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#Er gab New York Turm und Bahnhof zurück

Er gab New York Turm und Bahnhof zurück

Wenn man mit zweitem Namen „Magie“ heißt, dann verringert das den Erwartungsdruck nicht unbedingt, besonders, wenn man Architekt ist. David Magie Childs, geboren 1941 in Princeton, New Jersey, kann immerhin von sich sagen, dass er eines der sichtbarsten, spektakulärsten und meistdiskutierten Gebäude von Manhattan errichtet hat – und dazu noch eins, bei dem man von einer fast magischen Rückverzauberung eines historischen Orts sprechen kann.

Childs Name verband sich lange mit einer der größten Architekturdebatten der neueren Zeit: Nachdem der Architekt Daniel Libeskind den Wettbewerb für den Wiederaufbau des 2001 beim Terroranschlag des 11. Septembers zerstörten World Trade Centers gewonnen hatte, wurde schnell klar, dass das eher künstlerisch veranlagte Büro Libeskind eine solche Bauaufgabe allein nicht würde stemmen können. So wurde ihm eine professionelle Architekturfirma zur Seite gestellt, eine der ältesten und größten Amerikas, das 1936 gegründete Büro Skidmore, Owings & Merrill, dem New York eines seiner schönsten Hochhäuser, das 1952 errichtete Lever House, verdankt.

Pyrrhussieg am Ground Zero

Nicht alle Bauten des stetig wachsenden Büros hatten später diese Qualität. SOM, so das Kürzel des Hauses, dem Childs 1971 nach einem Studium in Yale beitrat und dessen Chef er lange war, produzierte oft Investorenarchitektur von der Stange, bläulich verspiegelte Wohn- und Geschäftshäuser, die überall auf der Welt stehen könnten und stehen. Hier der Baukünstler, dort die Architekturfabrik – der Konflikt war programmiert.

Die Skyline von Manhattan wird durch das One World Trade Center geprägt. Im Vordergrund entstehen neue Wolkenkratzer.


Die Skyline von Manhattan wird durch das One World Trade Center geprägt. Im Vordergrund entstehen neue Wolkenkratzer.
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Bild: Reuters

Childs setzte sich in einem vielbeachteten Konflikt gegen Libeskind durch. Das One World Trade Center ist so, wie es jetzt am Ground Zero steht, größtenteils sein Entwurf. Von Libeskind blieb die Idee einer von mehreren Hochhäusern umstellten Leerstelle, die als Gedenkstätte für den Anschlag und seine Opfer dient. Für Childs war dieses Projekt ein Pyrrhussieg; zumindest ein Teil der Architekturwelt nahm ihn seither als Architekten wahr, der den Kommerz und seine ihm eigene Ästhetik über Libeskinds hochsymbolische Baukunst triumphieren ließ.

Wie die Ratten im Untergrund

Dass Childs mittlerweile als Held der New Yorker Architektur wahrgenommen wird, hat er einem anderen Projekt zu verdanken, das sich mit seinem Namen verknüpft – mit der neuen Penn Station. Bis 1963 kamen Reisende in New York in einem der schönsten Bahnhöfe des Landes an, doch dieser Bau wurde damals zerstört, um Platz für den Madison Square Garden zu schaffen. Der Bahnhof wurde damals kurzerhand unter die Erde verlegt, was der Wertschätzung der Eisenbahn auf dem Höhepunkt der amerikanischen Automobilmoderne entsprach. Reisende, die mit den Zügen von Amtrak, NJ Transit und Long Island Rail Road in die Stadt kamen, landeten in einem kafkaesken unterirdischen Labyrinth und betraten, wie es ein Kritiker der „New York Times“ drastisch formulierte, Manhattan „wie die Ratten“ aus dem Untergrund. Wer es aus dem endlosen Tunnelsystem herausschaffte, war schweißgebadet und eigentlich für den Tag nicht mehr zu gebrauchen. Schon in den neunziger Jahren kamen Forderungen auf, dem verkehrsreichsten Bahnhof Nordamerikas wieder ein würdevolles Gesicht zu geben und das Bahnfahren attraktiver zu machen.

Penn Station in New York zählt ebenfalls zu den architektonischen Werken des David Childs.


Penn Station in New York zählt ebenfalls zu den architektonischen Werken des David Childs.
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Bild: AFP

Damals setzte sich Senator Daniel Patrick Moynihan dafür ein, ein altes, hochherrschaftliches Postgebäude westlich des Madison Square Garden als Eingangsbau für eine neue Pennsylvania Station umzuwandeln. Es dauerte dann noch einmal ein Vierteljahrhundert, bis der Plan von Childs umgesetzt wurde; jetzt, mitten in der Pandemie, wurde die neue, 1,6 Milliarden Dollar teure „Moynihan Train Hall“ eröffnet. Childs hat einen Teil des Postamts in eine 25.000 Quadratmeter große Bahnhofshalle im Stil der alten Verkehrskathedralen des neunzehnten Jahrhunderts verwandelt.

Symbol für einen Neuanfang

Die New Yorker wandeln jetzt unter einem Hektar Glas zu den Zügen. In der Pennsylvania Station kommen täglich rund 650.000 Passagiere an – und sollen dort auch gleich einkaufen und essen gehen, wobei dank des Glasdachs auch im Winter oder bei Regen das Gefühl aufkommen soll, im Freien zu sitzen. In der neuen Haupthalle gibt es viel Platz für Restaurants und Einzelhandel. Die größten kommerziellen Immobilienfirmen der Stadt, Vornado Realty Trust und Related Companies, investieren 630 Millionen Dollar, der Staat zahlt die restlichen 970 Millionen Dollar.

David Childs stellt der Presse seinen „Freedom Tower“ vor, der das World Trade Center ersetzte.


David Childs stellt der Presse seinen „Freedom Tower“ vor, der das World Trade Center ersetzte.
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Bild: Picture-Alliance

Der Bau ist auch ein Symbol für einen Neuanfang der Stadt: für die ökologische Wende hin zum Public Transport, aber auch eines für die anstehende Umwandlung all der Bauten, die durch die Digitalisierung funktionslos werden. Childs war am Bau des Ben Gurion International Airport in Tel Aviv beteiligt und am Londoner West Ferry Circus, er hat in seinem Leben viele Häuser, Flughäfen und Türme entworfen, postmoderne wie das One Worldwide Plaza in New York mit seinem Pyramidendach, funktionale wie das Time Warner Center, zahllose anonyme Türme, die der Stadt die glatten Spiegel ihrer Fassaden entgegenstellen. Für den neuen Bahnhof, den er mit SOM aus einer alten Postsortierhalle in die Stadt hineinzauberte, lieben ihn die New Yorker. Am heutigen 1. April wird David Magie Childs achtzig Jahre alt.

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