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#Es läuft alles andere als rund

„Es läuft alles andere als rund“

Was die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine angeht, herrscht in den Kommunen und Kreisen derzeit eine ungeheure Hilfsbereitschaft und Flexibilität, aber auch ein ziemliches Chaos. Vor allem die Registrierung und Verteilung der Menschen läuft bisher alles andere als rund. Niemand weiß, wann wo wie viele Menschen ankommen und auch nicht, wie viele überhaupt schon da sind. Trotzdem wird schon irgendwie verteilt. Es gibt also viel zu bereden, wenn sich an diesem Freitagnachmittag Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie Vertreter mehrerer Ministerien mit den kommunalen Spitzenverbänden treffen.

Julian Staib

Politischer Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland mit Sitz in Wiesbaden.

Das Durcheinander ist zunächst dem aufenthaltsrechtlichen Status der Ukraine-Flüchtlinge geschuldet. Denn die können reisen, wohin sie wollen. Ein Visum brauchen sie im Schengen-Raum nicht. Die Menschen kommen auf den unterschiedlichsten Wegen. Manche bleiben dann, andere fahren irgendwann weiter. Viele kommen privat unter und melden sich bei den Behörden, andere erst mal nicht. Vor allem in die Großstädte zieht es viele Ukrainer. Nach Berlin etwa, aber auch nach Frankfurt. Dort sind nach Schätzung des Sozialreferats der Stadt mittlerweile mindestens 5500 ukrainische Flüchtlinge untergekommen, wahrscheinlich mehr. Rund ein Drittel ist kommunalen Einrichtungen untergebracht, rund zwei Drittel privat. Ähnliche ist das Verhältnis auch andernorts.

Mehr Tempo für die Problemlösung

Zusätzlich kommen in den Kommunen jene an, die entsprechend des Königsteiner Schlüssels verteilt werden. Auf die Verteilung wird theoretisch die Zahl der schon vorhandenen Geflüchteten angerechnet, doch das funktioniert vielerorts nur schlecht, in Hessen offenbar gar nicht. Die zuständige Frankfurter Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) etwa sagt: „Wir bekommen Menschen zugewiesen, können aber nicht melden, wie viele schon da sind“. Es fehle bisher schlicht an einer Plattform dafür. Auch aus hessischen Kreisen heißt es, es erfolge eine Zuteilung durch das Land, doch „angerechnet wird noch nicht“.

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Das hessische Innenministerium teilt dazu mit, die Verteilung an die Landkreise und kreisfreien Städte sei mit den Kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Doch sei es für eine gerechte Verteilung „unabdingbar“, dass der Bund Sorge für die Etablierung eines ordnungsgemäßen Verteilungsverfahrens trage. Es sei zuletzt vermehrt festzustellen gewesen, dass die vorab avisierten Zugangszahlen vom tatsächlichen Zugang abwichen. „Nur der Bund kann die berechtigten Interessen der Städte und Gemeinden nach Planbarkeit für ihre Hilfsmaßnahmen auch mit einem gerechten Verteil- und Erfassungssystem erfüllen.“ Der Präsident des Städtetags, Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe, forderte nun vor dem Gipfel mit Scholz, Geflüchtete, die bereits in den Städten seien, müssten bei der Verteilung angerechnet werden. Die Problemlösung müsse „gewaltig an Fahrt gewinnen“. Nach wie vor kämen in Großstädten viele Menschen an, die besser verteilt werden müssten.

Ein weiteres Problem in dem Zusammenhang ist die Registrierung. Eigentlich müssen die Daten derjenigen, die sich bei Städten und Kommunen melden oder in einer Erstaufnahmeeinrichtung unterkommen, detailliert aufgenommen werden und zwar unter anderem an sogenannten PIK-Stationen (Personalisierungsinfrastrukturkomponente). Dabei werden Fingerabdrücke genommen, ein Passfoto gemacht und weitere Daten aufgenommen. Das dauert nach Angaben mehrerer Zuständiger rund 40 Minuten pro Person. Doch es fehlt an Geräten. Saarlands Innenminister Klaus Bouillon (CDU) sagte dazu kürzlich, bundesweit fehlten hunderte PIK-Geräte, manche Bundesländer hätten eine Registrierung deshalb schon aufgegeben und machten nur noch Passfotos – um die Menschen dann einfach in die Kommunen zu schicken. Das werde zu „erheblichen Problemen“ führen. Die Union fordert die Registrierung aller Ukrainer, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte vor einer Sicherheitslücke und rief die anderen Bundesländer dazu auf, dem bayerischen Beispiel zu folgen. Dort registriere die Polizei ankommende Kriegsflüchtlinge und führe erkennungsdienstliche Maßnahmen durch.

Was, wenn Polen keine Flüchtlinge mehr aufnehmen kann?

Doch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt eine Registrierung aller Einreisenden ab mit Verweis auf deren Recht, sich frei zu bewegen. Der Städtetag fordert nun, Bund und Länder sollten die Geflüchteten bereits während ihrer Anreise und in den Erstaufnahmeeinrichtungen registrieren. Weiterhin sollten sie die Kapazitäten für die Registrierung ausbauen und das Verfahren überprüfen. Viele Geflüchtete hätten bereits biometrische Pässe, so dass an ihrer Identität kein Zweifel bestehe.

Die Probleme bei Registrierung und Verteilung könnten rasch dringlicher werden. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) warnte kürzlich, dass die Aufnahmemöglichkeiten Polens inzwischen „erschöpft“ seien und mit deutlich mehr Geflüchteten in Deutschland zu rechnen sei. Er forderte von den Ländern Vorbereitungen auf einen möglicherweise sprunghaften Anstieg der Flüchtlingszahlen. Länder, Kreis und Kommunen bauen ihre Erstaufnahmekapazitäten derzeit massiv aus. Ob das ausreicht, vermag niemand zu sagen.

Bisher beträgt die Zahl der registrierten Ukraine-Flüchtlinge rund 280.000, die tatsächliche Zahl der Angekommenen aber dürfte höher sein. Städte und Kommunen suchen nun allerorten nach Wohnraum, mieten etwa Hotels zur Unterbringung an, widmen Jugendherbergen um. Doch vielerorts kommen Menschen schon in Notunterkünften wie Turnhallen unter. Zwar seien viele Einrichtungen schon voll, heißt es von Städten und Kreisen, aber es gäbe natürlich weitere Hallen, die man derzeit vorbereite. Man sei gewappnet auch für deutlich steigende Zahlen.

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