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#Ein Querschuss aus Brüssel

Ein Querschuss aus Brüssel

Die globale Steuerreform hat die nächste Hürde genommen, doch nun gibt es Unstimmigkeiten zwischen Brüssel und Washington wegen einer geplanten Digitalabgabe in der EU: Die Finanzminister aus der Gruppe der zwanzig großen Industriestaaten und Schwellenländer (G 20) befürworten die geplante Mindestbesteuerung und die Neuaufteilung der Besteuerungsrechte für die größten und ertragreichsten Konzerne der Welt. Nun gehe es darum, die Maßnahmen so schnell wie möglich umzusetzen, damit sie schon ab 2023 greifen könnten, mahnte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Rande des Treffens mit seinen Amtskollegen in Venedig. „Das ist nur sehr, sehr wenig Zeit.“ Aber man sei weit gekommen. „Das alles ist wirklich ein großer Fortschritt“, sagte er. Der Trend zu immer niedrigeren Steuern werde damit beendet.

Amerikas Finanzministerin Janet Yellen stellte sich buchstäblich an die Seite des deutschen Politikers. Die geplante Steuerreform sei für alle Länder gut, sagte sie bei einem gemeinsamen kurzen gemeinsamen Auftritt. Es werde höhere Einnahmen für die Länder geben, betonte sie. Sie werde unverändert dafür werben, dass sich weitere Länder der Verständigung anschlössen. „Wir werden das versuchen, aber ich sollte betonen, dass es nicht essenziell ist, dass alle Länder an Bord sind.“

Streit um Digitalabgabe

Gleichwohl stehen nunmehr 131 Staaten hinter dem Konzept, über das 139 Länder unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD verhandelt haben. In Europa wehren sich Irland, Ungarn und Estland noch gegen die vorgesehene Reform. Auch Zypern, das nicht in der Arbeitsgruppe vertreten ist, hat Bedenken.

Die G-20-Finanzminister sprechen von einer historischen Verständigung, die das Steuersystem stabiler und fairer machen wird. Einen detaillierter Plan für die Umsetzung der Neuregelung wollen sie auf ihrem Treffen im Oktober beschließen.

Ein Querschuss aus Brüssel könnte nun jedoch für Probleme sorgen: Die EU-Kommission ist offenbar nicht bereit, auf eine Digitalabgabe in Europa zu verzichten. Es heißt, sie wolle dafür schon bald ihre Pläne vorlegen. Nach den Worten von Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni richtet sich dies nicht gegen amerikanische Konzerne, das Vorhaben sei auch nicht vergleichbar mit einer Digitalsteuer. Gleichwohl hat es das Potential, die weitere Arbeit an der Neuaufstellung der Steuerwelt zu stören. Amerika beharrt darauf, dass alle Digitalsteuern eingedampft und neue nicht eingeführt werden.

Mit einem Trick gegen Amazon

Die neue Steuerwelt steht auf zwei Säulen. Erstens einer Neuverteilung des Steueraufkommens zwischen den Staaten, in denen die Giganten der Globalisierung mit den höchsten Gewinnen sitzen (Sitzland, oft Amerika), und den Ländern, in denen sie ihre Erträge erwirtschaften (Marktstaaten). Heute hängt das Besteuerungsrecht allein davon ab, ob ein Unternehmen in einem Land eine Niederlassung oder Betriebsstätte hat. Bei Geschäften, die über das Internet laufen, gehen die Marktstaaten heute leer aus.

Zweites Element ist die berühmt-berüchtigte Mindestbesteuerung. Sie wird zwar nicht jedes Land zwingen, diesen Satz zu erheben, aber indirekt in diese Richtung wirken. Wenn ein Land weniger nimmt, als vorgesehen ist (mindestens 15 Prozent), können andere Staaten die Differenz bei den Konzerngesellschaften einkassieren. Oder in den Worten von Scholz: Sollten deutsche Unternehmen beispielsweise im Ausland nur zwei Prozent Steuern auf ihre dortigen Profite zahlen, werde künftig der deutsche Fiskus die Differenz zur neuen Mindeststeuer erheben.

Finanzminister Scholz im G20-Verhandlungssaal in Venedig


Finanzminister Scholz im G20-Verhandlungssaal in Venedig
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Bild: Imago

Die erste Säule ist als Ersatz für die einseitig eingeführten oder geplanten Digitalsteuern gedacht. Doch gibt es einen gewichtigen Unterschied: Sie zielt nicht nur auf Konzerne mit digitalen Geschäftsmodellen, sondern ist breiter gefasst. Es geht um alle, die einen Umsatz von zunächst mindestens 20 Milliarden Euro und eine Profitrate von mindestens 10 Prozent haben. Damit dürfte beispielsweise auch der französische Luxuskonzern LVMH unter die erste Säule fallen. Bei diesen Unternehmen wird künftig ein Teil des Besteuerungsrechts der über die 10-Prozent-Schwelle hinausgehenden Gewinne auf die Marktstaaten übergehen. Das soll automatisch anhand der Geschäftsteile geschehen.

Der breitere Ansatz ist der Regierung in Washington wichtig, auch für die betroffenen Konzerne spielt das eine große Rolle. Den Europäern war wichtig, die vier Giganten in Amerika zu erfassen. Amazon drohte durchzurutschen. Deswegen hat man zu einem Trick gegriffen: Der Konzern wird gedanklich zerlegt. Der Teil, der für sich schon so groß und ertragreich ist, dass er unter die Neuregelung fällt, wird einbezogen, der Teil, der die Ertragskraft verwässert, wird ausgeblendet.

Die Auswirkungen der Neuregelung dürften sich für den deutschen Fiskus in einem überschaubaren Rahmen halten. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung kommt in einer Studie für das Bundesfinanzministeriums auf eine Spanne 0,7 bis 0,9 Milliarden Euro, wie die Zeitung Welt am Sonntag berichtete. Zum Vergleich: Im letzten Jahr vor der Corona-Krise betrug das gesamte Steueraufkommen in Deutschland fast 800 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2025 soll es auf mehr als 900 Milliarden Euro steigen.

In die Gruppe der deutschen Unternehmen, die künftig mehr Steuern in den Marktstaaten abführen müssen, werden in der Studie etwas mehr als 100 Konzerne weltweit eingeordnet, darunter acht deutsche Unternehmen: Ceconomy, Deutsche Telekom, Henkel, RWE, Bayer, SAP, Adidas, Deutsche Post.

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