Nachrichten

#„Die Zeit ist immer dein Feind“

Inhaltsverzeichnis

„Die Zeit ist immer dein Feind“

Als Bernd W. nach dem Frühjahrs-Lockdown als Paketfahrer anheuerte, war eine Mischung aus Nostalgie und Abenteuerlust im Spiel. Sein Kontostand las sich wie eine Ansage: Er brauchte Geld, und zwar bald, bis es wieder Aufträge geben würde für einen freiberuflichen IT-Trainer wie ihn. Warum die Krise nicht überbrücken?, dachte er. Sich einen einfachen Nebenjob suchen, mit Anfang 50, so wie einst, als Student, als er Kurierfahrer gewesen war?

Julia Schaaf

Julia Schaaf

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Eine Kleinanzeige im Internet, Anruf, Vorstellungsgespräch. Das Transportunternehmen besaß eine ordentliche Homepage, aber kein eigenes Büro. Weil die Besprechungsräume bei Amazon pandemiebedingt nicht zur Verfügung standen, hatte man einen Schreibtisch in eine Autowerkstatt gestellt. Nette, lässige junge Männer mit arabischen Vornamen und gutem Deutsch erklärten Bernd W.: Wir fahren auch für Amazon. Kurz darauf stellte sich heraus: Wir fahren nur für Amazon. Am Ende war klar: Wir sind ein Subunternehmen von Amazon.

Bernd W. unterschrieb.

Gefürchtet und geschätzt zugleich

Der Gigant unter den Online-Händlern hat einen zweifelhaften Ruf. Unbedingte Kundenorientierung beschert dem amerikanischen Konzern astronomische Wachstumsraten, die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter gelten als eher fragwürdig. Wie es an den deutschen Standorten zugeht, weiß keiner so genau, weil es weder Betriebsräte gibt noch die Gewerkschaften Zugang haben.

Auf dem Paketmarkt ist Amazon gefürchtet und geschätzt zugleich – schon seiner Größe wegen: Klaus Esser, der mit seiner Firma KE-Consult für den Branchenverband Paket und Expresslogistik jährlich die Zahlen auswertet, schätzt, dass im Jahr 2019 etwa 900 Millionen Pakete transportiert wurden, die entweder direkt von Amazon stammten oder auf Verkäufe anderer Händler über die Amazon-Website zurückzuführen waren. Das ist rund ein Viertel der 3,65 Milliarden Sendungen auf dem Markt insgesamt. Dabei ist das Wachstum des Corona-Jahrs, das im Weihnachtsgeschäft zu Steigerungsraten von 23 Prozent geführt hat, noch gar nicht eingerechnet.

Wer in einer solchen Größenordnung Aufträge erteilt, hat Macht. Zusteller stehen vor dem Risiko, in Abhängigkeit zu geraten, und die Null-Versandkosten-Mentalität der Kunden, die Amazon zwar nicht allein, aber entscheidend mitgeprägt hat, treibt die Branche in den Wahnsinn: Wo liegt der Wert einer Leistung, die vermeintlich umsonst zu haben ist?

Seit 2015 nun wird Amazon vom wichtigsten Kunden der Paketzusteller zunehmend auch zur Konkurrenz. Eigene Sendungen werden mit eigenen Fahrzeugen und eigenen Fahrern bis zur Haustür gebracht – wobei Amazon Logistics nicht wirklich eigene Leute beschäftigt, sondern mit Lieferpartnern zusammenarbeitet. Bisher gleicht das Wachstum des boomenden Marktes die wegbrechenden Aufträge bei den anderen Zustellern – DHL, UPS, Hermes, dpd und GLS – tendenziell aus. Das wichtige Geschäft mit der sogenannten letzten Meile jedoch, der Weg der Ware vom Depot zum Menschen, ist durch Amazon mächtig unter Druck geraten.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!