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#„Euer Taschengeld brauch’ ich nicht“

„Euer Taschengeld brauch’ ich nicht“

Sie falten Kartonagen, setzen Kugelschreiber zusammen oder stanzen Metall: 320.000 Menschen mit Behinderung arbeiten hierzulande in speziellen Behindertenwerkstätten. Über 700 gibt es von ihnen, an fast 3000 Standorten in ganz Deutschland. Im Jahr 2019 betrug der Durchschnittsverdienst in diesen Einrichtungen 206,95 Euro im Monat. Macht einen Stundenlohn von etwa 1,50 Euro. Weil davon niemand leben kann, erhalten Menschen, die in diesen Werkstätten beschäftigt sind, zusätzliche staatliche Leistungen.

Der Aktivist und Youtuber Lukas Krämer aus Trier fordert nun in einer Online-Petition an den Bundesfinanzminister den Mindestlohn für Werkstattbeschäftigte. Fast 70.000 Menschen unterstützen ihn dabei. „Ich habe mich wie ein Mensch zweiter Klasse gefühlt“, sagt der 27 Jahre alte Krämer, wenn er über seine fünf Jahre im DRK Sozialwerk Bernkastel-Wittlich an der Mosel berichtet.

Mit vier Jahren erkrankt Krämer an einer Hirnhautentzündung. Seitdem hat er einen Sprachfehler und eine Lernschwäche. Das Lesen fällt ihm schwer, auch Rechnen gehört nicht zu seinen Stärken. Er besucht die Förderschule und durchläuft im Anschluss eine berufsbildende Maßnahme. Dann der Eintritt in die Werkstatt, in der er erst Metallteile für Fensterbänke ausstanzt und später Wasserhähne für internationale Unternehmen wie Ideal Standard montiert. Organisiert ist ein Großteil der Werkstätten in der BAG WfbM (Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V.). Der Dachverband setzt sich aus den Trägern der Einrichtungen zusammen. Dazu gehören unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz oder die Caritas. Für seine Arbeit verdient Krämer damals zwischen 180 und 200 Euro im Monat.

„Ich habe blau gemacht“

„Das ist für mich Ausbeutung. Ich habe nicht verstanden, warum ich so viel weniger Geld als andere Menschen verdiene, obwohl ich jeden Tag zur Arbeit gehe.“ Trotz seines Sprachfehlers ist Krämer gut zu verstehen. Er formuliert seinen Frust, aber auch seine Forderungen klar und deutlich. Als er die Situation in der Werkstatt nicht mehr aushält, macht er sechs Wochen lang blau, wie er sagt. Ob er sich hat krankschreiben lassen? „Nein, wenn ich blaumachen sage, meine ich es auch so“, kommt es prompt zurück. Krämer streikt. Eine Gewerkschaft, in der er seinen Protest organisieren könnte, gibt es für Menschen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, nicht. Er kündigt und versucht es auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Es klappt. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet Krämer nun als Kameramann für Corinna Rüffer, Bundestagsabgeordnete der Grünen. Für sie dreht er Youtube- und Instagram-Videos. Es ist seine große Leidenschaft. Auf seinem Youtube-Kanal „SakulTalks“ informiert er seit Jahren über Behinderung und Inklusion.

Schuld ist der „arbeitnehmerähnliche“ Status

Aber warum verdienen Beschäftigte in den Werkstätten überhaupt so wenig? Laut Gesetz befinden sie sich nicht im normalen Angestelltenverhältnis, sondern haben einen „arbeitnehmerähnlichen“ Status. Menschen in Behindertenwerkstätten werden nicht aufgrund ihrer Leistung bewertet. Dieser Status versagt ihnen unter anderem einen Anspruch auf den Mindestlohn. „Nicht das wirtschaftliche Ergebnis steht bei der Werkstattleistung im Vordergrund, sondern die berufliche Qualifizierung durch individuell angepasste Arbeit und Beschäftigung sowie arbeitsbegleitende Förder-, Bildungs- und Therapiemaßnahmen“, formuliert die BAG WfbM ihren Auftrag. „Dennoch müssen Werkstätten laut Gesetz neben ihrem Rehabilitationsauftrag auch ein wirtschaftliches Ergebnis erzielen.“ Tatsächlich muss dieses Ergebnis zu 70 Prozent an die Beschäftigten ausgezahlt werden, 30 Prozent dienen als Rücklage für auftragsarme Zeiten. So steht es auch im Bundesteilhabegesetz.

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