahreszeiten ab. Wir arbeiten eine gewisse Zeit lang und zählen Überstunden. In unseren Uhren und Computern geben zyklische Prozesse den Takt an. Durch Zählen solcher Zyklen messen wir das Vergehen von Zeit – früher bildete ein Pendel oder eine schwingende Spiralfeder den Grundtakt, heute dienen elektrische Schwingquarze oder die Frequenz elektromagnetischer Wellen, die bei bestimmten Quantensprüngen von Elektronen erzeugt werden, zur Zeitmessung.
  3. Die Sortierung von Abfolgen.
    Hier geht es vor allem um Kausalität: etwas, das später passiert, kann etwas anderes, das früher geschehen ist, nicht beeinflussen, aber durchaus umgekehrt. Gleichzeitig ablaufende Vorgänge können sich nicht beeinflussen, wenn sie weiter voneinander entfernt passieren, als ein Signal zwischen ihnen die Distanz während des Ablaufs überwinden kann. Zumindest gilt das in der klassischen Physik, in der sich Vorgänge nur lokal beeinflussen können.

Diese Eigenschaften machen Zeit zu einer Dimension, das heißt einem Freiheitsgrad, den wir zur Verortung einer Position in Raum und Zeit mit einem Wert, einer Koordinate, versehen. Wir verabreden uns an einem Ort zu einer Zeit. Zur Verabredung an einem Ort geben wir normalerweise ein Gebäude, eine Adresse oder irgendeiner Landmarke an, weil wir uns Orte so besser merken können, aber in einem Raum ohne (bekannte) Landmarken verwenden wir Koordinatenangaben, wie etwa Längen- und Breitengrade. Den Ort alleine anzugeben, reicht nicht, wenn sich ein Objekt bewegt, dann braucht es auch eine Zeitkoordinate, die von der Ortsangabe vollkommen unabhängig ist: man kann aus Ortsangaben keine Zeitangabe ableiten, mit der Zeit kommt eine unabhängige (orthogonale) Dimension hinzu.

Mathematisch gesehen bilden Ort und Zeit einen vierdimensionalen Raum mit einem Viertupel (Vierervektor genannt) als Koordinate. Den Ort im Raum kann man entweder als Polarkoordinaten in Form von Winkeln zu zwei Bezugsrichtungen und der Entfernung vom Koordinaten-Nullpunkt angeben (geographische Koordinaten verwenden die Erdachse und eine Achse in der Äquatorebene dazu, die den 0-ten Längengrad festlegt, der bekanntlich durch Greenwich verläuft). Oder man verwendet (meist auf kleinem Raum) kartesische Koordinaten mit Länge, Höhe und Breite gemessen in einer Längeneinheit.

 

Grob und fein gerastert

Als Zeitkoordinate verwenden wir eine Zahl von Zyklen, die wir nach einem sehr archaischen System aus der Länge des tropischen Jahres abgeleitet haben. Ein tropisches Jahr misst die Zeit zwischen zwei Sonnenwenden, d.h. den Umkehrpunkten der Sonne auf ihrer jahreszeitlichen Wanderung am Himmel nach Norden bzw. Süden. Die Wendekreise, die auf der Erde den Breitengraden entsprechen, über denen die Sonne zum Sommer- bzw. Winteranfang senkrecht steht, heißen auf Latein “Tropicus” (englisch tropic), daher das tropische Jahr, und den Gürtel zwischen ihnen auf der Erde nennen wir die Tropen. Neben dem tropischen Jahr gibt es noch andere Jahreslängen, etwa in Bezug der Position der Sonne zwischen den Fixsternen (siderisches Jahr, von lat. sideris = das Gestirn) oder zwischen zwei sonnennächsten Punkten auf der Erdbahn (anomalistisches Jahr), aber es ist das tropische Jahr, das dem Kalender zugrunde liegt, weil der Kalender sich an den Jahreszeiten und nicht an den Gestirnen orientiert. Der Beginn der Jahreszeiten hängt davon ab, wie die Erdachse in Bezug auf die Sonne geneigt ist: zum Sommeranfang auf der Nordhalbkugel weist der Nordpol maximal zur Sonne hin. Da die Erdachse im Raum taumelt (präzediert), verlagert sich der Ort auf der Erdbahn, wo dies eintritt, von Jahr zu Jahr ein wenig, weshalb das tropische Jahr und das siderische nicht gleich lang sind. Die Folge ist, dass in 13000 Jahren unsere Wintersternbilder im Sommer zu sehen sein werden.

Das Jahr unterteilen wir in 365 Tage (von Mitternacht zu Mitternacht, also auf die Sonne bezogen), aber das tropische Jahr ist ein wenig länger als 365 Tage, nämlich 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 45,261 Sekunden. Das ist nahe bei 365,25 Tagen, weshalb es alle vier Jahre einen Schalttag am 29. Februar gibt. Was 365 Tagen und 6 Stunden entspricht, 11:15 Minuten zu viel. Deswegen lässt man alle 100 Jahre den Schalttag ausfallen (zuletzt 1900). Nach 100  Jahren summiert sich der Fehler zu 100 mal 11:15 Minuten = 18h45m, der ausfallende Schalttag lässt also 5h15m zu viel weg oder in 400 Jahren 21h. Daher bleibt alle 400 Jahre der Schalttag erhalten (zuletzt 2000), dann ist man bis auf 3h wieder an der korrekten Jahreslänge. Dies ist die gregorianische Schaltjahresregel, mit welcher Papst Gregor XIII. die auf Julius Cäsar zurückgehende einfachere 4-Jahres-Regel 1582 ablöste. Um die Sonnenwenden wieder kalendarisch zurecht zu rücken musste er 10 Tage streichen und auf den 4. Oktober 1582 den 15. folgen lassen. Für 3220 Jahre wird das so funktionieren, dann wird man voraussichtlich im Jahr 4800 den Schalttag außerplanmäßig streichen und hat dann wieder rund 3200 Jahre Ruhe.

Unsere Tage sind in babylonischer Tradition weiter in 2×12 Stunden zu je 60 Minuten unterteilt. Tatsächlich gab es in Babylon allerdings nur 6 Unterteilungen für die Nacht und 6 für den Tag, erst zu Zeiten Alexanders des Großen wurden die babylonischen Doppelstunden zu unseren gewohnten Stunden halbiert. Das Wort “Minute” kommt vom lateinischen pars minuta, was “verkleinerter Teil” heißt – die Stunde wird also in kleinere Teile zerteilt.  Die Sekunde (von pars minuta secunda – “zweiter verkleinerter Teil”) als weitere Unterteilung kam erst im 13. Jahrhundert hinzu.

Heute definieren wir die Sekunde nach dem SI-System als das 9.192.631.770-fache der Periodendauer einer bestimmten Mikrowellenstrahlung, die Cäsiumatome abgeben (wenn ein Elektron seinen Spin umkehrt) und Physiker rechnen in Bruchteilen von Sekunden von Millisekunden (10-3 s) bis hinunter zu Attosekunden (10-18 s), in denen sich chemische Reaktionen oder Quantensprünge ereignen.

Ob es eine kürzeste Zeitdauer gibt, wissen wir nicht. Max Planck hatte nach der Entdeckung seines Wirkungsquantums entdeckt, dass er daraus in Kombination mit anderen bekannten Naturkonstanten ein komplettes System von Einheiten für die physikalischen Grundgrößen ableiten konnte, ähnlich unserem SI-System mit Definitionen für kg, Meter, Sekunde etc., aber komplett auf der Basis von physikalischen Konstanten. Die Planck-Länge lässt sich so aus dem Wirkungsquantum, der Gravitationskonstanten und der Lichtgeschwindigkeit ableiten und die zugehörige Planck-Zeit ist die Planck-Länge dividiert durch die Lichtgeschwindigkeit, also die Zeit, die das Licht braucht, um eine Planck-Länge zurück zu legen. Die Planck-Zeit beträgt 5,39·10-44 Sekunden. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dies die kürzestmögliche Zeitperiode ist. Aber sie ist verdammt kurz.

 

Die andere Dimension

Zeit ist also eine Dimension, aber sie unterscheidet sich fundamental von den drei Raumdimensionen. Im Raum können wir uns frei bewegen. Die Zeit hingegen fließt in eine Richtung und wir können nur wenig daran ändern (ein wenig schon – später dazu mehr). Wir können in jede Raumrichtung mit dem Finger zeigen, aber nicht Richtung der Vergangenheit oder Zukunft. Und noch eines ist speziell an der Zeit: in der Zeitdimension herrscht Kontinuität, im Raum nicht. Wenn wir uns durch den Raum bewegen, kann uns abrupt und ohne Vorwarnung ein Laternenpfahl oder ein anderes Objekt begegnen. Beim Fließen der Zeit ergibt sich ein neuer Zustand jedoch stets aus dem Zustand zuvor. Dinge verändern sich mit der Zeit, aber sie entstehen nicht plötzlich aus dem Nichts oder verschwinden wieder ohne Überrest. Masse bzw. Energie bleiben erhalten, Teilchen können zwar zerfallen, aber in ihren Zerfallsprodukten finden sich ihre gesamte ursprüngliche Masse-Energie, Ladung, Impuls etc. wieder.

Raum und Zeit sind somit von Grund auf von verschiedener Natur: Der Raum ist die Bühne, die Zeit ermöglicht ihre Veränderung und dies nach strengen Gesetzen. Eines davon ist beispielsweise die Gleichförmigkeit der Bewegung: in Abwesenheit von Kräften bewegt sich ein Objekt in gleichen Zeiten gleiche Strecken voran. In einem kartesischen Koordinatensystem mit der Bewegungsrichtung als x-Achse und der Zeit als y-Achse ergibt sich bei konstanter Geschwindigkeit eine Gerade, deren Steigung die Geschwindigkeit ist. Legt man die Achsenskalierung so fest, dass als Zeitkoordinate die Zeit mal Lichtgeschwindigkeit aufgetragen wird und auf den Raumachsen der Abstand zum Nullpunkt in Metern, dann hat man auf allen Achsen die gleiche Einheit Meter, und der Lichtgeschwindigkeit entspricht eine Gerade mit der Steigung 1, die das Koordinatensystem genau halbiert (“Winkelhalbierende”). Über die Geschwindigkeit hängen Raum und Zeit zusammen. Tatsächlich wird der Meter im SI-System über die vonm Licht in einer bestimmten Zeit zurückgelegten Strecke definiert.

Bis vor rund 100 Jahren dachte man, Raum und Zeit seien vollkommen unabhängig voneinander, so wie es die Raumrichtungen untereinander sind. Eine Bewegung durch den Raum habe keinen Einfluss auf das Fortschreiten der Zeit. Die Zeit verginge an allen Orten gleich schnell und man könne sich theoretisch mit beliebiger Geschwindigkeit durch den Raum bewegen. Raum und Zeit seien absolut – zum Beispiel könne man seine absolute Geschwindigkeit jederzeit relativ zur Lichtgeschwindigkeit als naturgegebene Konstante bestimmen. Dies entsprach der menschlichen Erfahrung bei niedrigen Geschwindigkeiten. Zum Beispiel werden die Geschwindigkeiten von Flugzeugen relativ zur Schallgeschwindigkeit als Machzahl gemessen (wobei die Schallgeschwindigkeit streng genommen von Druck und Temperatur der Luft abhängt, um gar nicht davon zu sprechen, dass sie in anderen Stoffen eine ganz andere ist). Es war eine große Überraschung für die Physiker, als sie dies überprüfen wollten und die Bewegung der Erde relativ zu einem Lichtstrahl im Labor zu messen versuchten. Egal ob das Licht in Richtung der Erdbewegung um die Sonne oder senkrecht dazu gemessen wurde, egal ob im Frühjahr oder im Sommer mit 90° verdrehter Bewegungsrichtung – es war immer gleich schnell.

via Gfycat

Versuch nach Michelson und Morley zur Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Licht durchläuft einen Strahlteiler (halbdurchlässiger Spiegel) und die beiden rechtwinklig aufgespaltenen Teilstrahlen werden an Spiegeln reflektiert und im Strahlteiler wieder vereint. Bei einer Bewegung der Apparatur mit der Erde durch den Raum käme es zu einem Laufzeitunterschied und damit zu einer Phasenverschiebung der Lichtstrahlen, sie würden sich gegeneinander versetzt überlagern, je nach Ausrichtung des auf einem drehbaren Tisch montierten Aufbaus. Der Strahl senkrecht zur Erdbewegung würde maximalen Zickzack laufen, der in Richtung Erdbewegung nicht. Tatsächlich war die Überlagerung vollkommen unabhängig von der Orientierung des Tisches oder der Position der Erde auf ihrer Bahn.

 

Relativ überraschende Zusammenhänge

Während andere Physiker noch versuchten, sich einen Reim darauf zu machen, wie vielleicht ein von der Erde mitgezogenes Ausbreitungsmedium, der “Äther”, die Messergebnisse erklären könnte, nahm der junge Albert Einstein einfach hin, dass die Lichtgeschwindigkeit für alle Beobachter konstant erscheint und leitete aus dieser einzigen Grundannahme seine spezielle Relativitätstheorie ab. Wenn man demnach einem Lichtstrahl hinterher eilen würde, dann würde er niemals auch nur einen Meter pro Sekunde langsamer erscheinen. Selbst wenn wir aus der Sicht eines am Startpunkt verbliebenen Beobachters mit 99% der Lichtgeschwindigkeit hinter dem Lichtstrahl her jagten, schiene er uns immer noch mit 100% der Lichtgeschwindigkeit davon zu eilen. Das hat zwei Konsequenzen: Wir können niemals mit einem Lichtstrahl mithalten oder ihn gar überholen, er ist immer einen Ticken schneller: die Lichtgeschwindigkeit ist die höchstmögliche Geschwindigkeit, mit der sich ein Signal im Raum ausbreiten kann. Materielle Objekte müssen stets ein wenig langsamer bleiben. Und zum anderen vergeht die Zeit nicht überall gleich schnell.

Denn um die Beobachtungen des ruhenden Beobachters, der uns hinterher schaut, mit unseren eigenen in Einklang zu bringen, müssen die Maßstäbe für Raum und Zeit, die wir verwenden, verschieden von seinen sein. Das eigentlich nur knapp schneller als wir davon sausende Licht gewinnt nach unserem Maßstab so viel Vorsprung, weil es unseren langsam tickenden Uhren schneller als die vom ruhenden Beobachter gemessene Geschwindigkeitsdifferenz erscheint. Und da unsere Uhren langsamer laufen, scheinen zurückgelegte Strecken entsprechend verkürzt, denn wir legen eine für den ruhenden Beobachter festliegende Strecke in weniger Zeittakten zurück, als mit seiner Uhr gemessen. In meinen Artikeln über das Zwillingsparadoxon habe ich es vorgerechnet. Raum und Zeit hängen also in der Relativitätstheorie innig miteinander verwoben zusammen und ihre Maßstäbe sind vom Bezugssystem des Beobachters abhängig. Es gibt keinen absoluten Raum oder eine absolute Zeit. Dies alleine schon hat eine tiefgründige Bedeutung für die Struktur der Zeit, wie wir im 2. Artikel der Serie erfahren werden.

Die Mathematik der Relativitätstheorie hat interessante Aspekte. Man misst Abstände zwischen zwei Koordinatenpunkten im Raum bekanntlich mit Hilfe der Formel des Pythagoras, etwa in der Ebene zwischen den Punkten (x1,y1) und (x2,y2):

s² = (x2-x1)²+(y2-y1

⇒ s = √[Δx²+Δy²]

wobei das Delta Δ für die Differenz der  jeweiligen x- und y-Koordinaten steht.

Strecken im cartesischen Koordinatensystem kann man nach dem Satz des Pythagoras berechnen, weil die Differenzen Δx der x- und Δy der y-Koordinaten beider Enden mit der gesuchten Strecke ein rechtwinkliges Dreieck bilden. Bild: Autor, gemeinfrei.

Kommt die dritte Raumdimension hinzu, dann ist der Abstand zweier Punkte (x1,y1,z1) und (x2,y2,z2) im Raum gegeben durch

s = √[Δx²+Δy²+Δz²]

Egal welchen Anteil Δx, Δy oder Δz man vergrößert, die Strecke wird insgesamt länger – gegenüberliegende Ecken eines Quaders entfernen sich weiter voneinander, egal ob man ihn länger, breiter oder höher macht, oder auch alles zugleich. Kennt man. In der vierdimensionalen Raumzeit sieht die Formel jedoch ein wenig anders aus. Vierervektoren haben die Form (c⋅t,x,y,z). Damit die Einheiten in jeder Dimension zusammen passen, muss man die Zeitkoordinate mit der Lichtgeschwindigkeit multiplizieren. Für zwei Vierervektoren (c·t1,x1,y1,z1) und (c·t2,x2,y2,z2) ist dann der Raumzeitabstand definiert durch

s = √[c²Δt² – (Δx²+Δy²+Δz²)]

Und der ist wegen des Minuszeichens umso kleiner, je größer der räumliche Anteil (Δx²+Δy²+Δz²) wird. Das heißt, unter all den Wegen, die ich von hier zu einem anderen Raumzeitpunkt nehmen kann, dauert derjenige für mich am längsten, der die kürzeste Entfernung im Raum zurücklegt. Je größer der Umweg durch den Raum, der mich zum selben Zeitpunkt an den selben Zielort bringt, desto weniger Zeit vergeht für mich.

Man könnte beispielsweise von (0,0,0,0) aus starten und sich zuerst zur Raumzeitkoordinate (1s·c,10.000 km,0,0) begeben und danach zur Koordinate (2s·c,0,0,0), also an den Urpsrungsort, nur 2 Sekunden später. Dann hat man mit Lichtgeschwindigkeit c=300.000 km/s s1=√[(300.000 km/s·1s)² – (10.000 km)²] = 299833,3 km + s2=s1, also insgesamt 2·s1=599.666,6 km zurückgelegt. Dividiert man die Raumzeitstrecke durch die Lichtgeschwindigkeit, wird daraus die im Flug vergangene Zeit: 599.666,6/300.000 = 1,998889 s. Wäre man einfach an Ort und Stelle geblieben, dann wäre die Strecke s’=2·√[(300.000 km/s·1s)²=600.000 km gewesen, entsprechend 2 Sekunden vergangener Zeit. Der Umweg hat also ein Tickchen weniger Zeit gekostet.

Die im Text beschriebene Situation eines Weges zwischen zwei Raumzeitpunkten über einen räumlich entfernten Punkt (rot) und ohne räumlichen Umweg (grün) zur Veranschaulichung. Im Koordinatensystem erscheint der grüne Weg kürzer, aber nach dem im Text beschriebenen Entfernungsregel für Raumzeiten ist der grüne Weg der längere durch die Raumzeit. Bild: Autor, gemeinfrei.

Was passiert, wenn der Inhalt der runden Klammer, also größer als c²Δt² wird? c·Δt ist genau die Strecke, die das Licht in der Zeit Δt zurücklegen kann. (Δx²+Δy²+Δz²) ist das Quadrat der im Raum zurückgelegten Strecke, und wenn diese größer als das Quadrat der in derselben Zeit von Licht zurückgelegten Strecke ist, dann wäre man schneller als das Licht gewesen. Dann wird die Wurzel negativ und s ist nicht mehr definiert (bzw. eine imaginäre Zahl).

 

Im Lichtkegel betrachtet

Zumindest in der klassischen Physik gilt das Lokalitätsprinzip: nur was in sich in meiner Nähe befindet, kann mich irgendwie beeinflussen. Damit mich ein ferner Vorgang beeinflussen kann, muss er mir ein Signal senden (z.B. der Donner eines Blitzes, oder das Licht desselben), und dieses kann höchstens mit Lichtgeschwindigkeit zu mir eilen. Daraus ergibt sich ein Kegel im Raumzeitdiagramm, der die Raumzeit-Koordinaten einschließt, die mich an einem gegebenen Ort in irgendeiner Weise aus der Vergangenheit beeinflussen können oder die ich zukünftig werde beeinflussen können. Alles, was außerhalb des Kegels ist, ist jenseits meines Erfahrungshorizonts und vollkommen kausal von mir entkoppelt. Es kann mich nicht beeinflussen, es existiert für mich nicht.

Anders ausgedrückt umfasst der Lichtkegel die Raumzeitpunkte, an denen ich in der Vergangenheit gewesen sein könnte, oder die ich in Zukunft noch erreichen könnte.

Der Lichtkegel trennt die zeitartige Zone, die mit einem Beobachter im Zentrum des Kegels in kausalem Kontakt stehen kann, von der raumartigen Zone außerhalb. Signale oder Teilchen/Objekte von vergangenen Raumzeitpunkten können den Beobachter aus dem unteren Teil des Lichtkegels erreichen. Signale oder Teilchen/Objekte, die vom Beobachter ausgehen, können nur den inneren Teil des oberen, zukünftigen Teil des Kegels erreichen. Orte außerhalb des Kegels können mit dem Raumzeitpunkt des Beobachters nicht in Kontakt gelangen. Die Gegenwart trennt die Vergangenheit von der Zukunft an der schmalsten Stelle des Kegels. Bild: Wikimedia Commons, Moritz Schubotz, CC BY-SA 3.0.

Linien, die meine Raumzeitkoordinate mit anderen innerhalb des Lichtkegels verbinden, heißen zeitartig – hier überwiegt der Anteil der durch die Zeit zurückgelegten Strecke. Die Raumzeit-Länge zeitartiger Linien ist eine reelle Zahl. Linien, die aus meinem Kegel herausführen, heißen raumartig – hier dominiert die im Raum zurückgelegte Strecke, der Raumzeitabstand ihrer Enden ist imaginär. Und Linien, die genau entlang der Oberfläche des Lichtkegels verlaufen, nennt man lichtartig. Sie entsprechen den Weltlinien von Lichstrahlen, die ich aussende oder die mich erreichen.

 

Links zu den anderen 5 Teilen:

* Der genaue Wert ist etwas kleiner und krummer (299.792,458 km/s), aber wir rechnen hier der Einfachheit halber mit dem glatten Wert

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