Nachrichten

#Erst verhöhnt, dann lange Kanzlerschaft

Erst verhöhnt, dann lange Kanzlerschaft

Da Markus Söder und Armin Laschet politisch nicht fundamental andere Richtungen einschlagen, hat der CSU-Chef seine bessere Eignung als Kanzlerkandidat vor allem mit seinem Vorsprung in den Umfragen begründet. Doch der Unterton, der bei Söders Einlassungen zu Laschet bisweilen mitschwingt, ist ein anderer. „Ich glaube nicht, dass es klug ist, nach den progressiven Merkel-Jahren eine Politik ,Helmut Kohl 2.0‘ aus der Vergangenheit zu machen“, sagte er unmittelbar nach der Entscheidung für Laschet der „Süddeutschen Zeitung“.

Das wäre „viel zu altmodisch“, fügte Söder hinzu, niemand wolle die alte Union aus den neunziger Jahren zurück. „Wir brauchen einen politischen New Deal statt Old School.“ Das war keine Kritik an Laschets Klimapolitik oder seinem Umgang mit der Corona-Pandemie. Das war Kritik am Menschen Laschet, den Söder als aus der Zeit gefallen darstellte.

Es wäre übertrieben, von einer Gesetzmäßigkeit zu sprechen, dass nur diejenigen das Zeug zu einer langen Kanzlerschaft hätten, die zuvor von der politischen Konkurrenz verhöhnt wurden. Aber es gibt gewisse Auffälligkeiten. Konrad Adenauer, der 14 Jahre regierte, sah sich vor allem durch den SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher arroganten Vorwürfen ausgesetzt. Goethes Wortschatz habe 29 000 Worte umfasst, bei Adenauer seien es gerade einmal 500.

Helmut Kohl, der in 16 Jahren Kanzlerschaft zum Motor der Wiedervereinigung und der Vertiefung der europäischen Integration wurde, trafen Hohn und Spott besonders oft. „Stromausfall im Kanzleramt, Kohl steht zwei Stunden auf der Rolltreppe.“ Das war nur einer von ungezählten Witzen, die den Menschen Kohl als tumb und intellektuell nicht satisfaktionsfähig darstellten. Der Volksmund und die Medien machten mit, andere Parteien natürlich auch. Doch Antreiber war oft die CSU. Kohls bayerischer Widersacher Franz Josef Strauß sagte noch 1982, in dem Jahr, in dem Kohl Kanzler werden sollte, der CDU-Vorsitzende werde dieses Amt nie bekommen. Ihm fehlten die „charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen, ihm fehlt alles dafür“. So dokumentiert es ein Reclam-Band mit dem Titel „Politiker beschimpfen Politiker“.

„Kanzler, behandel bloß das Mädchen gut“

Angela Merkel, die bald ihr sechzehntes Jahr als Kanzlerin vollendet, wurde in der Union des ausgehenden vorigen Jahrhunderts, in der es nicht gerade von starken Frauen wimmelte, als „Mädchen“ bezeichnet, als sie schon Bundesministerin war. Lange nach dem Ende seiner Kanzlerschaft, im Jahr 2005, behauptete Kohl in einem Interview mit „Bunte“ und „Super Illu“, dass der zur CSU gehörende Postminister Wolfgang Bötsch zuerst den Begriff auf Merkel angewandt habe. Als er, Kohl, sich einmal über sie geärgert habe, habe Bötsch gesagt: „Kanzler, behandel bloß das Mädchen gut.“ Merkel hat kurz vor ihrer ersten Wahl zur Kanzlerin im Jahr 2005 im „Focus“ erzählt, sie habe einen ganzen Sonntag lang nicht arbeiten gekonnt, nachdem sie gelesen habe, dass CSU-Politiker sie als „Zonenwachtel“ bezeichnet hätten. Schmähungen wegen ihrer ostdeutschen Herkunft schmerzen sie besonders.

F.A.Z. Machtfrage – Der Newsletter zur Bundestagswahl

jeden Dienstag

ANMELDEN

Spitzenpolitiker gleich welcher Partei teilen in ihren rhetorischen Schlachten mit der Konkurrenz aus anderen oder auch der eigenen Partei gerne aus. Da gibt es keine grundsätzlichen Ausnahmen. Aber im Verhältnis von CSU und CDU gibt es eine Besonderheit. Wenn die in aller Regel mit Selbstbewusstsein nicht unterversorgten Bayern wittern, dass sich bei der großen Schwesterpartei wieder mal jemand nach oben kämpft, die oder der die nächste Ära mit einem CDU-Kanzler einläutet, ziehen sie in München die Handschuhe aus. Söders Satz, dass der Wahlsieg der CDU in Sachsen-Anhalt unter Reiner Haseloff, den er als seinen Freund bezeichnete, auch der Bundespolitik Rückenwind gebe und natürlich auch dem „Armin“, kam sehr von oben herab nach Berlin geschwebt.

Söder ahnt offenbar, dass es auch im achten Jahrzehnt der bundesdeutschen Geschichte wieder nichts werden könnte mit einem CSU-Kanzler. Dass stattdessen ein Regierungschef von der CDU kommen könnte, an den die Menschen sich gewöhnen. Dem sie im Laufe der Jahre einen Spitznamen geben, der zwar nicht nach Heldenverehrung klingt, aber nach dem Gefühl, sich leidlich aufgehoben zu fühlen. So wie „der Alte“ für Adenauer oder „Mutti“ für Merkel.

Guttenberg wurde im Eiltempo Umfrageliebling

Allerdings wird Armin Laschet sich nicht in der Sicherheit wiegen, mit seiner Kanzlerschaft werde es schon klappen, nur weil aus dem Süden scharf geschossen wird. Denn ob die Mechanismen der Vergangenheit noch gelten, ist offen. Zwar war es auch in der weitgehend unaufgeregt funktionierenden bundesdeutschen Demokratie, die an lange Kanzlerschaften gewöhnt ist, wichtig, dass Regierungschef oder -chefin in den Beliebtheitsumfragen gut dastanden. Aber sie hatten Zeit, sich eine Aura zu erarbeiten, das Publikum brachte Geduld mit.

Spätestens zum Ende des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts, als Smartphone und Social Media zum täglichen Begleiter vieler Menschen wurden, ist es mit dieser Geduld vorbei. Als der CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg in kürzester Zeit vom unbekannten Abgeordneten des Bundestags zum Umfragenliebling wurde, dem sogar das Kanzleramt zugetraut wurde, war das Hochgeschwindigkeitszeitalter der Politik angebrochen. Der Grünen-Politiker Joseph Fischer, der sich mit Machtmechanismen auskennt, kam zu dem Schluss, Guttenberg sei „der erste deutsche Spitzenpolitiker der Twitter- und Facebook-Generation“.

Nur weil Guttenberg gescheitert ist, muss das nicht heißen, dass die Mechanismen seines Aufstiegs ihre Geltung verloren haben. Laschet, der schon durch sein Alter von sechzig Jahren nicht zur Twitter- und Facebook-Generation, schon gar nicht der von Instagram oder Snapchat gehört, hat sich gerade eine Beraterin gesucht, die ihn trittsicherer machen soll in den Sozialen Netzwerken. Ob das hilft?

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!