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#Entspannen mit Hindernissen

„Entspannen mit Hindernissen“

Der ideale Ort für Yoga sollte sauber, ordentlich und frei von Tieren und Insekten sein, heißt es in der wichtigsten Schrift des Hatha Yoga, der Hatha Yoga Pradipika. Das Letztere bekommt Frau L. gerade noch hin, bei den ersten beiden Punkten hakt es. Dennoch: Der Weg zum Lieblingsyogastudio ist ihr zu weit geworden, Viren möchte man sich dort auch ungern einfangen – bleibt das Üben zu Hause. Zum Glück gibt es gute Onlinekurse, an die sie sich in Pandemiezeiten gewöhnt hat.

Also läuft Frau L. am späten Abend mit ihrem Laptop durch die Wohnung auf der Suche nach dem besten Platz, um die Matte auszurollen. Das Schlafzimmer: mit Bett und Schrank schon vollgestellt – dort schläft ohnehin gerade das Kind. Der Flur: zu ungemütlich. Das Wohnzimmer: In den schmalen Streifen zwischen Sofa und Esstisch könnte sie sich quetschen, aber die zwei vollen Ständer mit getrockneter Wäsche rufen: „Häng uns ab, leg uns zusammen, sofort, morgen ist wieder keine Zeit wegen x, y und z!“

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Bleibt das Kinderzimmer. Bevor der Nachwuchs da war, hat Frau L. hier regelmäßig ihre Asanas geübt. Wo einst Ordnung herrschte, ist der Boden nun so von Playmobil, Lego und diversen Kuscheltieren übersäht, dass man das Parkett darunter kaum erkennt. Frau L. bahnt sich ihren Weg in die Mitte des Zimmers, rammt sich dabei ein Schleichpferd in die Fußsohle, stolpert übers Bobbycar und rutscht am Ende auf einem Puzzle aus. Fluchend wischt sie mit dem Unterarm eine Fläche frei, auf der die Matte gerade so Platz findet. Sie sieht sich um, und ihr wird klar: In diesem Chaos kommt keine Stimmung auf, selbst wenn sie jetzt noch eine Kerze anzündet, ihre Murtis aufstellt oder mit Räucherstäbchen herumwedelt.

Erstmal aufräumen

Leider hat Frau L. in den vergangenen Jahren eine lästige Angewohnheit entwickelt, die das Entspannen nicht leichter macht. Früher war es ihr egal, wie es um sie herum aussah, wie hoch sich die Geschirrberge in der Küche türmten, wie viele Klamotten auf dem Boden lagen oder Papiere sich stapelten. Mittlerweile hat sie einen Ordnungsfimmel entwickelt, der sie erst zur Ruhe kommen lässt, wenn die Umgebung zu ihrer Zufriedenheit aufgeräumt ist – was selten der Fall ist. Also macht sie sich ans Werk: Bücher ins Regal, Schleichtiere in die Kiste, Hosen in den Schrank.

„Fertig, jetzt kann’s losgehen!“, denkt Frau L. gerade, als sie ein Weinen aus dem Schlafzimmer hört. Das Kind ist aufgewacht, will beruhigt und in den Schlaf gestreichelt werden. Frau L. legt sich nur ganz kurz dazu. Bevor sie wegdämmert, kommt ihr ein Geistesblitz: Das hier ist die Königsdisziplin! Wer es schafft, so wenig am Äußeren anzuhaften und den Geist so zur Ruhe zu bringen, dass er selbst in einem unaufgeräumten Kinderzimmer Yoga machen kann, der ist der Erleuchtung verdammt nahe. Nur, so weit ist Frau L. leider noch nicht. Vielleicht muss man dafür einfach die Augen zumachen, denkt sie. Und macht dann einfach die Augen zu.

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