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#Divi-Leiter über Astra-Zeneca-Impfstopp und neuen Lockdown

Divi-Leiter über Astra-Zeneca-Impfstopp und neuen Lockdown

Herr Marx, die Zahl der Covid-19-Intensivpatienten hat sich seit Anfang Januar mehr als halbiert. Nun aber schlagen Sie Alarm, ein neuer Lockdown soll her. Warum?

Tim Niendorf

Marx: Eigentlich ist unsere Forderung nichts Neues und entspricht auch dem, was auf der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen wurde. Wenn die Inzidenz über 100 geht, müssen die Lockerungen zurückgenommen werden. Wir haben in der DIVI ein Prognosemodell entwickelt und das zeigt uns ganz klar auf wissenschaftlich valider Basis: Eine Inzidenz von 100 – das wird schon Ende März in ganz Deutschland der Fall sein. Wenn wir so weitermachen, dann sind wir in der zweiten Aprilhälfte bei einer Inzidenz von 200 und das ist wirklich gefährlich. Wir hätten dann genauso viele Patienten wie in der zweiten Welle auf den Intensivstationen. Das wieder einzufangen wäre besonders schwer, vor allem mit der britischen Mutante. Es gäbe dann auch viel mehr Kranke in der Altersgruppe 30 bis 60, weil die Infektionszahlen dann in dieser Altersgruppe höher sein werden, da die Älteren dann bereits geimpft sind. Aber eben auch, weil die britische Mutante vermutlich gefährlicher für Jüngere ist.

Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, im Januar während einer Pressekonferenz


Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, im Januar während einer Pressekonferenz
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Bild: EPA

Die Menschen sind aber müde, viele wollen endlich wieder ihre Freiheiten zurück. Auch die Wirtschaft. Haben Sie dafür kein Verständnis?

Marx: Jetzt zu handeln wäre auch für die Wirtschaft von Vorteil, weil uns sonst später längere Einschränkungen drohen. Ein Lockdown rettet unseren Sommer. Aktuell gefährden wir hingegen unseren Sommer.

Von welchem Zeitrahmen sprechen Sie?

Marx: Wir brauchen wieder einen Lockdown bis zum Ende der Osterferien. Das würde uns helfen, Zeit zu gewinnen. Zeit zum Impfen. Und darauf kommt es an. Wir haben es ja schon einmal gesagt: Wir müssen mit der Impfwelle vor die Infektionswelle kommen. Ein Lockdown bis zum Ende der Ferien hätte den günstigen Effekt, dass die Schulen dann ohnehin eine Zeitlang geschlossen sind. Es geht darum, schwere Verläufe zu verhindern. Aber auch allgemein um Infektionen. Denn selbst wenn man nicht auf einer Intensivstation landet, wird oftmals deutlich, welche Spätfolgen eine Erkrankung hat. Ich kenne persönlich etliche, die auch noch nach Monaten nicht wieder die Alten sind und auch ihren Geschmack- und Geruchssinn nicht wiederhaben. Da reden wir auch von denen, die zwischen 35 und 60 Jahre alt sind.

Christian Karagiannidis ist Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin und Leiter des ARDS- und ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim


Christian Karagiannidis ist Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin und Leiter des ARDS- und ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim
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Bild: Felix Schmitt

Herr Karagiannidis, Sie haben schon vor einigen Monaten im Gespräch mit uns gesagt: Wenn erst die Risikogruppen geimpft sind, entspannt sich die Lage für die Kliniken.

Karagiannidis: Richtig: Nur die Impfungen können uns retten. Wenn wir aber bald wieder 4000 bis 5000 Intensivpatienten haben, werden wir eine ganze Weile auf diesem hohen Niveau bleiben. Wir werden den R-Wert mit der britischen Mutante nur ganz schwer unter 1 drücken können. Das geht nur mit der Impfung. Die Stadt Köln etwa hatte am Montag schon eine Inzidenz von 101. Für den Moment gilt also: Ohne einen Lockdown kommen wir da nicht raus, keine Chance!

Wie blicken Sie auf die deutsche Impfkampagne?

Karagiannidis: Für das langsame Impftempo haben wir kein Verständnis. Wir müssen schneller impfen. Es ist wichtig, dass die Hausärzte impfen, und sie sollten auch entscheiden, wem sie den Impfstoff geben, wenn etwas übrig bleibt. Ich finde es ganz furchtbar, wenn am Ende des Tages auch nur eine Impfdose übrig bleibt. Da hab ich gar kein Verständnis. Das passiert nirgends sonst in Europa, nur bei uns.

Marx: Die Hausärzte kennen ihre Patienten am allerbesten. Diese Freiheit sollte man den Kolleginnen und Kollegen geben. Wir sind sicher, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden.

Wie könnte die Entscheidung Deutschlands, die Impfungen mit Astra-Zeneca vorübergehend auszusetzen, die Lage beeinflussen?

Marx: Die Lage verschärft sich. Denn in einer Situation mit generell wenig Impfdosen steht in Deutschland nun noch viel weniger Impfstoff zur Verfügung – die Impfgeschwindigkeit müsste sich aber eigentlich drastisch erhöhen. Es werden also weniger Menschen geschützt und wir werden wieder mehr Patienten mit einem schweren Verlauf mit Covid-19 auf den Intensivstationen sehen. Umso wichtiger sind unsere Forderung nach der Rückkehr zu den Lockdown-Maßnahmen wie im Februar bei einer Inzidenz von 100 auf 100.000, damit wir nicht in einer sehr bedrohlichen dritten Welle enden. Nur die Impfung führt zu einer deutlichen Reduktion der Neuinfektionen und damit auch von Intensivpatienten mit Covid-19. Aber ich möchte betonen: In jeder Studie mit derartigen Komplikationen wie jetzt bei Astra-Zeneca beobachtet, ist es geboten kurz innezuhalten und noch einmal genauer zu evaluieren, ob es sich um Zufall handelt oder tatsächlich ein Zusammenhang besteht. Medizinisch halte ich die Entscheidung für richtig. Es handelt sich ja hier um eine Impfung. Da sollte ein noch geringeres Risiko bestehen als bei der Verwendung eines Medikaments.

Welche Altersgruppen müssten geimpft sein, damit Sie den Effekt auf den Intensivstationen spüren?

Karagiannidis: Für uns ist die Altersklasse über 50 entscheidend. Von mir aus, wenn man es etwas lockerer sieht, über 60. Darunter kommen wir schon zurecht. Das ist dann tragisch und wir sollten diese Fälle verhindern. Aber sie machen nicht die Masse der Intensivpatienten aus. Und wir rechnen damit, dass wir schon zwei Wochen nach der ersten Impfung einen Effekt erzielen können, sodass ein schwerer Verlauf verhindert wird. Sie müssen vor allen Dingen sehen: Unsere Teams auf den Stationen sind keine Maschinen. Unsere Leute brauchen dringend Unterstützung und nicht noch eine dritte Welle, einen dritten Marathon. Das ist irgendwann nicht mehr leistbar. Und was viele vergessen: Auch am Ende des Jahres haben wir dann weniger Intensivbetten, weil uns das Personal flöten geht.

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