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#Eines der ersten Film-Meisterwerke des Jahres kommt aus Deutschland: Sterben bietet 3 Stunden voller Schocks, derber Witze und Lars Eidinger

Selten war ein deutscher Film so eine radikale Gefühlsachterbahn wie das 3-Stunden-Epos Sterben. Matthias Glasners Beitrag läuft im Wettbewerb der Berlinale und ist das erste überwältigende Meisterwerk 2024.

Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass ich in einem drei Stunden langen Drama über das Sterben und den Tod mehr lachen würde als in vielen Komödien, hätte ich es nicht geglaubt. Genau so ein Erlebnis bot mir aber jetzt Sterben von Matthias Glasner, der im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale läuft.

Das sehr persönliche  Epos des Regisseurs ist ein berauschender Ritt, der profunde Themen des Lebens mit haarsträubenden Gags, unerträglichen Fremdscham-Momenten und brillanten Schauspiel-Höhepunkten verbindet. Besser dürfte es im deutschen Kinojahr 2024 schon jetzt nicht mehr werden.

Sterben-Handlung wirkt zu absurd, um wahr zu sein

Schon die Synopsis zu Glasners erstem Spielfilm seit Gnade von 2012 liest sich wie eine Parodie üblicher Drama-Beiträge im Filmfestival-Programm. Die Handlung ist in mehrere Kapitel unterteilt, wobei die ersten jeweils einem Mitglied der Lunies-Familie gewidmet sind. Da ist Oberhaupt Lissy (Corinna Harfouch), die sich um ihren schwer dementen Ehemann Gerd (Hans-Uwe Bauer) kümmert, obwohl sie selbst an Diabetes, Krebs, Nierenversagen und fortgeschrittener Blindheit (!) erkrankt ist.

Der erwachsene Sohn Tom (Lars Eidinger) ist Dirigent eines Jugendorchesters und probt eine Symphonie namens Sterben, die sein bester Freund und schwer depressiver Künstlerkopf Bernard (Robert Gwisdek) geschrieben hat. Daneben zieht Tom das Baby seiner langjährigen Ex-Freundin Liv (Anna Bederke) groß, die den leiblichen Vater wiederum nicht leiden kann.

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Das andere Sorgenkind der Familie ist Toms Schwester Ellen (Lilith Stangenberg), eine alkoholkranke Zahnarzthelferin, die sich in eine Affäre mit ihrem Kollegen Sebastian (Ronald Zehrfeld) stürzt, der (natürlich) verheiratet ist und zwei Kinder hat.

Berlinale-Highlight Sterben überrollt einen mit Mix aus tiefer Tragik und irrwitziger Komik

Sterben erschlägt einen mit der Fülle an zwischenmenschlichen Schicksalsschlägen und existenzieller Tragik, mit der Glasner sein Drehbuch aufgeladen hat. Das Faszinierendste an dem Film ist aber, dass er sich nie für eine Richtung entscheiden will.

Das riesige Porträt über eine dysfunktionale Familie ist genauso schrille Parodie wie aufrichtige Charakterstudie, genauso bizarre Gag-Parade wie nachdenklich stimmende Meditation über die großen Themen des Lebens, nach dem auf jeden Menschen der Tod wartet.

Corinna Harfouch und Lars Eidinger in Sterben

Schon im ersten Kapitel kommt es zu einer Sequenz, in der Lissy ihren Ehemann Gerd nach dem Einkaufen auf den Beifahrersitz schickt, da er in seinem Zustand nicht mehr Autofahren kann. Gleichzeitig weist sie ihn an, ihr den Weg zu erklären, da sie nicht mehr gut sieht.

Was folgt, ist eine absurd lustige Szene wie aus einer Til Schweiger-Komödie, in der Harfouchs Figur auf parkende Autos oder Schulkinder zubrettert und den Hindernissen knapp ausweicht oder davor abbremst.

Sterben ist aber die Art von unberechenbarem Film, in dem sich solche Szenen mit kaum zu ertragenden Momenten abwechseln können, in denen Glasner zum Beispiel das titelgebende Dahinscheiden einer Figur minutenlang in Echtzeit verfolgt. Das Begleiten mit der Kamera ohne Schnitt und ohne Musik erzeugt eine Intensität, die sich wenige (vor allem deutsche) Regisseure mit so einer Radikalität trauen.

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Sterben packt Peinlichkeit & Klischees zwischen große Schauspielkunst & aufrichtige Dramatik und wird so zum Meisterwerk

Glasners Berlinale-Beitrag kommt so selbst wie eine abenteuerliche Symphonie daher, die einem fast alles entgegenschleudert, was ein Film namens Sterben auffahren kann. Das 183-minütige Mammutwerk hat so viele denkwürdige Einzelszenen, dass sich mehrere Artikel damit füllen ließen.

Unvergesslich ist beispielsweise eine längere Szene zwischen Lissy und Tom am Küchentisch. Hier erklärt die Mutter, dass sie den Sohn als Kind fallen gelassen oder vielmehr auf den Boden geworfen hat. Wenig später gibt Tom zu, dass es für ihn schon kaum zu ertragen ist, seine Mutter auch nur anrufen zu müssen.

Wie Corinna Harfouch und Lars Eidinger erschütternde Offenbarungen unter peinlich berührender Dialogkomik hervorschälen, muss man wegen des brillant getimten schauspielerischen Könnens einfach selbst gesehen haben. Genauso wie Lilith Stangenberg, die Ronald Zehrfelds Figur am Telefon sagt, sie liebe große Penisse. Woraufhin er ihr zärtlich erklärt, er habe das große Buch über große Penisse, das er ihr schenken könne.

Ein kurzer Moment zum Durchatmen und Lachen, wenn Stangenberg dann wieder rastlos durch Glasners Film säuft, tanzt, singt, hustet und schreit, als ginge es um alles.

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Sterben ist ein Film, der die erzählerische Ambition eines Magnolia von Paul Thomas Anderson mit der nüchternen Unerträglichkeit von Michael Hanekes Liebe verbindet. Und dann Honig im Kopf und Voll Normaaal! darunter mischt. Der klug fragt, wie sehr sich Kunst verbiegen muss, um noch bei einem Publikum anzukommen, ohne den eigenen Wert zu verlieren. Und dann die Berliner Philharmonie vollkotzt.

Sterben läuft im Wettbewerb der 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Am 25. April 2024 startet er in den deutschen Kinos.

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