Wissenschaft

#Erstes mehrkammriges Organoid des menschlichen Herzens entwickelt

Forschende versuchen schon seit längerem, Organe und ihre Vorform, Organoide, im Labor zu züchten. Jetzt ist es einem Team erstmals gelungen, ein solches Organoid des menschlichen Herzens mit mehreren Herzkammern zu generieren. Das Mini-Organ spiegelt besser als frühere Modelle die komplizierten Strukturen unseres Herzens wider. Daher kann daran nun genauer als zuvor erforscht werden, wie sich unser Herz entwickelt und welche Defekte Herzerkrankungen zugrunde liegen, berichten die Wissenschaftler. Auch die Entwicklung neuer Medikamente gegen Herzleiden wird dadurch erleichtert.

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sind die weltweit häufigste Todesursache und etwa jedes 50. Neugeborene leidet unter einem angeborenen Herzfehler. Weil jedoch bislang nur wenig über die molekularen Ursachen der Defekte bekannt ist, gibt es auch nur wenige Therapiemöglichkeiten. Die Forschung tritt auf der Stelle, weil es kein Modell gibt, das das gesamte menschliche Herz abdeckt. Das ist jedoch wichtig, weil bei den Erkrankungen unterschiedliche Bereiche des Herzens betroffen sind. „Während die meisten Krankheiten bei Erwachsenen die linke Herzkammer betreffen, die sauerstoffreiches Blut durch den Körper pumpt, betreffen angeborene Defekte vor allem andere Herzregionen, die für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Durchblutung unerlässlich sind“, erklärt Sasha Mendjan vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA).

Neue Cardioide kombinieren verschiedene Herzbereiche

Ein Forschungsteam um seine IMBA-Kollegin Clara Schmidt hat nun mehrere dreidimensionale Zell-Modelle entwickelt, sogenannte Organoide, die die wichtigsten Strukturen des menschlichen Herzens umfassen: die Vorhof-Region, die beiden Herzkammern sowie die Strukturen für ihren Blutzu- und -abfluss. In Vorarbeiten hatte das Team bereits aus menschlichen Stammzellen ein Kammer-ähnliches Herzorganoid, ein sogenanntes Cardioid, hergestellt. Dieses ähnelte der linken Herzkammer in einem sehr frühen Embryonalstadium. In ihrer neuen Studie haben die Forschenden nun auch entsprechende Organoide von frühen Entwicklungsstufen der rechten Herzkammer, der Vorhöfe sowie der Ein- und Ausgangsbereiche der beiden Herzkammern entwickelt – zunächst getrennt voneinander.

Dann versuchten Schmidt und ihre Kollegen, aus den Einzelteilen ein vereinfachtes Herz-Organoid mit mehreren Kammern zu bilden, das wie das frühe menschliche Herz koordiniert schlägt. Dafür ließen sie die einzelnen Organoide für linke und rechte Herzkammer sowie einen Vorhof gemeinsam entwickeln und zusammenwachsen. Mit Erfolg: „Tatsächlich breitete sich ein elektrisches Signal vom Vorhof zur linken und dann zur rechten Ventrikelkammer aus – genau wie bei der frühen fetalen Herzentwicklung bei Tieren“, sagt Mendjan. „Wir haben diesen grundlegenden Prozess nun erstmals in einem menschlichen Herzmodell mit all seinen Kammern beobachtet“, ergänzt er.

Mit dem neuen Drei-Kammer-Cardioid-Modell können Forschende nun die Organisation des Herzgewebes innerhalb einzelner Bereiche genauer untersuchen, und auch genauer nachvollziehen, warum sich die Kammern in ihrem typischen Rhythmus abwechselnd zusammenziehen. So haben Schmidt und ihre Kollegen bereits neue Hinweise darauf gefunden, wie unser Herz seinen Rhythmus findet. Demnach gibt zunächst die linke Herzkammer den Rhythmus der entstehenden rechten Herz- und Vorhofkammer vor. Zwei Tage später folgten die beiden Kammern der Führung des Vorhofs. „Das spiegelt wider, was man bei Tieren sieht, bevor die späteren Anführer, die spezialisierten Schrittmacherzellen, den Herzrhythmus kontrollieren“, erklärt Koautorin Alison Deyett vom IMBA.

Suche nach Ursachen von Herzfehlern und nach neuen Medikamenten

Darüber hinaus hat das Modell auch therapeutischen Nutzen: Anhand der neuen Organoide kann künftig deutlich schneller untersucht werden, wodurch Fehlbildungen des Herzens beim Embryo hervorgerufen werden. Dafür entwickelte das Team um Schmidt bereits eine Screening-Plattform, mit der hunderte Organoide gleichzeitig analysiert werden können. Zunächst wendeten die Wissenschaftler Genmutationen und Chemikalien an, die bekanntermaßen Missbildungen bei Föten fördern, und wiesen nach, dass diese auch in ihren Organoiden auftreten. In Zukunft kann mit der Technik nun die Wirkung vieler weiterer Substanzen, Genveränderungen und Umwelteinflüsse getestet werden.

„Unsere Tests zeigen, dass Cardioide mit mehreren Kammern die embryonale Herzentwicklung nachempfinden und störende Auswirkungen auf das gesamte Herz mit hoher Spezifität aufdecken können“, berichtet Mendjan. So soll die individuelle Ursache von Herzfehlern gefunden werden. Zudem können die neuen Organoide genutzt werden, um diese Defekte im Herzen zu lokalisieren und dadurch neue Medikamente gegen häufige Herzerkrankungen zu entwickeln. Anders als frühere Präparate sollen sie spezifisch auf die betroffenen Herzbereiche wirken, zum Beispiel die Vorhöfe. „Denn Vorhofrhythmusstörungen sind weit verbreitet, aber wir haben derzeit keine guten Medikamente, um sie zu behandeln“, erklärt Mendjan. Dabei könnten in Zukunft auch personalisierte Herzorganoide zum Einsatz kommen, die aus Stammzellen von Patienten hergestellt wurden, berichten die Wissenschaftler.

Die Technologie der Herzorganoide mit mehreren Kammern haben sich die Forschenden patentieren lassen und mit ihrem Spin-off-Unternehmen HeartBeat.bio AG bereits eine vollautomatische Forschungsplattform generiert, um neue Arzneimittel zur Behandlung verschiedener Formen der Herzinsuffizienz bei uns Menschen zu finden. Insgesamt stellt das neu entwickelte Modell aber ein frühes und vereinfachtes Entwicklungsstadium unseres Herzens dar. Nicht berücksichtigt ist darin beispielsweise, wie sich Herzklappen und die Koronargefäße bilden, und allgemein, wie das Herz wächst und reift. Die Organoide können daher keine Herzdefekte aufdecken, die zu einem späteren Zeitpunkt auftreten, berichten die Forschenden.

Quelle: Clara Schmidt (IMBA) et al., Cell, doi: 10.1016/j.cell.2023.10.030

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