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#Wer von Frieden spricht, muss auch Frieden meinen

„Wer von Frieden spricht, muss auch Frieden meinen“

Man hat schon den Überblick verloren. Der wievielte offene Brief? Und man fürchtet, so schnell wird ihnen das Briefpapier nicht ausgehen. „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler“, „Waffenstillstand jetzt“ und „Für den Frieden“ schrieben da A-, B- und C-Promis aus Kultur und Medien und sprachen sich mal mehr, mal weniger deutlich gegen Waffenlieferung für die Ukraine aus. Andere A-, B- und C-Promis, ebenfalls aus Kultur und Medien, die das nicht so unwidersprochen stehen lassen wollten, schrieben ihrerseits offene Briefe, in denen sie sich wiederum für Waffenlieferung an die Ukraine aussprachen. (Nur zur Information: Einen offenen Brief für Waffenlieferung habe auch ich unterzeichnet.)

Es scheint in dieser Debatte zwei Lager zu geben. Die der selbst ernannten Pazifisten und – das Gegenteil von Pazifist ist Bellizist – das Lager der Bellizisten, der Kriegstreiber. Als Bellizist bezeichnet sich jedoch niemand. Die selbst ernannten Pazifisten werfen den anderen vor, kriegsbegeistert zu sein, die anderen den selbst ernannten Pazifisten, selbstgerecht und weltfremd zu sein. Dass es kaum etwas gibt, das falscher ist als der Krieg, darauf können sich wohl alle einigen. Doch geht es nicht um die Frage von Krieg und Frieden, sondern um die der Selbstverteidigung.

Menschen werden wehrlos Verbrechern ausgeliefert

Auch 2014, als der sogenannte Islamische Staat in Syrien und Irak ganze Landstriche einnahm, plünderte, mordete und an den Jesiden einen Genozid verübte, hielt die Linkspartei an ihrem Dogma fest, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Auch nicht an die Kurden, die ja kurz davor waren, von den Islamisten überrannt zu werden. Nun, Waffen wurden an die Peschmerga trotzdem geliefert.

Ronya Othmann


Ronya Othmann
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Bild: Kat Menschik

Doch die Diskussionen um die Waffenlieferungen waren ähnliche wie heute. Auch damals lehnte Umfragen zufolge eine Mehrheit der Deutschen Waffenlieferung ab. Man forderte eine politische Lösung, wies auf Versäumnisse in der Vergangenheit hin, auf die deutsche Geschichte, sagte, mit militärischen Mitteln sei der IS nicht zu besiegen. Nun ist der Irak nicht die Ukraine, und Krieg ist nicht gleich Krieg. In beiden Fällen aber gilt: Mindestens so falsch wie Krieg ist es, Menschen wehrlos Verbrechern auszuliefern.

Die UN-Sonderbeauftragte für sexualisierte Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, spricht davon, dass Russland systematisch Vergewaltigung als Kriegswaffe gegen die ukrainische Zivilbevölkerung einsetze. Es wird berichtet, dass dafür sogar Viagra an russische Soldaten ausgegeben werde. Vergewaltigt, das weiß man auch aus anderen Kriegen, wird nicht, um zu siegen, sondern um zu zerstören. Angesprochen auf die Vergewaltigungen durch russische Soldaten, sagte Sahra Wagenknecht, eine der beiden Verfasserinnen des „Manifests für den Frieden“, in der Sendung „Hart aber Fair“, das sei halt Teil des Krieges. Das komme auch in anderen Kriegen vor. Wenn man das beenden wolle, müsse man den Krieg beenden.

Folterzentren und Vergewaltigungen

Doch das stimmt so nicht. Systematische Vergewaltigung ist in Kriegen weder unvermeidlich, noch ist sie ein Kollateralschaden. Sie geschieht nicht, weil Soldaten zu lange von zu Hause weg sind und unter Stress stehen. Nein, vergewaltigt wird unter Billigung der Vorgesetzten oder gar auf Befehl. Die Vergewaltigungen sind kein Nebenwiderspruch, der sich von selbst erledigt, wenn man den Hauptwiderspruch (Krieg) auflöst. In den von Russland besetzten Ge­bieten werden Folterzentren errichtet. Überlebende berichten von brutalster Misshandlung, Scheinexekutionen und Vergewaltigungen. Manche würden zu Tode gefoltert. Will man die ukrainische Zivilbevölkerung schützen, muss man auch dafür sorgen, dass sie nicht unter russische Besatzung gerät.

Ein Ende der Kämpfe bedeutet nicht gleich Frieden. Das können wir heute beispielsweise in Syrien sehen, in den Gebieten, die Assad zurückerobert hat. Dort wird zwar nicht mehr gekämpft, doch in den Gefängnissen gefoltert, gemordet und vergewaltigt wie eh und je. Die Waffenruhe gleicht einer Friedhofsruhe.

Briefe, Neonazis und John Lennon

Wer also von Frieden spricht, muss auch Frieden meinen. Wer es wirklich ernst meint mit dem Pazifismus, muss ihn auch in dieser Hinsicht noch einmal neu diskutieren. Am besten, bevor man sich an den Schreibtisch setzt, um den nächsten offenen Brief zu verfassen. Und einmal dabei könnte man noch ein paar andere Dinge überdenken. Vieles scheint in diesen Tagen ja ziemlich durcheinander geraten zu sein. Im Radio erzählt ein ehemaliger Wehrmachtssoldat (finde den Fehler), was er denn von Panzerlieferungen an die Ukraine hält (Spoiler: gar nichts).

Auf einer Kundgebung „für den Frieden“ erklärt eine der Initiatorinnen zwar, Neonazis und Reichsbürger hätten dort nichts zu suchen, nur um im nächsten Atemzug einem Mann die Bühne zu bieten, der in der Vergangenheit schon auf Veranstaltungen der Neuen Rechten auftrat. Die Ikone der deutschen Frauenbewegung will lieber nicht über sexualisierte Ge­walt an Frauen reden. Selbsternannte Pazifistinnen scheinen die Kriegsbesoffenheit überall zu wittern, außer im Kreml. Und am Ende wird auch noch John Lennon gespielt.

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