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#Ein Fest für alle

Ein Fest für alle

Eigentlich sollte heute der Engel zur Berliner Tafel kommen und Geschenke an die bedürftigen Kinder verteilen. Wie im vergangenen Jahr sollte es ein großes Weihnachtsbasteln im Gemeinderaum geben, mit Singen, Plätzchen, Kinderpunsch. Alles abgesagt – wegen Corona.

Stattdessen bekommen die Eltern die Weihnachtstüten mit gespendeten Malheften und Spielzeugen für ihre Kinder in die Hand gedrückt. In die andere Hand kriegen sie die mit Lebensmitteln für die Woche vorgepackte Ikea-Tüte. Auch das Leitsystem, das die „Kunden“, wie die Bedürftigen respektvoll genannt werden, durch die Ausgabestelle führt, erinnert ein wenig an Ikea. Gedränge vermeiden, Kontakte minimieren.

„Wir haben unsere Leute durchgängig versorgt“, sagt Lutz Thies. Seit zwölf Jahren leitet er ehrenamtlich die Ausgabestelle der Tafel im Rahmen der Aktion „Laib und Seele“ in der Matthäus-Gemeinde in Berlin-Steglitz. Dieses Jahr sei mit Abstand das anstrengendste gewesen. Normalerweise fährt Thies jede Woche mit dem Transporter die Supermärkte in der Gegend ab und sammelt abgelaufene Lebensmittel ein, die nicht mehr verkauft werden, aber noch genießbar sind. Um die zwei Tonnen kommen jede Woche zusammen. Das Geschleppe sei auch unter normalen Umständen schon anstrengend, sagt er, mit seinen 70 Jahren sei er ja nicht mehr der Jüngste.

Fehlende Helfer

Jeden Donnerstag kommen die Bedürftigen aus der Umgebung dann in die Gemeinde. Für einen Beitrag von zwei Euro dürfen sie Lebensmittel ihrer Wahl mit nach Hause nehmen. Wegen der Corona-Pandemie musste die Ausgabestelle im März aber schließen. „Da haben wir die Sachen zu den Leuten nach Hause gebracht.“ Zehn Wochen lang hätten Freiwillige mit ihren privaten Autos oder mit dem Fahrrad 90 Haushalte beliefert und so die Versorgung aufrechterhalten.

Bedürftige holen sich bei der Berliner Ausgabestelle an der Matthäuskirche Essen und Weihnachtsgeschenke


Bedürftige holen sich bei der Berliner Ausgabestelle an der Matthäuskirche Essen und Weihnachtsgeschenke
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Bild: Matthias Lüdecke

Inzwischen ist man zum neuen Konzept mit Leitsystem und gepackten Ikea-Tüten übergegangen. Allerdings, sagt Thies, fehlten ihnen teilweise die Helfer. Die meisten von ihnen seien, wie er, im Rentenalter, „sonst hat man ja keine Zeit für so was“, und wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus kommen einige der Risikopatienten nicht mehr zur Ausgabe. Ihnen ist der Kontakt mit all den Leuten zu riskant. „Meine Freundinnen treffe ich ja inzwischen auch nicht mehr zum Kaffeetrinken“, sagt eine der Seniorinnen. „In meinem Ehrenamt muss ich genauso darauf achten, Kontakte zu reduzieren.“

Auch bei der Berliner Obdachlosenhilfe ist man sich der Ansteckungsgefahr bewusst. „Achtet immer darauf, dass euer Gegenüber eine Maske trägt. Und passt auf, was ihr mit euren Händen macht“, rät ein Helfer, bevor sich die Gruppe Freiwilliger zur Ausgabestelle am Leopoldplatz in Wedding aufmacht. „In der Notunterkunft haben wir gerade 15 positive Corona-Fälle.“

Freiwillige Helfer befüllen die Taschen für die Bedürftigen bei der Berliner Tafel


Freiwillige Helfer befüllen die Taschen für die Bedürftigen bei der Berliner Tafel
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Bild: Matthias Lüdecke

Dabei haben sich auch die Notunterkünfte umgestellt. Über die Schlüsselausgabe wird kontrolliert, wie viele Personen in die Unterkunft kommen. Übernachtungsgäste müssen sich registrieren, Freunde dürfen sie nicht mitbringen. „Neulich wurde ich fast rausgeworfen, weil ich jemanden mit reingenommen habe“, sagt ein Obdachloser später bei der Essensausgabe. Insgesamt sei der Ton gegenüber Obdachlosen seit Beginn der Pandemie rauher geworden, findet er. Die Leute hielten noch mehr Abstand als sonst, in der S-Bahn werde man öfter angeschnauzt.

„An Weihnachten vergessen die Leute den Kapitalismus“

In einer anderen Ausgabestelle der Obdachlosenhilfe haben sich kürzlich mehrere Helfer infiziert, dort dürfen keine neuen Freiwilligen mehr anheuern. Die Arbeit geht trotzdem weiter. Um den physischen Kontakt zu den Gästen so gering wie möglich zu halten, bauen die Freiwilligen eine „Hygienezone“ um die Essensausgabe auf, in der sich nur Helfer mit Maske und Handschuhen bewegen dürfen. Bierbänke trennen sie von der Schlange der Gäste, die bekommen das warme Essen hinübergereicht. An der Seite steht ein Kanister warmes Wasser und Seife, damit sie sich vor dem Essen die Hände waschen können. „Normalerweise greifen wir nicht in das Benehmen unserer Gäste ein“, sagt ein Helfer.

„Alles, was wir jetzt tun können, ist, Corona-Polizei zu spielen.“ Auch die richtige Polizei greift manchmal ein, denn streng genommen verstößt die Ansammlung von Menschen, die bei der Essensausgabe entsteht, gegen das Infektionsschutzgesetz. Immerhin tragen bei der Ausgabe fast alle Gäste eine Maske, als sie ihre Schale Pasta entgegennehmen.

An Helfern mangelt es der Obdachlosenhilfe trotz Corona nicht. Im Gegenteil – die Plätze für die Hilfstouren, wegen Corona wesentlich weniger als sonst, sind zur Weihnachtszeit heiß begehrt. Vielleicht weil hier in erster Linie jüngere Leute arbeiten, die weniger Berührungsängste haben, Studenten und Schüler, aber auch Berufstätige, die nach der Arbeit vorbeikommen. Im Gegensatz zur Ausgabe der Berliner Tafel an Bedürftige findet die Essensausgabe der Obdachlosenhilfe in den Abendstunden statt. „Seit ich im Homeoffice bin und mehr Zeit habe, fahre ich fast jede Tour mit“, sagt ein Freiwilliger. Er ist IT-Berater und engagiert sich seit zwei Monaten für die Obdachlosenhilfe.

Auch vor Spenden kann sich der Verein kaum retten. „Am Zoo werfen wir den Leuten das Zeug hinterher“, sagt ein Mann von der Bahnhofsmission, als er eine Kiste übriggebliebener Zahnbürsten und Seifen abliefert. Alle fünf Minuten kommt in der Zentrale jemand mit einer Tüte Lebensmittel oder aussortierten Wollsocken vorbei. Ein Hotel hat kartonweise kleine Lindt-Weihnachtsschokoladen geschickt, die für die ausbleibenden Gäste bestimmt waren. „An Weihnachten vergessen die Leute den Kapitalismus“, sagt eine Helferin, die gerade Schokolade, Nüsse und Spritzgebäck in Tüten portioniert, die dann verteilt werden. Auch eine kleine Weihnachtsfeier will die Obdachlosenhilfe organisieren. Sie soll in einem besetzten Haus stattfinden. Ob die Polizisten das dulden werden? „Mal sehen“, sagt einer. „Vielleicht feiern sie ja mit.“

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