#Entzug ohne Kekse
Inhaltsverzeichnis
Shiv Sheridan (Roisin Gallagher) ist gerade einmal seit sechs Monaten trocken, als sie zur Beerdigung der Großmutter nach Dublin reist. Ihre Karriere als Künstlerin in London stagniert, den Job in einer Galerie hat sie verloren, und ihre WG kann auch auf sie verzichten. 35 Jahre alt, pleite, keine Perspektive – aber immerhin trocken, so lautet die, nun ja, ernüchternde Bilanz. Und in diesem wenig triumphalen Zustand trifft sie auf ihre Familie. So beginnt die Serie „The Dry – Sekt oder Selters“, eine Koproduktion des irischen öffentlich-rechtlichen Senders RTÉ One mit den britischen ITV Studios.
Die liebe Verwandtschaft
Und diese Familie Sheridan in ihrem wenig ansprechenden Fertighaus am Stadtrand von Dublin ist nicht ohne. Die Schwester Caroline (Siobhán Cullen) ist zwar erfolgreiche Ärztin mit vermeintlichem Bilderbuchfreund, der für einen Triathlon trainiert, aber unter der Fassade bröckelt es. Bruder Ant (Adam John Richardson) wohnt im Gartenhaus und frönt seinem Partyleben mit einem niemals versiegenden Nachschub an Drogen und Lovern. Vater Tom (Ciarán Hinds) hat eine Affäre, und Mutter Bernie (Pom Boyd) ist immer die Erste, wenn es darum geht, andere zu beurteilen. Wobei, das stimmt nicht ganz: Die frömmelnde Tante Ag ist tatsächlich noch unerträglicher. Der Einzige, der immer alles richtig gemacht hat, ist Bruder Carl, und der ist tot.
Trailer
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The Dry – Sekt oder Selters
Video: ARD-Mediathek, Bild: ARD Degeto/Element Pictures (The
Diese Konstellation ist vor allem für eines gut: sich gegenseitig zielgerichtet in den Wahnsinn zu treiben und dabei ungesunde Kompensationsmechanismen zu entwickeln. Und nichts, wirklich gar nichts wird besser, als bei der Totenwache Jack auftaucht, Shivs Ex, mit dem sie eine langjährige, hübsch toxische On-off-Beziehung führte. Früher war Shiv lustiger, befindet er, der mit mittelmäßiger, dekorativer Kunst einigermaßen erfolgreich ist. Immerhin darf Shiv fortan in der Galerie seiner schwangeren Freundin arbeiten. Das bringt etwas Geld, aber den Selbsterkenntnisprozess zwecks Suchtbewältigung auch nicht voran. Das muss die handfeste Karen (Janet Moran) übernehmen, ihres Zeichens Brautmodenverkäuferin und Shivs Sponsorin in der elendesten AA-Gruppe Norddublins. Es gibt dort nicht einmal Kekse.
Einfühlsam und grotesk
Tatsächlich folgt man Shiv und den Sheridans gerne durch die bisher acht Folgen. Das liegt zuerst an Roisin Gallagher, von der man sich fragt, wo um Himmels willen sie sich bisher versteckt hat, denn es ist ihre erste Hauptrolle. Diese Shiv strauchelt glaubwürdig, unternimmt rührend aussichtslose Versuche, ihre Familie zu ehrlichen Gruppengesprächen zu versammeln, die spektakulär scheitern, und will immer noch viel zu sehr den viel zu falschen Leuten gefallen. Dass das Einzige, was sie vorzuweisen hat, nämlich ihre Nüchternheit, bei der Familie nicht eben auf Anerkennung stößt, hilft auch nicht. Dabei balanciert das Drehbuch von Nancy Harris, einer preisgekrönten irischen Dramatikerin, die wie ihre Hauptfigur als junge Erwachsene nach London zog, sehr gekonnt zwischen Einfühlung und Groteske.
Wer die Serie im Original anschaut, bekommt ein schönes Arsenal irischer Kraftausdrücke mit auf den Weg, die im Deutschen dann halt als „verdammt“ übersetzt werden, aber das ist ja kein neues Phänomen. Die nächste Staffel haben ITV und RTÉ One bei der Produktionsfirma schon in Auftrag gegeben, wir dürfen Shiv und die Sheridans also weiterhin bei ihrer tragikomischen Lebensbewältigung zuschauen.
The Dry – Sekt oder Selters startet heute auf ONE, ab 24. Juni in der ARD-Mediathek.
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