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#Ein Machtvakuum zugunsten des Terrors

Ein Machtvakuum zugunsten des Terrors

Mit einer Präsidentenwahl hatte kaum jemand mehr in Somalias Hauptstadt Mogadischu gerechnet. Trotzdem schossen einige Somalier Salutschüsse in die Luft, trommelten kurz vor dem Wahltermin zu Beginn vergangener Woche. „Wir feuern in den Himmel, um auf Wiedersehen zu sagen zu dem Diktator Farmaajo. Er hat Somalia vier Jahre lang verbrannt“, sagte ein Soldat der Nachrichtenagentur Reuters.

Claudia Bröll

Mehr als eine Woche später ist der Staatspräsident Mohamed Abdullahi Mohamed – er hat den Spitznamen Farmaajo, weil sein Vater als Käseliebhaber „Formaggio“ genannt wurde – immer noch im Amt, trotz abgelaufener Amtszeit. Die Präsidentenwahl fand ebenso wie die Parlamentswahl Ende vergangenen Jahres nicht statt. In letzter Minute hatte Mohamed ein Krisentreffen mit den Lenkern von fünf halb-autonomen Bundesstaaten einberufen. Doch auch dieses Treffen brachte nicht den nötigen Konsens darüber, wie die Wahlen abgehalten werden sollen.

Die Parlamentswahl hätte ein historisches Ereignis sein können

In dieser Woche wollte der Staatspräsident einen neuen Versuch starten, doch das Treffen wurde abermals verschoben. Auch aus dem Ausland kommt viel Druck, die Hängepartie am Horn von Afrika zu beenden. Die Parlamentswahl hätte ein historisches Ereignis sein können: erstmals seit mehr als 50 Jahren sollten die Bürger direkt ihre Volksvertreter wählen. Zum einzigen Mal seit der Unabhängigkeit hatten sie dazu 1969 Gelegenheit. Nur sieben Monate später jedoch wurde die gewählte Regierung von General Siad Barre und seinen Anhängern gestürzt. Barre errichtete einen sozialistischen Ein-Parteien-Staat. Danach wurden nur noch indirekte Parlamentswahlen über Wahlmänner abgehalten.

Schon im vergangenen Jahr war klar, dass das Versprechen „Eine Person – eine Wahlstimme“ auch diesmal nicht erfüllt wird. Stattdessen einigte man sich wieder einmal auf indirekte Wahlen. Dabei wählen verschiedene Gruppierungen sowie die Oberhäupter von Clans die Abgeordneten in beiden Parlamentskammern. Diese wählen später den Präsidenten. Meist ist dabei viel Geld im Spiel.

Bürgerkrieg, Clanrivalitäten und Terror

Doch am Ende wurde selbst daraus nichts. „Wir befinden uns auf völligem Neuland“, stellt der politische Analyst Rashid Abdi fest. „Es ist eine gefährliche, unvorhersehbare und leicht entflammbare Situation.“ Zwar ist das Überschreiten von Amtszeiten nichts Neues, doch in der Vergangenheit gab es zumindest Vereinbarungen für das weitere Vorgehen. Jetzt sind weder Regierung noch Parlament in irgendeiner Form legitimiert.

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Bei den letzten Wahlen 2017 hatte sich noch Zuversicht breit gemacht. Auch damals wurde getrommelt und in die Luft geschossen, allerdings aus Freude über den Wahlsieg des heutigen Präsidenten. Der heute 58 Jahre alte Farmaajo erschien vielen als der richtige Mann, um die Korruption unter seinem Vorgänger zu beenden, einen Staatsapparat aufzubauen und für Ruhe zu sorgen.


Bild: FAZ-Karte lev.

Doch von Beginn an schien klar, dass dies kein leichtes Unterfangen sein würde. Somalia wird seit Jahrzehnten von Bürgerkrieg, Clanrivalitäten und Terror erschüttert. Im Index der fragilsten Staaten der Welt lag das Land im vergangenen Jahr auf Rang Zwei, hinter Jemen und vor Südsudan. Die Zentralregierung in Mogadischu hat über den Rest des Landes wenig Kontrolle. Es toben Machtkämpfe mit den Bundesstaaten, insbesondere mit Jubaland und Puntland, in die auch Nachbarländer wie Kenia verwickelt sind. Mächtige Clans spielen seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. Zusätzlich nutzt die islamistische Terrororganisation Al-Shabaab das Land als Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet, verübt regelmäßig Anschläge.

Vier Jahre später jedoch gibt es Kritik, die Spannungen im Land hätten sich unter dem neuen Präsidenten sogar verstärkt. Vertreter der Bundesstaaten werfen ihm vor, den Staat zentral steuern zu wollen. Somalia hat weiterhin nur eine provisorische Verfassung. Die Sorge ist nun groß, dass verschiedene Gruppen das Machtvakuum für die eigenen Zwecke nutzen. Al-Shabaab freue sich darüber, sagt ein früherer Sicherheitsberater. „Das ist ein Versagen des Präsidenten, der politischen Elite und der internationalen Gemeinschaft. Sie hatten keinen Plan B.“

Washington ist „tief besorgt“

Die Terrororganisation scheint tatsächlich bereits ihre Angriffe zu verstärken: Am vergangenen Samstag sprengte sich ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto in der Nähe des Präsidentenpalasts in die Luft. Am Sonntag zuvor detonierte eine Bombe in der Nähe der Stadt Dhusamareeb. Dort hatte das Krisentreffen zu den Wahlen stattgefunden. In der Woche davor war ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug vor einem bekannten Hotel in der Nähe des Flughafens von Mogadischu explodiert. Während stundenlangen Gefechten starben zehn Menschen, 20 wurden verletzt. Zu den Opfern gehörte ein früherer General.

Wie es weitergeht, ist nun völlig offen. Ein Sprecher des amerikanischen Außenministeriums teilte mit, die Vereinigten Staaten seien „tief besorgt“ und forderten „sofortige Wahlen“. Weitere Verzögerungen erhöhten die Instabilität in der ganzen Region. Die amerikanische Regierung hat ihre Truppen zu Beginn des Jahres aus Somalia abgezogen.

Die somalischen Oppositionsparteien teilten mit, Regierung und Parlament nicht anzuerkennen. Stattdessen solle ein nationaler Rat bestehend aus Abgeordneten, Oppositionsführern und Zivilorganisationen die Staatsführung übernehmen. Der Staatspräsident hingegen zeigt keinen Rückzugswillen. Eine Regierung ohne Legitimation ist unterdessen nur eines von vielen Themen in Somalia. Abgesehen von der Corona-Pandemie haben die Somalier mit den Folgen einer Heuschreckenplage und einer schweren Dürre zu kämpfen. Zigtausende Menschen mussten ihre Heimatorte verlassen und leben jetzt in Flüchtlingslagern.

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