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#Ein weithin unzeitgemäßer Baum

Ein weithin unzeitgemäßer Baum

Sie müssen jetzt ganz stark sein: Tannenzapfen haben nichts mit Tannen zu tun. Auch Tannenhäher haben nichts mit Tannen zu tun. Und das Etikett des „Tannenzäpfle“-Biers der badischen Staatsbrauerei zeigt auch nicht die Fruchtstände der Weißtanne, sondern die der Fichte. In den meisten Wäldern stehen kaum noch Tannen, und richtige Wälder sind das eigentlich ohnehin kaum.

Andrea Diener

Wer kann schon auf Anhieb Tanne von Fichte unterscheiden? Dabei ist die Tanne eigentlich ein sehr markanter Baum mit seiner flachen Benadelung, seinen aufrecht stehenden Zapfen und seiner runden Storchennestkrone im ausgewachsenen Zustand. Man findet die Tanne allerdings nur noch selten in den Wäldern, denn Tannen brauchen einen Mehrgenerationenwald, eine geschützte Kinderstube unter großen Bäumen in jungen Jahren, um zu mächtigen Exemplaren von bis zu mehreren hundert Jahren heranzuwachsen. Ein Fichtenforst ist pflegeleichter und einträglicher. Man pflanzt diese eigentlich aus dem hohen Norden stammenden Nadelbäume einfach hin, und da wachsen sie auch schon, ohne besondere Bedürfnisse.

Rehabilitation eines verkannten Baums

Eine Fichtenpflanzung ist allerdings auch, das zeigen die jüngsten Trockensommer, längst nicht so resilient wie ein gemischter Naturwald mit seinen zahlreichen Überlebensmechanismen, die man jetzt erst wirklich zu verstehen beginnt. Wer in diesem oder im letzten Jahr mit dem Zug durch die Mittelgebirge gefahren ist, dem sind die großen, abgestorbenen Flächen in den Fichtenwäldern vermutlich aufgefallen. Jetzt, allerspätestens, ist ein Umdenken in Sachen Waldwirtschaft notwendig. Und im besten Fall wird dabei nicht nur eine Monokultur durch eine andere, etwa trockenheitsbeständigere Nadelbäume aus Südeuropa, ersetzt.

Tannenzapfen hängen nicht, und meist sind sie auch nicht zu sehen. Das ist nur einer der Unterschiede zwischen der heimischen Abies alba und der Fichte.


Tannenzapfen hängen nicht, und meist sind sie auch nicht zu sehen. Das ist nur einer der Unterschiede zwischen der heimischen Abies alba und der Fichte.
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Bild: Picture-Alliance

Das Büchlein „Tannen“ des Forstwirts und Naturschützers Wilhelm Bode macht sich an die Rehabilitation eines verkannten Baums, der in den letzten Jahrhunderten unter die Räder gekommen ist. Denn an der Tanne und ihrer Missachtung lässt sich tatsächlich viel von dem aufzeigen, was im Wald schiefläuft. Besonders gut kommt die Forstwirtschaft dabei nicht weg. Und nicht nur das Forstwesen jüngerer Zeit, denn das Elend begann erschreckend früh. Unter dem prunksüchtigen Fürsten August dem Starken wurden schon massenhaft Wälder abgeholzt, um die Bergwerke am Laufen zu halten, die die Edelmetalle förderten, die wiederum die Dresdner Schatzkammern füllten.

Dementsprechend sieht das Erzgebirge heute leider aus. Amsterdam steht zu einem Großteil auf Schwarzwaldtannen, die zu Tausenden in Form riesiger Holzflöße den Rhein hinab geschifft wurden. Die Grachten: ausgekleidet mit Tannenholz. Auch die Schiffe der Seemacht: Schwarzwaldtannen. Allerdings konnten sich im Schwarzwald noch viele Weißtannen halten, da dort oft bäuerlich und kleinteilig gewirtschaftet wurde. Der Einschlag erfolgte nicht großflächig, stattdessen wurden nur die alten, ausgewachsenen Bäume geschlagen und das Ökosystem als Ganzes erhalten – die sogenannte Plenterwirtschaft.

Unsere Vorstellung vom Wald änderte sich

Viel Wohlstand gründete sich auf der Tanne, doch schien sie weithin nicht mehr zeitgemäß. Ersetzt wurden eigentlich gesunde Mischwälder schon im späten siebzehnten Jahrhundert vor allem durch die schnell wachsenden und leicht heranzuziehenden Fichten. Man kann also schon seit dem Barock nicht mehr von einer wirklich nachhaltigen Holzwirtschaft sprechen.

Die forstwirtschaftliche Monotonie fand sich erstmals künstlerisch dargestellt ausgerechnet bei Caspar David Friedrich, dem dunklen Romantiker, der die deutsche Landschaft mit Empfindung auflud. Er beobachtete sehr genau, wie die alten Mischwälder verschwanden und durch den Altersklassenwald aus Fichten ersetzt wurden. Man muss in seinen Zeichnungen und Gemälden nur genau hinschauen – und Tanne von Fichte unterscheiden können. Caspar David Friedrich blieb nicht der Einzige. Bald gab es nur noch Fichtenwälder, und unsere Vorstellung davon, wie ein Wald auszusehen hat, änderte sich grundlegend. Dieses Bild vom Wald anhand von Zeichnungen und Gemälden aufzuzeigen ist im Wortsinne augenöffnend und eines der großen Verdienste dieses schmalen Buchs.

Wilhelm Bode: „Tannen“. Ein Portrait. Reihe: Naturkunden Bd. 67. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2020. 155 S., Abb., geb., 20,– €.


Wilhelm Bode: „Tannen“. Ein Portrait. Reihe: Naturkunden Bd. 67. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2020. 155 S., Abb., geb., 20,– €.
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Bild: Matthes & Seitz

Ein wichtiges Kapitel ist der große Auftritt der Weihnachtstanne in jedem Jahr. Der Brauch breitete sich aus dem südwestdeutschen Raum immer weiter aus, wurde zum Symbol eines ersehnten deutschen Sieges im Ersten Weltkrieg, machte international Furore, wurde von den Nationalsozialisten als Julbaum umgedeutet. Was einst vor allem Fichten waren, ist heute meist die Nordmannstanne, ein Importartikel aus dem Kaukasus.

Wer nun bangt, es werde ihm auch noch der schöne Baum ausgeredet, für den folgt gleich die gute Nachricht des Buchs. Sich an Weihnachten eine Nordmannstanne in die Stube zu stellen ist, wenn sie aus der Region stammt und nicht mit Pestiziden behandelt wurde, ökologisch vollkommen unbedenklich. Die Tannen stammen aus Sonderkulturen, die mit unseren Wäldern nicht konkurrieren, sondern bestenfalls mit Mais oder Raps. Die Sammlung von Zapfen zur Samengewinnung in ihrer Herkunftsregion, dem Kaukasus, hilft, Altwälder zu erhalten, und gibt den Bewohnern der Gebirgsgegenden ein Einkommen. Keine Gründe also, sich am Baum nicht zu erfreuen.

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