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#Eine Frage schwebt über allem im „NSU-2.0“-Prozess

„Eine Frage schwebt über allem im „NSU-2.0“-Prozess“

Die Linken-Parteivorsitzende Janine Wissler hat am Donnerstag vor dem Landgericht Frankfurt im Prozess um die „NSU 2.0“-Drohbriefserie als Zeugin ausgesagt und dabei angegeben, erst nach dem öffentlichen Bekanntwerden der an sie gerichteten Schreiben vom Landeskriminalamt (LKA) darüber informiert worden zu sein, dass es eine Abfrage ihrer privaten Daten von einem Polizeicomputer gegeben habe. Dass dies im 3. Polizeirevier in Wiesbaden geschah, habe sie erst aus der Presse erfahren. Auf eine Frage der Verteidigung konkretisierte sie, die Abfrage sei den Angaben zufolge wenige Tage, bevor sie im Februar 2020 den ersten Drohbrief bekam, gemacht worden.

Wissler sagte außerdem, sie sei nicht verantwortlich dafür, dass die Drohungen gegen sie öffentlich bekannt wurden. „Das war nicht ich, sondern der Landespolizeipräsident.“ Ein Journalist habe sie im Frühsommer 2020 darauf angesprochen. Er habe gesagt, der damalige Präsident Udo Münch – der im Juli 2020 im Zuge des Skandals um rechtsextreme Chatgruppen in der Polizei zurücktrat – habe die Vorgänge in einem Hintergrundgespräch benannt. „Ich gebe zu, dass ich fassungslos war“, sagte Wissler vor dem Landgericht. Sie habe sich an die Bitte des LKA gehalten, nichts öffentlich zu machen. Einerseits, um die Ermittlungen nicht zu gefährden, andererseits aus Sorge um ihre Angehörigen und um dem Verfasser keine Bühne zu geben. Vom Zeitpunkt des Bekanntwerdens an sei bei ihr sukzessive eine hohe Zahl weiterer Drohschreiben eingegangen, „es müssen Dutzende gewesen sein“.

„Ausgerechnet die, die uns schützen sollen“

Wie es schon ihre Parteikollegin Martina Renner und die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz im Prozess als Zeuginnen getan hatten, formulierte Wissler am Donnerstag die Frage, die wie keine andere über dem Verfahren schwebt: Woher hatte der Verfasser private Daten wie Namen und Geburtsdaten von Verwandten, Handynummern und Adressen? „Das ist die Frage, die uns alle umtreibt.“ Dass, wie sie sagte, Polizisten damit zu tun haben könnten, „ausgerechnet die, die uns schützen sollten“, beschrieb die Politikerin als enorm verunsichernd. Als ihr die Frankfurter Polizei später bei einem anderen Schreiben mit beleidigendem und bedrohendem Inhalt empfahl, für die Anzeige das Online-Formular auszufüllen, habe sie das nicht gewollt: aus Sorge, jenen ihre inzwischen gesperrte Privatadresse zugänglich zu machen, die möglicherweise selbst an den Drohschreiben beteiligt waren.

Wissler, die genau wie die anderen bisher gehörten Zeugen von den Behörden als nicht akut gefährdet eingeordnet wurde, ergriff ebenfalls nach entsprechender Beratung seitens des LKA eigene Sicherheitsmaßnahmen. Auch sie gab an, dass sie es zwar gewohnt sei, Drohschreiben auf jedem erdenklichen Weg zu bekommen. Allerdings sei die Nennung ihrer privaten Handynummer und Adresse sowie die Unterzeichnung mit „NSU 2.0“ neu gewesen. Auch die Erwähnung des Mordes an Walter Lübcke habe sie als eindeutigen Hinweis des Verfassers verstanden. Dies hatten auch andere Zeugen gesagt.

Der Angeklagte streitet mit der Richterin

Im Anschluss an Wissler befragte das Gericht am Donnerstag die Vizepräsidentin des Landgerichts Itzehoe, das im Februar 2021 eine Bombendrohung des „NSU 2.0“ bekommen hatte. Darin hieß es, am Gebäude seien Sprengsätze deponiert und es werde Beschuss mit großkalibrigen Waffen geben, „um die Hauptverhandlung zu verhindern“. Die Vizepräsidentin geht davon aus, dass damit das Verfahren gegen die ehemalige Sekretärin des Lagerleiters des KZ Stutthof, Irmgard F., gemeint war, zu dem damals aber lediglich die Anklage eingegangen war. 2018 hatte das Landgericht schon einmal eine Bombendrohung bekommen. Die Ermittlungsbehörden ordneten es André M. zu, der unter dem Namen „Nationalsozialistische Offensive“ Drohbriefe verschickte, wofür ihn das Landgericht Berlin 2020 verurteilte. Die Drohbriefe des „NSU 2.0“ beziehen sich immer wieder auf André M.

Der in Frankfurt angeklagte Alexander M. wiederum lieferte sich am Donnerstag abermals Wortgefechte mit der Vorsitzenden Richterin. Er unterbrach sie wiederholt, ignorierte ihre Verfahrensführung und echauffierte sich, man wolle ihn entmündigen. Auch von seinen Verteidigern ließ er sich kaum stoppen. Die Richterin suchte in einer Pause das persönliche Gespräch mit ihm, um ihn zu beruhigen. Seinen Antrag, eine Journalistin als Zeugin zu laden, wies die Strafkammer ab: Das Beweismittel sei „völlig ungeeignet“. Zum Schluss stellte der Angeklagte weitere Anträge, die er per Hand geschrieben hatte und die im Anschluss auch für seine Verteidiger erst kopiert werden mussten. Darin beantragte er, die Nebenkläger vom Verfahren auszuschließen, weil es sich bei den angeklagten Straftaten nur um „Kleinkriminalität“, um „anonymes Rumpöbeln im Internet“ mit dem Ziel von Presseberichterstattung handle, das „von albernen Witzen geradezu“ durchsetzt sei. Eine echte Gefährdung habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Außerdem beantrage M., einen Justizlaptop mit den Ermittlungsakten darauf zu bekommen. In dem Antrag ätzte er abermals gegen die Staatsanwaltschaft. Er schreibt, er habe zwar „zwei exzellente Rechtsanwälte“, die sein „vollstes Vertrauen“ hätten. Trotzdem müsse er „nicht nur kleinlaut dasitzen“ und im Fall einer Verurteilung auch noch den Rechtsmittelverzicht erklären, „wie das hier einige gern hätten“. Dem angeblich von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Argument, M. würde durch einen Justizlaptop ungerechtfertigte Vorteile gegenüber anderen Untersuchungshäftlingen erlangen, begegnete der Angeklagte mit der Aussage, in der Haft säßen vor allem Ausländer mit wenigen Deutschkenntnissen. Ein Laptop würde ihnen, sagte er sinngemäß, sowieso nichts bringen. Dies zu sagen sei nicht ausländerfeindlich, „sondern eine Tatsache“. Der Presse warf M. in dem Antrag vor, ihn zu verleumden. Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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