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#„Es wurde ganz konkret vor ‚Lebensgefahr‘ gewarnt“

„Es wurde ganz konkret vor ‚Lebensgefahr‘ gewarnt“

Herr Da Costa, Sie beschäftigen sich als Doktorand an der University of Reading in Großbritannien mit der Vorbereitung auf extreme Wetterereignisse. Jetzt waren Ihre Eltern in Luxemburg selbst von dem Hochwasser betroffen. Wie haben Sie das erlebt?

Ich wohne in Luxemburg in der Stadt und habe gegen Mitternacht einen Anruf von meiner Schwester bekommen: Im Haus meiner Eltern stehe Wasser, und es steige immer weiter. Ich bin sofort mit dem Auto los und habe eine Straße gefunden, die noch nicht überschwemmt war. Als ich in meinem Heimatort angekommen bin, war ich schockiert, wie viel Wasser schon im Haus war. Es war nicht ansatzweise so schlimm wie in Teilen von Deutschland, aber die Menschen dort mussten völlig alleine versuchen, ihre Sachen vor dem Wasser zu retten. Es waren nirgendwo Feuerwehrleute zu sehen, oder sonstige Helfer. Ich hatte meinen Eltern zum Glück schon vorher erklärt, wie man sich bei einem Hochwasser verhalten sollte: Dass man auf keinen Fall ins Wasser gehen darf und dass man den Strom abschalten muss. Viele Leute dort wussten nicht mal das, in den Nachbarhäusern brannte überall Licht, obwohl auch dort das Wasser knietief in den unteren Stockwerken stand. In Westeuropa machen wir ständig Brandschutzübungen, aber niemand weiß, wie er sich bei so einer Flut zu verhalten hat – weil die Menschen nicht darauf vorbereitet werden.

Wurden Ihre Eltern gewarnt?

Nein. Es gab Fragmente von Informationen, die sie erreicht haben, aber als Wissenschaftler, der auf diesem Gebiet forscht, kann ich das nicht als Warnungen bezeichnen. Es haben keine Sirenen geheult, es gab keine Textnachrichten an die Bevölkerung, nichts davon. Die Feuerwehr hat in der Nacht am Telefon gesagt, sie könne nur kommen, wenn Leben bedroht seien. Wenig später war sie nicht mehr erreichbar. In der Pandemie wurde Menschen immer wieder gesagt, sie sollen zu Hause bleiben, dort seien sie sicher. Meine Mutter hat mir gesagt, dieses Gefühl der Sicherheit sei ihr jetzt genommen worden, es fühle sich an, als habe ein Einbrecher ihr Haus verwüstet. Und in Deutschland hatte das Hochwasser ja noch viel schlimmere Folgen. Auch dort hat die Krisenkommunikation vielerorts nicht funktioniert – dabei war absehbar, was passiert.

Der Luxemburger Jeff Da Costa beschäftigt sich an der University of Reading mit der Voraussage von extremen Wetterereignissen.


Der Luxemburger Jeff Da Costa beschäftigt sich an der University of Reading mit der Voraussage von extremen Wetterereignissen.
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Bild: privat

Das europäische Hochwasser-Warnsystem Efas hatte vier Tage vor dem Unwetter eine Warnung an deutsche Behörden abgegeben. In den Tagen darauf wurden die Vorhersagen dauernd aktualisiert – und lasen sich am Ende Berichten zufolge „wie eine makabere Prophezeiung“: Das Rheinland drohe von „extremen“ Überschwemmungen getroffen zu werden, insbesondere an den Flüssen Erft und Ahr sowie in Städten wie Hagen und Altena. Hannah Cloke, Professorin an Ihrer Universität und Mit-Entwicklerin von Efas, hat es als „monumentales Systemversagen“ bezeichnet, dass diese Warnungen nicht bei den Menschen angekommen seien. Funktioniert Efas wirklich so gut?

Ja. Das ist ein System, das die Flussstände in Europa beobachtet und sehr genau vorhersagen kann, wie sich diese entwickeln. In der vergangenen Woche wurden die zuständigen Behörden in den betroffenen Regionen rechtzeitig informiert. An dieser Stelle endet aber die Macht von Efas. So ist es ja mit vielen europäischen Behörden: Sie geben Empfehlungen ab, und dann kann jedes Land oder jede Region entscheiden, wie damit umgegangen wird. Das Problem ist, dass die eigentlichen Entscheidungen dann oft von Menschen getroffen werden, die nicht gut genug ausgebildet sind, um diese Informationen überhaupt verstehen zu können. In Deutschland haben so viele Menschen ihr Leben verloren – und man kann jetzt nicht mal jemanden dafür verantwortlich machen, weil niemand zentral zuständig ist. Das muss sich ändern. Es ist sehr frustrierend für uns Wissenschaftler, wenn wir Warnungen aussprechen, und sie keine Konsequenzen haben.

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