Wissenschaft

#“Raureif” auf den Gipfeln der Marsvulkane

Der Mars gilt heute als relativ trockener Planet, insbesondere an seinem Äquator. Doch nun haben Planetenforscher erstmals Wassereis auf den Gipfeln der riesigen Marsvulkane entdeckt. Daten von zwei europäischen Marssonden zeigen, dass sich in den schattigen Kratern von Olympus Mons, Pavonis Mons und anderen erloschenen Feuerbergen der Tharsis-Region morgens Raureif bildet. Diese wenige Mikrometer dünne Schicht aus Wassereis bleibt zwar nur wenige Stunden lang bestehen, dennoch umfassen diese frostigen Gipfelschichten insgesamt mehr als 150.000 Tonnen Wasser, das sich im Marswinter dort täglich niederschlägt. Es ist der erste Nachweis von Wassereis auf der äquatorialen Marsoberfläche.

Unser Nachbarplanet Mars könnte in seiner Frühzeit Flüsse, Seen und sogar einen Ozean besessen haben. Doch als sein Klima sich vor Milliarden Jahren änderte, verschwand der Großteil dieses Wassers. Der Rest gefror und ist heute vor allem in den Eispanzern der marsianischen Polregionen und in Eisschichten im Untergrund konserviert. Messdaten von Orbitersonden und Marsrovern zeigen aber auch, dass es in der Marsatmosphäre noch immer Wasserdampf und hohe Eiswolken gibt. “Wassereiswolken spielen eine fundamentale Rolle für den Wasserkreislauf des Mars”, erklären Adomas Valantinas von der Universität Bern und seine Kollegen. “Sie transportieren Feuchtigkeit über Tausende Kilometer hinweg von den Polargebieten in die relativ trockene Äquatorregion.” Auf diesem Weg ziehen die Eiswolken auch über die Tharsis-Region des Mars hinweg – die gewaltige Beule in der Marsoberfläche, auf der einige der größten Vulkane des Sonnensystems liegen, darunter der 22 Kilometer hohe Olympus Mons.

Ceraunius Tholus
3D-Modell der Frostbildung auf dem Gipfel des Marsvulkans Ceraunius Tholus am Morgen (a-c). Am Nachmittag ist dieses Wassereis verschwunden (d). © Adomas Valantinas

Eisige Ablagerungen in den Gipfelkratern

Während feuchte Luft auf der Erde über Bergen und hohen Vulkanen häufig auskristallisiert und beispielsweise als Schnee fällt, galt dies auf dem Mars als eher unwahrscheinlich: “Wir dachten, dass die Bildung von Frost in der Äquatorregion des Mars unmöglich ist”, sagt Valantinas, der inzwischen als Gastwissenschaftler an der Brown University on den USA forscht. “Denn die Mischung aus Sonneneinstrahlung und dünner Atmosphäre sorgt für relativ hohe Temperaturen sowohl in der Ebene wie auf den Berggipfeln.” Warum Raumsonden immer wieder eine lokale Anreicherung von Wasserdampf über der Tharsis-Region detektierten, blieb daher unklar. Valantinas und sein Team sind diesem nun nachgegangen. Für ihre Studie nutzten sie Messdaten von zwei Orbitersonden der europäischen Raumfahrtagentur ESA, die den Mars umkreisen und dabei auch über die Tharsis-Region hinwegfliegen, ExoMars Trace Gas Orbiter (TGO) und Mars Express.

Den ersten Hinweis lieferten Aufnahmen des Trace Gas Orbiter, der den Gipfelbereich des Olympus Mons an den frühen Morgenstunden des Nordwinters überflogen hatte. “Sie enthüllten bläuliche Ablagerungen in Teilen des Caldera-Grunds und -Rands”, berichten Valantinas und sein Team. “Diese Ablagerungen konzentrieren sich am Grund der Caldera, fehlen dagegen auf den gut beleuchteten warmen Hängen und Vulkanflanken.” Daraufhin suchten die Forschenden in mehr als 30.000 Aufnahmen der beiden Raumsonden von der Tharsis-Region gezielt nach weiteren Spuren dieser spektral auffälligen Signatur. In 13 Fällen wurden sie fündig. “Diese umfassen nicht nur die größten Tharsis-Vulkane wie Olympus, Ascraeus und Arsia Montes, sondern auch den kleineren Schildvulkan Ceraunius Tholus”, berichtet das Team.

150.000 Tonnen Wasser pro Tag

Ergänzende Spektralanalysen und Modellierungen ergaben, dass es sich bei diesen Ablagerungen um Wassereis handeln muss. Damit ist dies der erste Nachweis von Wassereis an der Oberfläche der marisanischen Äquatorregion. Dieser Raureif tritt dort allerdings nur im Winter auf und bleibt nur in den Morgenstunden erhalten, bevor er wieder zu Wasserdampf wird. Das Eis bildet in den schattigen Kratern und Hängen der Vulkangipfel zwar nur eine wenige Mikrometer dünne Schicht, bedeckt aber insgesamt eine gewaltige Fläche. Die Planetenforscher schätzen, dass sich dort jeden Wintermorgen rund 150.000 Tonnen Wasser aus der Atmosphäre auf der Oberfläche niederschlagen und gefrieren – so viel wie in 60 olympischen Schwimmbecken. Der Wasserdampf stammt wahrscheinlich aus den großen atmosphärischen Strömungen, die Wasserdampf von den Polarregionen in die Äquatorregion transportieren. “Die Existenz von Wassereis dort ist spannend und deutet daraufhin, dass hier außergewöhnliche Prozesse im Gange sind, die die Frostbildung erlauben”, sagt Valantinas.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die starken Aufwinde an den Flanken der riesigen Vulkane den Wasserdampf bis in die höheren Lagen transportieren. Im Gipfelbereich kommt diese mit Feuchtigkeit angereicherte Gasmischung dann in den Einflussbereich eines besonderen Mikroklimas in den Vulkankratern: “In den Calderen von Olympus Mons und Arsia Mons beobachten wir eine substanzielle Verringerung des Atmosphärendrucks und der horizontalen Windgeschwindigkeiten nahe der Oberfläche”, berichten Valantinas und seine Kollegen. Diese Bedingungen fördern das Auskristallisieren des Wasserdampfs als Frost. “Wasser auf der Oberfläche des Mars zu finden ist immer aufregend – sowohl aus wissenschaftlichem Interesse als auch wegen seiner Bedeutung für die robotische und menschliche Erkundung des Planeten”, sagt Co-Autor Colin Wilson von der ESA. “Aber diese Entdeckung ist besonders faszinierend. Denn zu verstehen, wo Wasser auf dem Mars existiert und wie es sich zwischen den Reservoiren bewegt, ist für viele Aspekte der Marserkundung wichtig.”

Quelle: Adomas Valantinas (Universität Bern, Brwon University) et al., Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-024-01457-7

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!