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#Fotograf Alfred Stieglitz: Das ist Kunst

Ob ein Bild Kunst ist, oder nicht, darüber lässt sich streiten.

Ob Fotografie als Kunst gelten kann, darüber gab es vor allem in ihrer Anfangszeit vehemente Debatten. Und wenn Fotografie Kunst sein konnte – konnte sie das sogar in Amerika?

Der Fotograf, Galerist, Verleger und Mäzen Alfred Stieglitz (1864–1946) war entschlossen, diese Fragen auszudiskutieren und verhalf damit der Fotografie zur Anerkennung als eigene Kunstform.

Stieglitz war ein handwerklich versierter, streitbarer Pionier, der zeitlebens experimentierte und die Grenzen von Technik, Bildsprache und gesellschaftlichem Diskurs ausreizte.

Stieglitz mit Kamera und Pistole auf einem Selbstportrait während seines Studiums in Deutschland.


Stieglitz mit Kamera und Pistole auf einem Selbstportrait während seines Studiums in Deutschland.
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Bild: Geschenk von Flora Stieglitz Straus

Eine frühe Aufnahme, die stilistisch noch an klassische Ölmalerei erinnert: „The Net Mender“, 1894


Eine frühe Aufnahme, die stilistisch noch an klassische Ölmalerei erinnert: „The Net Mender“, 1894
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Geboren 1864 in New Jersey und aufgewachsen in New York wurde der Sohn eines erfolgreichen Tuchhändlers als Schüler von seinem Vater zur Ausbildung nach Deutschland geschickt. Dort blieb er neun Jahre, studierte, reiste und gewann erste Anerkennung als Fotograf.

In Europa diskutierte man, ob Fotografie lediglich die technische Reproduktion vorgefundener Situationen ist oder ob sich auch in Fotos künstlerischer Ausdruck finden lassen kann. Wie zum Beweis ihrer eigenen Menschlichkeit schufen die Fotografen dieser Zeit, die sich „Piktorialisten“ nannten, symbolisch aufgeladene Bilder voller malerischer Effekte, die an klassische Malerei erinnerten.

Stieglitz dokumentierte, was er auf seinen Reisen durch Europa sah - wie beispielsweise 1887 die Stufen von Chioggia bei Venedig.


Stieglitz dokumentierte, was er auf seinen Reisen durch Europa sah – wie beispielsweise 1887 die Stufen von Chioggia bei Venedig.
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Stieglitz verfolgte diese Debatten, reiste durch Deutschland, Italien, die Schweiz und Österreich und kehrte 1890 im Alter von 25 Jahren nach New York zurück. Sein Vater machte ihn dort zum Geschäftsführer einer Firma, die hochwertige Farbabzüge herstellte, damals ein Luxusprodukt auf der Höhe der Technik. Trotz dieser Aufgabe ging Stieglitz in dieser Zeit seiner Leidenschaft der Fotografie weiter nach, experimentierte, knüpfte Kontakte, schrieb und diskutierte und machte sich in den fotografischen Klubs New Yorks unentbehrlich.

In der Nähe des East River fotografierte Stieglitz 1893 mit einer Mittelformatkamera das Bild „The Terminal“.


In der Nähe des East River fotografierte Stieglitz 1893 mit einer Mittelformatkamera das Bild „The Terminal“.
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Alfred Stieglitz reizte die Technik aus und fotografierte in Lichtsituationen, die bis dato als nicht fotografierbar galten. Er ging auf die Straße. Er fotografierte nachts. Er fotografierte ohne Stativ sowie bei Regen, Nebel und Schnee.
Während er eine fotografische Bildsprache suchte, die einer künstlerischen, inneren Wahrheit folgte, beklagte er den amerikanischen Materialismus, den er im Vergleich zu Europa als seelenlos empfand.
In dieser Zeit begegnete er der wohlhabenden Brauerei-Erbin Emmeline Obermeyer, die er 1893 heiratete. Diese Ehe erlaubte ihm nicht nur einen Haushalt mit mehreren Bediensteten auf der Upper East Side, sondern bot auch genügend finanziellen Spielraum, sich mit aller Kraft um die Etablierung der Fotografie als Kunstform zu kümmern.

Dürfen auf Nachtaufnahmen Lichtstrahlen um Lichtquellen zu sehen sein? Eine damals in fotografischen Kreisen diskutierte Frage. Stieglitz nahm 1898 das Bild „An Icy Night, New York“ auf und befand: ja.


Dürfen auf Nachtaufnahmen Lichtstrahlen um Lichtquellen zu sehen sein? Eine damals in fotografischen Kreisen diskutierte Frage. Stieglitz nahm 1898 das Bild „An Icy Night, New York“ auf und befand: ja.
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Die Aufnahme eines Zuges, der 1902 aus einem New Yorker Bahnhof ausfährt, nannte Stieglitz „The Hand of Man“.


Die Aufnahme eines Zuges, der 1902 aus einem New Yorker Bahnhof ausfährt, nannte Stieglitz „The Hand of Man“.
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Das Portrait seiner Tochter Kitty von 1907 erinnert in seiner Bildsprache noch noch an klassische Gemälde.


Das Portrait seiner Tochter Kitty von 1907 erinnert in seiner Bildsprache noch noch an klassische Gemälde.
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Stieglitz sammelte gleich gesinnte Foto-Enthusiasten um sich und gründete 1902 die „Photo Secession“, deren Arbeiten er von da an in regelmäßigen Ausstellungen zeigte. Außerdem gab er das aufwendig gestaltete Fotomagazin „Camera Work“ heraus.
Neben den Bildern seiner Zeitgenossen präsentierte er in „Camera Work“ auch seine eigenen Fotografien. Er publizierte namhafte Gastautoren wie Bernard Shaw oder Gertrude Stein, die sich zu fotografischen und künstlerischen Themen äußerten, sowie immer wieder eigene Texte. Magazin und Galerien mussten keinen Gewinn abwerfen, Verluste glich er aus der eigenen Tasche aus.

Auf einer Überfahrt nach Europa nahm Stieglitz 1907 das Bild „The Steerage“ auf, eine seiner berühmtesten Aufnahmen. Es zeigt die Passagiere unterschiedlicher Decks auf einem Ozeandampfer.


Auf einer Überfahrt nach Europa nahm Stieglitz 1907 das Bild „The Steerage“ auf, eine seiner berühmtesten Aufnahmen. Es zeigt die Passagiere unterschiedlicher Decks auf einem Ozeandampfer.
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Bild: Gift of Robert A. Taub

1910 - Old and New New York, Alfred Stieglitz


1910 – Old and New New York, Alfred Stieglitz
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

„Camera Work“ wurde sein Sprachrohr. Bereits in einer der ersten Ausgaben erklärte er den amerikanischen Piktorialismus nicht nur für erfolgreich etabliert, sondern gleich zum weltweiten Vorreiter. Den Beweis für diese Behauptung sah er in der eigenen Gruppe der „Photo Secession“. Deren Arbeiten seien, wie er schrieb, so gut, dass viele zur Gruppe dazu gehören wollen. Bedauerlicherweise sei eine Aufnahme von Neumitgliedern aber nur in Einzelfällen möglich, denn die Qualität der Arbeiten anderer Fotografen reiche in der Regel nicht aus. Und schlimmer noch wiege, so Stieglitz, dass sie sich nicht ausreichend mit den Idealen der Gruppe identifizierten. 

First Snow and the Little House, 1923


First Snow and the Little House, 1923
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Wer die Kunst nicht versteht, ist die Kunst nicht wert – ein Credo, das er auch als Galerist vertrat.
Seine überlieferte Aussage, dass echte Kunst im Grunde gar keinen Preis haben kann und er Bilder deshalb ausschließlich an Personen verkaufte, die auch in der Lage waren, den künstlerischen Geist der Arbeiten wirklich zu empfinden, mag wahre Überzeugung oder Verkaufsgenie gewesen sein. Er war damit jedenfalls derart überzeugend, dass es ihm mehrfach gelang, von Sponsoren Arbeitsstipendien für Künstler der Galerie zu bekommen.
Eine Biografin bringt es auf den Punkt: „Es scheint ihm gelungen zu sein, seine Kunden davon zu überzeugen, dass sie mit dem Kauf von teuren Bildern aus seiner Galerie gegen den Materialismus der amerikanischen Kultur rebellieren konnten.“

Der Detailaufnahme eines kastrierten Pferdes von 1923, gab Stieglitz den kommentierenden Titel „Equivalent, Spiritual America“.


Der Detailaufnahme eines kastrierten Pferdes von 1923, gab Stieglitz den kommentierenden Titel „Equivalent, Spiritual America“.
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Stieglitz verhalf der amerikanischen Fotografie zu internationaler Anerkennung. Seine eigenen Fotografien muten dabei jedoch ganz anders an als die malerischen, komponierten Bilder seiner Zeitgenossen, die er förderte. Sie wirken dokumentarisch, ungekünstelt, zeigen Straßenszenen, Gebäude und Menschen in ungestellten Situationen. Später wird diese klare, lebendige Bildsprache den Namen „straight photography“ bekommen.

In den 1920 Jahren widmete sich Stieglitz der Fotografie von Wolkenformationen.  „Equivalent“, 1924


In den 1920 Jahren widmete sich Stieglitz der Fotografie von Wolkenformationen. „Equivalent“, 1924
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

„From Room 3003 - The Shelton, New York, Looking Northeast“, 1927


„From Room 3003 – The Shelton, New York, Looking Northeast“, 1927
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Bild: Alfred Stieglitz Collection

Zeitlebens sammelte er Arbeiten von ihm geschätzter Fotografen und Maler. Seine zweite Frau, die 23 Jahre jüngere Malerin Georgia O’Keeffe, die ihn um mehr als 40 Jahre überlebte, verwaltete seinen Nachlass. Sie spaltete die Sammlung auf und gab sie an mehrere Museen mit dem erklärten Ziel, dass diese Bilder öffentlich gezeigt werden sollen.
Das Art Institut Chicago hat diesen Gedanken in die heutige Zeit überführt und präsentiert Stiglitz’ digitalisierte Bilder sowie Arbeiten aus seiner Sammlung auf einer hervorragend aufbereiteten Website. Heute in einer Zeit künstlich generierter Bilder bekommt die damalige Frage nach künstlerischer Urheberschaft und Wahrhaftigkeit eine neue Aktualität.

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