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#Care statt Karriere: Warum die Pflege der Eltern an den Frauen hängen bleibt

Zwei Managerinnen verzichten auf ihre Jobs, um Zeit für die betagten Eltern zu haben. Ein schlechtes Signal für die Gleichberechtigung? Es zeigt vor allem: Auf die alternden Boomer ist die Gesellschaft nicht vorbereitet.

Wieder eine Frau, die ihren Beruf für die Familie opfert: Claudia Große-Leege wollte alles andere sein als das. Dafür war sie gleichstellungspolitisch zu aktiv, und mit Mitte 50 lenkte sie immerhin als erste Frau in 141 Jahren Verbandsgeschichte die Geschäfte beim Verein Berliner Kaufleute und Industrieller. „Was tue ich hier gerade?“, fragte sich die Managerin deshalb, als sie im Sommer 2022 ihre Kündigung schrieb. Aber so ging es nicht weiter.

Ihre hochbetagten Eltern hatten sich gerade entschlossen, ihre Heimat zu verlassen und von Bremen nach Berlin zu ziehen. Diesen Neuanfang wollte Große-Leege begleiten, und dafür brauchte es Zeit – mehr Zeit, als eine Führungsposition mit ständigen Abendverpflichtungen erlaubt. „Ich hatte den Eindruck, ich lande in einer Stereotypenfalle, das war mir unangenehm“, sagt die Betriebswirtin rückblickend. Aber: „Für mich ist die Familie am Ende dann doch wichtiger als das Ansehen im Job oder mein Einkommen.“

Den Alltag eines Dementen kann man nicht zwischen zwei Meetings planen

Ihr ICE nach Hamburg war gerade erst aus Berlin raus, als Tatjana König einen Anruf von ihrer aufgelösten Mutter bekam: Der demente Vater liege wie gelähmt im Bett und könne nicht mehr sprechen. König verständigte den Rettungsdienst und den 19 Jahre alten Sohn als emotionalen Support für die Oma. Ihr Vater kam ins Krankenhaus, die Krise war gebannt. Die Juristin aber dachte: „Es ist nicht gut, so weit weg zu sein.“ Was, wenn sie vor Ort gewesen wäre? Wäre es eine Option gewesen, die Patientenverfügung hervorzuholen und in Absprache mit den Ärzten auf Notfallmedizin zu verzichten? Hatte ihre Abwesenheit ein natürliches Ende verhindert?

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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Als König, heute 57 Jahre alt, in den Vorstand der Körber-Stiftung berufen wurde, schienen weder die Pendelei zwischen Berlin und Hamburg noch die durchgetakteten Tage ein Problem: Die Kinder waren schließlich erwachsen. Bald darauf jedoch brauchte ihre Mutter zunehmend Unterstützung. Die Persönlichkeit des Mannes, mit dem sie ihr ganzes Leben verheiratet war, veränderte sich mit fortschreitender Krankheit stark. „Das kann man nicht zwischen zwei Meetings“, sagt König. Überhaupt könne man Entscheidungen rund um den Alltag eines Dementen nicht abarbeiten wie die Punkte einer Powerpoint-Präsentation. Das seien Prozesse. „Es ist ein Unterschied, ob du das so nebenher managst oder ob du sagst: Ich nehme mir jetzt mal die Zeit, die es braucht.“ Zum 31. Dezember 2022 gab auch König ihren Posten auf: Care statt Karriere.

In Deutschland gelten derzeit etwa fünf Millionen Menschen als pflegebedürftig. Etwa drei Viertel davon werden zu Hause versorgt, insgesamt mehr als die Hälfte kommt komplett ohne professionelle Unterstützung aus. Auch die Zahl pflegender Angehöriger liegt jüngsten Erhebungen zufolge bei etwa fünf Millionen. Gut 60 Prozent davon: Frauen. Geht es um die sogenannte Generationenpflege und nicht um den eigenen Partner – auf diesem Feld sind auch viele Männer engagiert –, liegt der Anteil deutlich höher. Studien zeigen zudem, dass Frauen mehr Zeit in die Pflege ihrer Angehörigen investieren als Männer und seltener erwerbstätig sind oder zumindest dabei nicht Vollzeit arbeiten. Warum ist das so?

Männer können ganz vorzügliche Pfleger sein

Adelheid Kuhlmey stellt zunächst die Gegenfrage: „Warum sind es bei der Kindererziehung vor allem die Frauen?“ Die Professorin ist Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft an der Berliner Charité sowie Vorsitzende des Unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Allen Vätermonaten zum Trotz, sagt sie, sei man bei Hausarbeit und Kinderbetreuung ja auch noch weit von einer gleichberechtigten Aufteilung entfernt. Das gleiche Muster wiederhole sich bei der Pflege.

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