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#Eine Frage der Macht

Eine Frage der Macht

Warum hat Henry Kissinger im Alter von 98 Jahren ein Buch über Künstliche Intelligenz mitverfasst? Auf dem Gebiet der Informationstechnologie hat sich der ehemalige amerikanische Außenminister, nationale Sicherheitsberater und Historiker bislang nicht hervorgetan – die Künstliche Intelligenz (KI) indes beunruhigt ihn offenkundig schon länger. Anlass gab eine Konferenz vor einigen Jahren, auf der ein Mitarbeiter des zu Alphabet (Google) gehörenden KI-Entwicklers Deepmind jenes inzwischen prominente Programm erläuterte, das im traditionsreichen Brettspiel Go die besten menschlichen Spieler überragte und im Schach auch andere Programme, die menschliche Spieler übertrafen, schnell in den Schatten stellte.

Kissinger war verblüfft über den Lernprozess, der dahintersteckte, und veröffentlichte bald danach in der Zeitschrift „The Atlantic“ einen Beitrag über KI unter der dramatischen Überschrift „Wie die Aufklärung endet“, in dem er zwar manche aus Sicht der Fachwelt übertriebene Befürchtung vorbrachte, aber mit der zen­tralen Frage durchaus einen Nerv traf: Was bedeutet es denn, wenn Wissen und Können entsteht, das menschlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten mitunter nahekommt oder sie übertrifft, vom Menschen selbst indes nicht oder nicht gänzlich nachvollzogen werden kann?

Von Sokrates bis zu BERT

Es folgte ein Austausch insbesondere mit zwei fachlich wie unternehmerisch versierten Informatikern, dem früheren langjährigen Google-Vorstandsvorsitzenden Eric Schmidt und dem MIT-Professor Daniel Huttenlocher, der zuvor unter anderem im kalifornischen Tüftler-Labor Xerox Palo Alto Research Center (PARC) geforscht hatte. Die drei fragten sich beispielsweise, wie sich KI auf Gesundheit und Medizin, die Exploration des Weltraums, die Quantenphysik, Kinderspielzeug oder die Kriegführung auswirken könnte. Und auch mit möglichen abstrakteren Folgen setzten sie sich auseinander. Ein Fazit lautet: „Bis zu einem gewissen Grad unterscheiden wir drei uns darin, wie optimistisch wir in Sachen KI sein sollten. Aber wir stimmen darin überein, dass diese Technologie das menschliche Denken, das Wissen, die Wahrnehmung und die Realität verändern wird – und damit auch den Lauf der Menschheitsgeschichte.“

Henry A. Kissinger, Eric Schmidt und Daniel Huttenlocher: „The Age of AI“. And Our Human Future.


Henry A. Kissinger, Eric Schmidt und Daniel Huttenlocher: „The Age of AI“. And Our Human Future.
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Bild: Little, Brown and Company

Ihre Diskussionen und Einschätzungen haben sie nun in einem kurzweiligen und anregenden Buch untergebracht. Sein Titel, „The Age of AI“, ist für sich genommen schon ein Urteil: Die KI wird damit in den Rang anderer Schlüsseltechnologien, die menschliche Gesellschaften grundlegend veränderten, gehoben. Was die KI schon kann, wird an Programmen wie AlphaZero und GPT-3 demonstriert, der historische Rückblick reicht bis zu den Vorstellungen Alan Turings. Die unterschiedlichen Herangehensweisen an KI werden erklärt: regelbasierte Ansätze und die auf gewaltigen Datenmengen und Rechnerkapazitäten beruhenden Lernalgorithmen, die viele KI-Erfolge der jüngeren Vergangenheit ermöglichten; und dies nicht nur im Spielerischen, sondern auch mit kommerziell relevanten Entwicklungen.

Das Kräfteverhältnis zwischen den Staaten

Zudem entwerfen die Beiträger einen philosophischen Parcours, der von Sokrates über Descartes und Kant bis zu BERT reicht, einem künstlichen neuronalen Netz, das die Google-Suchmaschine weiterentwickeln soll. Es geht nicht zuletzt darum, dass die kognitiven Kapazitäten des Menschen eine maßgebliche Referenz sind, ihr Rang aber nicht festgeschrieben ist. Das mag banal klingen und ist, wenn es um KI geht, aus Sicht vieler KI-Fachleute auch nicht unbedingt die dringlichste Denkaufgabe. Sie konfrontiert den Leser indes mit dem ursprünglichen Anspruch der KI-Vordenker nach dem Zweiten Weltkrieg, die nicht bloß ein von Menschen unschlagbares Schachprogramm oder eine Suchmaschine im Sinn hatten, sondern das Ziel ausgaben, das menschliche Gehirn funktional nachzubilden.

Kissinger, Schmidt und Huttenlocher spannen den Bogen in einem zweiten Abschnitt des Buches indes noch über das Technische, Philosophische und Wirtschaftliche hinaus ins knallhart Machtpolitische. Längst ist die KI tatsächlich genau dort angekommen, beschäftigen sich Außen- und Sicherheitspolitiker und Militärs mit ihr, ist die Frage, wer in der KI führt, für das Kräfteverhältnis zwischen Staaten relevant und bringen die Vereinigten Staaten, China, Russland und die Europäische Union eigene Initiativen auf den Weg, um hier nicht ins Hintertreffen zu geraten. Zu den Vorzügen dieses Buches gehört, dass die KI tatsächlich aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird, ohne – wie das gelegentlich geschieht – ins Hollywoodhafte abzuirren. Solche Darstellungen dürfte es gerne mehr geben.

Henry A. Kissinger, Eric Schmidt und Daniel Huttenlocher: „The Age of AI“. And Our Human Future. Little, Brown and Company, New York 2021. 272 S., geb., 27,99 €.

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