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#Ein Garten, der sogar Schotterliebhaber besänftigt

„Ein Garten, der sogar Schotterliebhaber besänftigt“

Pflegeleicht soll der Garten sein. Am besten gelingt das, wenn Schotter alles unterdrückt, was im Vorgarten sprießt und grünt, oder indem der gestresste Garteneigner alles sprießen lässt, was Vögel so fallen lassen und Ameisen verschleppen. Zwischen dem Schottergarten, der das Mikroklima überhitzter Städte weiter anheizt, und dem verwilderten Garten, der die Nachbarn abstößt, gibt es einen gepflegten Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanze, der die Extremisten der gespaltenen Gartengesellschaft integrieren könnte. So eine kultivierte Wildnis hatte schon Francis Bacon, englischer Staatsmann und Philosoph, im Kopf, als er 1625 für seinen Idealgarten eine „Heide“ entwarf: „Der Boden soll mit Veilchen, Erdbeeren und Primeln besetzt sein, und zwar ohne Ordnung.“ Kleine Büsche aus Rosen, Wacholder und Stechpalmen schwebten ihm vor, die aber beschnitten werden sollten, „um sie nicht außer der Ordnung wachsen zu lassen“.

Dieser Widerspruch zwischen Wildwuchs und Ordnung inspirierte zweieinhalb Jahrhunderte später William Robinson. Der gebürtige Ire und gelernte Gärtner spezialisierte sich im Londoner Regent’s Park auf winterharte Kräuter und einheimische Wildblumen. 1870 publizierte er die Bibel der Naturgärtner: „The Wild Garden“. Robinson wandte sich gegen alles Künstliche und Formale, gegen Statuen, Springbrunnen und viktorianische Teppichbeete mit ihren grellen Farben einjähriger Blumen aus dem Gewächshaus. Der natürliche Wuchs der Pflanzen bestimmte sein freies Design, in dem Eingriffe des Menschen nicht mehr sichtbar sein sollten. Mehrjährige Pflanzen lösten die einjährigen teuren Exoten ab. Dazu gehörten auch Astern und die Kanadische Goldrute, die heute bei Naturschützern als „invasiver Neophyt“ verpönt, bei den Honigbienen aber als Spätsommerweide beliebt ist. Robinson folgte der Natur, die er für die Quelle richtiger Gartengestaltung hielt.

Schönheit durch Unordnung

Dieses Konzept machte sich hierzulande der königliche Gartenbaudirektor Willy Lange in Potsdam und Berlin-Wannsee zu eigen. Anfang des 20. Jahrhunderts propagierte der Gartenarchitekt eine „biologische Ästhetik“. Der ökologische Garten, der sich am günstigen Standort der Pflanzen orientiert, geht auf ihn zurück. Der renommierte Staudengärtner Karl Foerster ließ sich von Lange inspirieren. Beide traten in die NSDAP ein. So geriet der Naturgarten in den Ruch von „Blut und Boden“. Erst die Umweltschützer der frühen siebziger Jahre rehabilitierten ihn als „Lebensraum“ für Flora und Fauna. Zu diesen Stadtflüchtlingen gehörte auch der Literaturkritiker und Schriftsteller Helmut Salzinger, dessen Aufzeichnungen unter dem Titel „Der Gärtner im Dschungel“ 2019 im Frankfurter Westend Verlag erschienen ist. „Wie ein Wilder“ fühlte er sich, als ihm der Garten über den Kopf wuchs.

In den Achtzigern ging es wieder ziviler zu. Der Schweizer Landschaftsgärtner Andreas Winkler wetterte zwar in seinem Standardwerk „Der andere Naturgarten“ gegen „das Bekämpfen von Leben mit Unkrautvertilgern und Insektiziden“; aber die etablierte Gartenkultur wurde zumindest wieder ernst genommen. In den Niederlanden setzt der Landschaftsgärtner Piet Oudolf mit robusten Stauden wie Wasserdost, Sonnenhut und, ja, Kanadischer Goldrute die Traditionen Karl Foersters und William Robinsons fort. Er ahmt natürliche Pflanzengesellschaften nach, etwa im Präriegarten, hält Farben für vernachlässigbar, Strukturen für essentiell. Gräser bringen Wildheit in sein künstlich angelegtes Ökosystem, vertrocknete Blüten dienen als Gestaltungselemente. Und doch verzichtet er nicht ganz auf formal beschnittene Eibenhecken.

So etwas würde dem aktuellen deutschen Naturgarten-Papst Reinhard Witt wohl kaum in den Sinn kommen. Für ihn gilt die Devise: „Das Schöne für uns muss gleichzeitig das Nützliche für die Tiere sein.“ In die Praxis umgesetzt heißt das für ihn: „Den Schwerpunkt auf heimische Wildpflanzen zu legen, und das so zu gestalten, dass es ästhetisch anspricht.“ Unter den hierzulande 3800 heimischen Wildpflanzen schätzt er unter anderem Glockenblumen für spezialisierte Wildbienen, Natternkopf für Hummeln und Schmetterlinge, Heilziest und Hornklee.

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Doch standortgerechte Wildblumen allein machen noch keinen naturnahen Garten. Auf Kunstdünger, Torf und Gift sollte in so einem Lebensraum verzichtet werden. Ein Rasenteppich könnte sich bei seltener Mahd zu einem Kräuterrasen, einer Blumenwiese auswachsen. Ein Teich für Libellen und Molche, ein Sumpfbeet für Amphibien, eine Trockensteinmauer oder kleine Steinpyramiden für Eidechsen, Reisig-, Laub- und Totholzhaufen für Igel, Käfer und Rotkehlchen, ein Sandarium für Wildbienen, alte Obstbäume als Quartiere für Meise, Specht und Bilch – vielfältige Kleinstrukturen erst machen den naturnahen Garten zu einem lebendigen Wimmelbild.

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