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#Ein Spiel für die Ewigkeit?

Ein Spiel für die Ewigkeit?

Auf dem kleinen Hügel im Stadion steht Yukiko Ueno mit dem Ball in der Hand. Und wenn sie den Ball hat, muss man immer noch genau hinschauen. An guten Tagen schmeißt sie ihn auch mit 39 Jahren noch schneller als alle anderen Frauen in Japan, wahrscheinlich sogar schneller als alle anderen auf der Welt. Einmal wurden 128 Kilometer pro Stunde gemessen. Jetzt wippt sie von einem Fuß auf den anderen. Sie wird gleich werfen. Und versuchen das zu schaffen, was sie vor 13 Jahren schon mal geschafft hat.

Es ist Dienstagabend in Yokohama, einer Großstadt südlich von Tokio. Draußen vor dem Stadion kreischen die Grillen in den Bäumen, drinnen die Softballspielerinnen aus Japan und den Vereinigten Staaten. Im Finale des Olympia-Turniers führen die Japanerinnen seit ein paar Minuten mit 1:0. Auf der Pressetribüne sprechen die ansonsten stets leisen Fernsehkommentatoren plötzlich etwas lauter in ihre Mikrofone. Man spürt, was man in den Hallen und Stadien momentan selten spüren kann: Aufregung.

In den ersten Tagen der Olympischen Spiele haben die Menschen in Japan schon einige außergewöhnliche Sportmomente erleben können. Aber waren sie schon mal so aufgeregt wie in diesem Moment? Auf der Pressetribüne sitzen mehr lokale Reporter als an anderen Orten. Sie ahnen vielleicht, dass sie an diesem Abend ein Spiel für die Ewigkeit sehen können. Und das ist wirklich im Wortsinn gemeint. Denn das Spiel, das sie sich anschauen, mag in ihrer Lebenswelt eine Zukunft haben. In der olympischen aber eher nicht.

Wenn man an diesem Finaltag mit dem olympischen Shuttlebus von Tokio nach Yokohama fährt und aus dem Fenster schaut, sieht man in den Parks und auf den Wiesen immer wieder Kinder und Jugendliche, die den Ball werfen, schlagen und fangen. In Japan sorgt man sich grundsätzlich um den Nachwuchs, aber das gilt augenscheinlich nicht für Base- bzw. Softball, das populärste Spiel im Land. Angeblich hat ein Professor aus den Vereinigten Staaten die Begeisterung ausgelöst. Im späten 19. Jahrhundert unterrichtete Horace Wilson an der Universität von Tokio Englisch – und in seiner Freizeit dann Baseball. Das spielen weltweit bis heute eigentlich nur Männer. Softball heißt die Frauenvariante. Der wesentliche Unterschied: Der Ball ist etwas größer und statt von oben wird von unten geworfen. Und trotzdem schmeißt Yukiko Ueno ihn mit 128 Kilometer pro Stunde.

In Japan muss man das nicht erwähnen. Die Pitcherin aus Fukuoka warf schon im Sommer 2008 den Ball, als die Japerinnen im Finale der Olympischen Spiele in Peking die Amerikanerinnen schlugen. Spätestens seitdem wissen alle in Japan, wer Yukiko Ueno ist. Auf der größten Bühne des Sports – im Softball gibt es keine Ausnahmeliga wie die nordamerikanische MLB im Baseball – konnte man sie danach aber nicht mehr sehen. Schon vor den Sommerspielen damals hatten die Funktionäre des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) entschieden, Softball wieder aus dem Programm zu streichen, obwohl es erst 1996 in Atlanta aufgenommen worden war. Sie hatten drei Turniere gesehen– und dreimal dasselbe Ende: Gold für die Vereinigten Staaten. Die Amerikanerinnen konnten nicht mehr weiter gewinnen, weil sie nie verloren haben.

In Peking ist es dann doch passiert, aber da war es schon zu spät. Für die Favoritinnen spielte damals Cat Ostermann. Was Yukiko Ueno in Japan ist, ist sie in den Vereinigten Staaten. Eigentlich hatte sie schon aufgehört. Jetzt ist sie mit 38 Jahren wieder da. Für ihr Land und ihren Sport. Und vor allem für ihre Revanche. Am Dienstagnachmittag, als das große Revanchespiel noch nicht angefangen hat, sitzt Kelsey Harshman im Presseraum neben dem Stadion und schluchzt. Sie hat gerade mit Kanada das Spiel um Bronze gegen Mexiko gewonnen. Jetzt sagt sie mit leiser Stimme, warum Softball für sie und so viele Frauen so besonders sei. „Ich hoffe, wir konnten das der Welt und vor allem dem IOC zeigen“, sagt sie. Dann wischt sie sich die Tränen in die Maske.

Auf dem Stuhl neben ihr sitzt ihr Trainer Mark Smith. Er wird nach 13 Jahren aufhören. Er spricht nicht versöhnlich, sondern anklagend. Denn Softball ist nach der Rückkehr in Japan im Programm von Paris 2024 schon wieder entfernt worden. Und Smith glaubt: Ohne das Coronavirus wäre es anders gekommen.

Es könnte gut sein, dass am Dienstagabend 30.000 Menschen im Stadion in Yokohama gewesen wären. Es könnte sein, dass sie jeden Wurf von Yukiko Ueno, die fast nicht pausierte und nahezu perfekt spielte, bejubelt hätten. Es könnte sein, dass sie ausgeflippt wären, als Japan von 1:0 auf 2:0 erhöht hatte, was dann auch der Endstand war. Es könnte sein, dass sie sogar in den Köpfen der IOC-Funktionäre etwas ausgelöst hätten. Sie dürfen trotz der unsicheren Zukunft des Sports und damit auch seiner Spielerinnen zufrieden gewesen sein: Gold für Japan im Landessport. Solche Geschichten lieben sie.

Auf der Pressekonferenz der Kanadierinnen wurde die Spielern Jenna Caira zuvor gefragt, was für sie der schwierigste Moment des Spiels um Bronze gewesen sein. Und sie antwortete: „Ich sag‘ es ehrlich, auch wenn es euch nicht gefallen wird: Das war der Moment, als mir klar war, dass ich mich von meiner Mannschaft verabschieden muss.“

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