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#Ein ökumenisches Requiem für den Schneeferner-Gletscher auf der Zugspitze.

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Schwarz dräut das Gebirg, Schneeflocken umtänzeln die Bergstation der Zugspitzbahn. Am Zugspitzblatt steht das Thermometer im Nebel bei drei Grad Celsius, die auf einer Kuppe thronende Kapelle Mariäe Heimsuchung ist der Ort, an dem zur Mittagsstunde ein ökumenisches Requiem für den Nördlichen Schneefernergletscher stattfinden wird. Ein Termin, der mehr Pressevertreter denn Einheimische lockt, vielleicht liegt es am wenig einladenden Wetter. Touristen aus Asien und Amerika entern gut gelaunt die Kapelle. Um das Rollenklischee zu bedienen, sind einige barfuß in Sandalen, in kurzen Hosen und Hoodies gekommen, während die Münchner Presse wie für den Himalaya gerüstet erscheint. Immerhin ein Einheimischer in kurzer Lederhose. Die Vikarin erklärt den Gästen in perfektem Englisch, die vielen Kameras und Mikrofone: „It is quite a thing for the media.“

Es erklingt Felix Mendelsohn Bartholdys Terzett „Hebe deine Augen auf“. Dann wird aus Psalm 121,1 die Frage schlechthin gestellt: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“ Antworten suchen abwechselnd die evangelische Pfarrerin Uli Wilhelm aus Garmisch-Partenkirchen und ihr katholischer Kollege Florian Hammerl. Die Pfarrerin evoziert Bilder der griechischen Flammenhölle, versetzt sich in die Lage junger Frauen. Sie selbst habe in den Achtzigerjahren gegen das Waldsterben demonstriert und als Studentin im Nymphenburger Schlosspark Bäume mit weißen Kreuzen bemalt, weil sie der Überzeugung gewesen sei, der Tod der Bäume stehe kurz bevor. Man habe ähnlich empfunden wie heute die Letzte Generation – doch die Bäume stünden immer noch.

Wie erklärt man es den Touristen?

Bei der Weihe der Kapelle am 11. Oktober 1981 war noch keine Rede vom Klimawandel. Joseph Kardinal Ratzinger, damals Erzbischof von München und Freising, sagte, der Berg lasse den Menschen „etwas von der Kraft und der Nähe des Schöpfers spüren“. Da hat Pfarrer Hammerl heute so seine Bedenken. Man meine immer, man sei am Berg Gott näher, dabei müsse man hilflos zusehen, wie der Gletscher immer kleiner werde. Der Klimawandel ist für ihn auch ein seel­sorgerisches Problem. Es sei schwer, schockierten Besuchern zu erklären, warum sich die Gletscher in so kurzer Zeit einer Geröllwüste Platz gemacht hätten. Hammerl erinnert das Gletschersterben an den Tod eines Menschen, da rücke am Sterbebett die Familie oft zusammen, weil sie erkenne, wie wertvoll das Leben sei. „Am Sterbbett kann man wahnsinnig viel fürs Leben lernen“, sagt er, und wer weiß, vielleicht entstünden nach dem Verschwinden der Gletscher neue Tier- und Pflanzenarten? Er sei überrascht worden vom eigenen Glauben, weil der ihm Zuversicht spende, zeige, wie „heiß dieses Leben geliebt werde“.

Segen, Weihrauch und Gebete für einen Todgeweihten: Das Requiem am Zugspitzblatt


Segen, Weihrauch und Gebete für einen Todgeweihten: Das Requiem am Zugspitzblatt
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Bild: dpa

Pfarrerin Wilhelm ergänzt, bei Todesfällen fragten sich Hinterbliebene oft, was bleibe vom Sterbenden: „Eigentlich könnte man den Gletscher fragen: Wie sollen wir weiterleben?“ Der mittlerweile bär­tige Witz über zwei Planeten, von denen sich einer mit Homo sapiens in­fiziert hat, leitet über zum Kanon „Jeder Teil dieser Erde“. Das von Wilko Ossoba-Lochner komponierte „Requiem auf das Ende des ewigen Eises“ muss warten, weil die Luftfeuchtigkeit für die Instrumente zu hoch ist.

Messe für einen lebenden Verstor­benen? Beim Auszug wird ein Sterbebild angeboten: „In tiefer Trauer geben wir bekannt, dass der Zugspitzgletscher von uns geht.“ Glaziologen, die in Sichtweite am Schneefernerhaus forschen, geben dem Nördlichen Schneeferner noch bis 2030, dem benachbarten Höllentalferner vielleicht zehn Jahre länger. Todesursache Erderwärmung. Den Dreck der ganzen Er­de, sagt Hammerl, hätten sie hier oben entdeckt, Saharastaub, Ruß aus Brasilien. Auf dem Sterbebild steht: „Möge uns sein Vermächtnis als Mahnung dienen, unsere Umwelt zu schützen und zu be­wahren.“

Die Prozession stapft zur Zunge des Gletschers, der bläulich schimmert im fahlen Licht des winterlichen Sommertags. Ein Kreuz mit geschnitztem Totenschädel wird vorangetragen, das sonst bei Beerdigungen dem Sarg vorausgeht. Weihrauch. Die Glocke der Kapelle läutet ununterbrochen, und während die Geistlichen zur Aussegnung schreiten, fahren am Gegenhang ein paar Touristen quietschvergnügt auf Zipflbobs durch den Sulz. Bei den Fürbitten bittet ein älterer Mann die Jugend für die Versäumnisse seiner Generation um Entschuldigung. „Kehret um!“ – jetzt wäre der optimale Augenblick für den Auftritt eines Rufers in der Steinwüste. Er verstreicht.

Vier Gletscher gibt es noch in Bayern, nachdem vergangenes Jahr der Süd­liche Schneeferner für zu dünn befunden wurde. Neben den beiden auf der Zug­spitze sind das der Blaueis-Gletscher am Hochkalter und der Watzmann-Gletscher. Letzterem werden kaum noch Chancen ein­geräumt, liegt er doch auf nur 2100 Metern, um zu überleben müssten es 3500 Meter über dem Meer sein. Bei der Rückfahrt erzählt der Seilbahner in der Gletscherbahn zwei älteren Damen, die am Requiem teilgenommen haben, zur Römerzeit sei der Gletscher noch kleiner als heute gewesen. Was Genaues wisse man aber nicht.

Vielleicht noch bis 2030? Touristen stehen vor den Resten des Nördlichen Schneeferner auf der Zugspitze.


Vielleicht noch bis 2030? Touristen stehen vor den Resten des Nördlichen Schneeferner auf der Zugspitze.
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Bild: dpa

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