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#Posterboys des Artenschutzes

„Posterboys des Artenschutzes“

Wer sich für Ornithologie interessiert, wird sich oft fragen, wie es zu diesem seltsam entrückten Zustand kommt, der sich bei der Vogelbeobachtung einstellt. Was ist so faszinierend daran, einen kreisenden Bussard oder eine durch den Garten huschende Heckenbraunelle zu betrachten? Arnulf Conradi versucht sich an einer Erklärung: „Das Erlebnis, den Vogel in seiner Schönheit und Lebendigkeit wahrzunehmen, ist wie eine Senkrechte in der Zeit. In dem Moment gibt es nichts anderes, du bist ganz im Hier und Jetzt.“ So formuliert es der frühere Verleger in dem Buch „Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung“, und so ist es zu hören in Jörg Adolphs Dokumentarfilm „Vogelperspektiven“. Conradi charakterisiert die ästhetische Erfahrung als Augenblicksemphase, die zunächst einmal nichts mit Sinn und Bedeutung zu tun hat.

Ebenso häufig werden sich Birdwatcher fragen, was man unternehmen kann, um den Vögeln zu helfen. Denn die schlechten Nachrichten über einbrechende Populationen werden sich etwa bei Rebhuhn oder Kiebitz vermutlich erst dann erledigen, wenn diese Arten ausgestorben sind. Vier Fünftel des Vogelbestands aus dem Jahr 1800 haben wir inzwischen verloren. Ornithologen beschäftigen sich also laufend mit Fragen aus zwei unterschiedlichen, man könnte mit guten Gründen sagen, entgegengesetzten Disziplinen – Ästhetik und Ethik.

Hier die Mission des einen, dort das kindliche Staunen des anderen

Adolphs Film trägt beidem Rechnung. Er zeigt hinreißende Aufnahmen von Beutelmeisen beim Nestbau, einen jagenden Seeadler und sich paarende Eisvögel. Und er begleitet Norbert Schäffer, den ersten Vorsitzenden des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern (LBV). Man sieht ihn bei der Auswilderung der Bartgeier Wally und Bavaria im Klausbachtal, bei einem Vortrag über den Zusammenbruch biologischer Vielfalt und mit Kollegen darüber diskutieren, ob es sinnvoll wäre, das Cover des Mitgliedermagazins einmal nicht mit einem Porträt zu versehen. Über den Wachtelkönig sagt er: „Er ist nicht der Posterboy des Artenschutzes. Er hat keine großen Augen. Es ist keine klassische Tierart, zu der man sich automatisch hingezogen fühlt.“ Das seien eher Panda oder Eisbär. Mit anderen Worten: Ästhetik als Nutzenfaktor.

Im Gegensatz dazu Conradi, der hervorhebt, Vögel seien aus vielen Gründen faszinierend und „in der Mehrzahl schön“. Sie hätten „etwas Poetisches“. Ästhetik als Selbstzweck. Simon Barnes schreibt in seinem Buch „How to be a Bad Birdwatcher“: „But before the understanding comes the wonder.“ Dieses Nacheinander, das oft genug auch als Nebeneinander in Erscheinung tritt, versucht Adolph ins Bild zu setzen. Hier die spröden Räume, in denen bei Brezeln und Croissants Naturschutzpolitik besprochen wird, dort Conradis Bewunderung, hier die Mission des einen, dort das kindliche Staunen des anderen.

Das Verfahren ist schlüssig, wird aber nicht ausgewogen durchgehalten. Norbert Schäffer, dessen Verdienste für die Vogelsache außer Frage stehen, was schon die 1,7 Millionen Unterstützer des bayerischen Volksbegehrens zur Artenvielfalt illustrieren, marschiert so dominant durch die Szenen, als handle es sich um einen Imagefilm des LBV. Wie man eine Kamera auf Konferenzteilnehmer hält und das Material sortiert, wie man nicht bloß eine Abfolge von Geschehnissen, sondern eine Dramaturgie erzeugt, all das hat etwa Frederick Wiseman oft genug gezeigt. Wie man die Natur als opulente Wunderkulisse inszeniert, lässt sich wiederum bei der BBC studieren. „Vogelperspektiven“ ist als Diminutivmischform von beidem durchaus taugliche Abendunterhaltung, aber weniger fürs Kino, eher für zu Hause, wo der Eindruck, eine Produktion fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen zu schauen, nicht stört.

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