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#Ein kleiner Menschenversuch

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Ein kleiner Menschenversuch

Ein kleiner Junge sitzt auf der entlegenen Atlantikinsel Sankt Helena, fast zweitausend Kilometer westlich von Angola. Er sitzt auf einem Baum, den Kopf mit einem Lederriemen fixiert, und schaut durch ein in die Zweige gesägtes Loch in den Himmel. Tags zählt er die Vögel, die er sieht, nachts notiert er die Konstellation der Sterne, dabei kann er weder zählen noch schreiben. Edmond Halley, der berühmte Astronom und Naturwissenschaftler, war 1677 mit Anfang zwanzig für Forschungen auf die Insel gekommen. Im Roman „Die Himmelskugel“ von Olli Jalonen hatte er sich mit seinem Freund und Gehilfen Clarke bei der Mutter des kleinen Jungen einquartiert, auf der Totholzebene oberhalb von Jamestown, dem Hauptort der Insel, die damals der Britischen Ostindien-Kompanie dazu diente, ihre Schiffe mit frischen Vorräten zu versorgen. In der Nähe hatte er ein Observatorium errichtet, um die Sterne der südlichen Hemisphäre zu katalogisieren – das wiederum ist verbürgte Geschichte.

Im Roman soll der junge Angus mit einer kuriosen, aber kindgerechten Methode tags die Vögel registrieren, unterschieden in sausende, flatternde und schwirrende, nachts sticht er mit einem Kaktusstachel in ein dünn geschnittenes Aloeblatt die Sterne, wie er sie am Himmel sieht. Jahre später in London wird Halley seinen naturwissenschaftlichen Auftrag für den jungen Angus einen Menschenversuch nennen, nichts weiter als eine Aufgabe, die zum Lernen gedacht war – zum Beweis, dass keiner so dumm sei und nicht wachsen könne. Nicht einmal die Halbwaise, die sein Begleiter Clarke verächtlich einen Yamsbengel nennt. Die Verlängerung dieses Auftrags über Jahre hinweg, in denen Halley von London aus neue Blätter nach Sankt Helena schickte, auf die Angus seine Beobachtungen übertragen sollte, war, so sagt der Forscher, nicht mehr als ein Spaß für ihn.

Für Angus war es nie ein Spaß, es war eine Pflicht, der er in all der Zeit mit kindlicher Einfalt und Ernsthaftigkeit nachgekommen ist. Dabei hat er einfach nicht aufgehört, im Sinne Halleys zu wachsen. In „Die Himmelskugel“, seinem dritten ins Deutsche übersetzten Roman, lässt der finnische Schriftsteller Olli Jalonen seinen Angus von diesem Wachsen erzählen – indirekt. Eigentlich geht es dem Jungen um seine Forschungen und sonstige Beobachtungen in seinem Leben mit Mutter, älterer Schwester und bald auch mit zwei Babys, die geboren werden, nachdem Halley und Clarke die Insel wieder verlassen haben. Er erzählt vom Inselpastor, der einwilligt, Angus Lesen und Schreiben beizubringen, der immer öfter zu Besuch kommt, bald über Nacht bleibt und Angus’ Mutter schließlich überredet, offiziell als Haushälterin, unausgesprochen als seine Geliebte mit der Familie zu ihm ins Kapellental zu ziehen, wo alle Nachbarn sie anfeinden.

Er versteht nicht, aber er sieht

Olli Jalonen hat für Angus eine Sprache gefunden, die kindliche Unbedarftheit mit scharfer Beobachtungsgabe verbindet. Allein dem Jungen durch seine eigenen Beschreibungen in der geistigen Entwicklung zu folgen, ist atemraubend. Was Angus auf dem Weg von der Totholzebene auf Sankt Helena erlebt, bis er schließlich im Alter von vierzehn Jahren in einer Februarnacht allein mit Edmond Halley auf dem Snowdon steht, dem höchsten Berg von Wales, ist es nicht minder.

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