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#Diesmal etwas filigraner

Einem „Trompetenbläser im Dorf“ – der eigentlich ein Tubaspieler ist – gilt die mit Abstand höchste Bewertung bei Grisebachs Sommerauktionen in Berlin: Das von fast schrillen Gelb- und Grüntönen beherrschte Bild Lyonel Feiningers aus dem Weltkriegsjahr 1915 zeigt einen Musikanten inmitten anderer Figuren, deren überschlanke Gliedmaßen und skurrile Bewegungen an Feiningers Zeit als Karikaturist erinnern. Das viele Male ausgestellte Gemälde kam aus dem Nachlass des Künstlers in Familienbesitz; nun ist es bei zwei bis drei Millionen Euro angesetzte.

Klassische Moderne besetzt auch die folgenden Spitzenränge der Abendauktion „Ausgewählter Werke“. August Mackes 1913 entstandenes Bild eines Mannes auf einer Bank inmitten üppiger Parkvegetation liegt bei 900.000 bis 1,2 Millionen Euro, und Franz Marcs Tempera einer „Blauen Kuh“, die auf geome­trisch strukturiertem Grund weidet, soll 700.000 bis 900.000 Euro einspielen. „Sonnenflecken“ auf dem Wasser vor ankernden Fischerbooten malt Max Pechstein 1922 an einem Sommerabend an der pommerschen Ostseeküste (Taxe 400.000 bis 600.000 Euro). Für einen abstrakten, suprematistischen Ansatz derselben Zeit steht dagegen Theo van Doesburgs Gouache „Étude pour une contre-composition“ (60.000/80.000).

Franz Marc, „Blaue Kuh“, 1913/14, Tempera auf Papier, 16,2 mal 15,6 Zentimeter, Taxe 700.000 bis 900.000 Euro


Franz Marc, „Blaue Kuh“, 1913/14, Tempera auf Papier, 16,2 mal 15,6 Zentimeter, Taxe 700.000 bis 900.000 Euro
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Bild: Grisebach

Oft zog es Max Beckmann, dem Grisebach im vorigen Jahr den deutschen Auktionsrekord mit bei 20 Millionen Euro für sein „Selbstbildnis gelb-rosa“ verdankte, vom Amsterdamer Exil aus an die Nordseestrände. Dort hat er sich 1942 wohl auch zu dem Gemälde „Hängematte“ inspirieren lassen. Den Bildraum dominiert eine Frau, die barbusig in der Sonne badet; hinter ihr und einem Schirm erahnt man einen Mann im Liegestuhl, der zur monumentalen Wirkung der Figuren auf dem kleinem Bildformat beiträgt (300.000/400.000). Vier Jahrzehnte früher malte Lovis Corinth „Maske im weißen Kleid“. Es inszeniert seine spätere Frau Charlotte Berend, die sich hinter der schwarzen Larve lachend dem Betrachter zuneigt (250.000/350.000).

Philipp Otto Runge, „Mohnblume“, Scherenschnitt, 25 mal 9,8 Zentimeter, Taxe 25.000 bis 35.000 Euro


Philipp Otto Runge, „Mohnblume“, Scherenschnitt, 25 mal 9,8 Zentimeter, Taxe 25.000 bis 35.000 Euro
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Bild: Grisebach

Filigrane Eleganz herrscht im Angebot dreidimensionaler Arbeiten dank Norbert Krickes „Kleinem Lütticher“ von 1952 aus Stahlraht (40.000/60.000) Auch die weiße, aus offenen Kuben luftig errichtete „Pyramid“ vom Konzeptkünstler Sol Lewitt entbehrt der Schwere (200.000/300.000). Starkes Gewicht setzt eine Serie von zwölf der begehrten Bleibilder Günther Förgs dagegen, jede Tafel monochrom in einer anderen Farbe bemalt, das Ganze auf 300.000 bis 400.000 Euro taxiert. Wie bei Feininger klingen auch bei Sigmar Polke gelegentlich Witz und Spott an: Ein Mann, der sich im Fischkostüm einer üppigen Dame nähert, und weitere Zitate aus Cartoon und Bilderbuch bevölkern eine große Arbeit auf Papier von 1992 (120.000/ 180.000).

Hermann Max Pechstein,


Hermann Max Pechstein, „Sonnenflecken“, 1922, Öl auf Leinwand, 100 mal 80,5 Zentimeter, Taxe 400.000 bis 600.000 Euro
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Bild: Grisebach

Einen Schatz aus dem 19. Jahrhundert hebt das Auktionshaus mit Teilen des Familiennachlasses der Künstlerbrüder Erwin und Otto Speckter. Über ihren Vater, einem Mitbegründer der ersten lithographischen Anstalt in Hamburg, kamen die beiden früh in Kontakt mit Arbeiten Philipp Otto Runges, was auch in ihren Œuvres anklingt: Von den beiden Persönlichkeiten der norddeutschen Romantik liegen zahlreiche Blätter vor, kleine Skizzen ebenso wie durchgearbeitete Entwürfen. Erwin Speckters Tondo „Faunenfamilie“ ist eine Vorarbeit für die Ausmalung der Patriziervilla Abendroth; Otto Speckter aquarellierte bezaubernd drei fliegende Schwalben. Bereichert werden diese lebendigen Zeugnisse der „Hamburger Schule“ durch Blätter von Carl Julius Milde, Hermann Kaufmann, Jakob Gensler oder auch Louis Asher.

Stephan Balkenhol, „Drei Männer“, 2002, Holz, farbig gefasst, 170 Zentimeter hoch, Taxe 60.000 bis 80.000 Euro


Stephan Balkenhol, „Drei Männer“, 2002, Holz, farbig gefasst, 170 Zentimeter hoch, Taxe 60.000 bis 80.000 Euro
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Bild: Grisebach

Deutlich mehr als für diese meist im unteren vierstelligen Bereich taxierten Lose gilt es in die Hauptattraktionen der Speckter-Suite zu investieren: „Maiglöckchen“, „Tulpe“, „Kapuzinerkresse“ und „Mohn“, insgesamt 14 florale Scherenschnitte, die Philipp Otto Runge aus weißem Bütten schnitt, treten jeweils zu Schätzungen von 20.000 bis zu 35.000 Euro an. Ob die prächtige Gruppe wohl zusammenbleiben kann? Mit Wilhelm von Schadow, Jakob Philipp Hackert und Friedrich Olivier sind weitere große Zeichner präsent. Auch Adolph Menzel fehlt nicht, 1844 konterfeite er Sophiechen, die vierzehnjährige Tochter ­seines Freundes Wilhelm Puhlmann, damenhaft im schulterfreien Kleid (15.000/20.000). Einmal nicht als Grafiker tritt Daniel Chodwiecki in Erscheinung, sondern ist auf Anton Graffs Ölbildnis der Porträtierte, lächelnd die Brille in Händen haltend. Auch des Künstlers Frau Jeanne saß Graff Modell (100.000/150.000 für beide Bilder).

Groß ist die Auswahl an romantischen Landschaftsstudien, parallel glänzt die vorimpressionistische Pleinairmalerei, angeführt von Camille Corots „Vachère de Ribagnac“ unter silbrigen Weidenbäumen (150.000/200.000). Insgesamt bringt Grisebach am 1. und 2. Juni in Berlin 552 Kunstwerke zum Aufruf, deren mittlerer Schätzwert sich auf 19,9 Millionen Euro addiert.

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