Nachrichten

#European Games: Absurde Spiele auf Sparflamme

Noch bevor Dimitrij Ovtcharov am Wochenende die Goldmedaille im Teamwettbewerb in seine Reisetasche packen konnte, hatte der 34 Jahre alte Tischtennisspieler ein eindeutiges Urteil über die Europaspiele von Krakau gefällt. Das Multisportereignis, so der deutsche Nationalspieler, müsse sich wieder in eine andere Richtung entwickeln. „Sonst geht der Charakter verloren“, betonte der zweimalige Olympiadritte.

Bei der Premiere 2015 in Baku habe er „ein Riesenevent“ erlebt, von dem er überzeugt gewesen war, „dass es sich voll etablieren könnte“. Vier Jahre später in Minsk sei alles schon etwas kleiner gewesen. Jetzt, bei ihrer dritten Auflage, werde die zwölftägige Veranstaltung, die am Sonntag mit einem großen Abschlussfest im Henryk-Reyman-Stadion zu Ende ging, kaum mehr wahrgenommen.

Weg vom Gigantismus Olympias

Sich abzuheben von den aserbaidschanischen Vorlagengebern, war Ziel der polnischen Ausrichter gewesen. Weg von dem Gigantismus, der bei den Olympischen Spielen kritisiert wird, hin zu mehr Nachhaltigkeit. Spiele auf Sparflamme sollten es sein, mit bestehenden und temporären Sportstätten statt neu gebauten Hallen und Anlagen, deren weitere Nutzung infrage steht. Nicht nur um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, sollte eine ganze Region mit bewegt werden, die Woiwodschaft Kleinpolen.

Das Programm war umfangreicher denn je: 7000 Athleten aus 48 Ländern traten in 29 olympischen und nichtolympischen Disziplinen an. Es wurden europäische Meistertitel, Olympiatickets und Quotenplätze für die Spiele 2024 in Paris oder Ranglistenpunkte vergeben. Doch in manchen Sportarten fielen Entscheidungen ohne weitere Bedeutung, wurden neue Formate, gerne für Mixed-Teams, erfunden, um dabei oder präsenter zu sein.

Tischtennis-Star Dimitrij Ovtcharov: „Kaum mehr wahrgenommen“


Tischtennis-Star Dimitrij Ovtcharov: „Kaum mehr wahrgenommen“
:


Bild: dpa

Genau dieser Mischmasch erschwerte den Durchblick, die Einschätzung dessen, wie wichtig jeder einzelne Wettbewerb und damit die Spiele insgesamt im sowieso schon überfüllten Weltsportkalender waren und sind. Olaf Tabor, der Leistungssportchef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Chef de Mission, kritisierte, dass die Wahrnehmung des Ereignisses in Deutschland nicht dessen Wert entsprach. ARD und ZDF berichteten sehr dosiert. Die gleichzeitig ausgetragenen Special Olympics in Berlin liefen den Europaspielen den Rang ab und erhielten auch in anderen westeuropäischen Ländern wie Großbritannien mehr Aufmerksamkeit.

Die Bevölkerung vor Ort ging beim bislang größten Sportereignis in ihrer Heimat selten mit. Trotz niedriger Ticketpreise oder bisweilen freiem Eintritt waren in den Arenen oft nur wenige Zuschauerplätze besetzt. Ein trauriges Extrem stellten die Fechtwettbewerbe dar, denen der EM-Status kurzfristig abgesprochen worden war, weil Russen und Weißrussen wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine derzeit nicht in Polen einreisen dürfen. In der Leere der für mehr als 10.000 Besucher ausgelegten Tauron Arena tummelten sich im Halbdunkeln fast ausschließlich Beteiligte, Funktionäre oder Journalisten auf den Rängen.

Beim Modernen Fünfkampf wird Open Air gefochten


Beim Modernen Fünfkampf wird Open Air gefochten
:


Bild: AFP

Deutlich größerer Resonanz erfreuten sich die modernen Bewegungsformen wie 3×3-Basketball, in der die polnischen Männer außerhalb der Krakauer Innenstadt vor mehr als 700 Fans in bester Stimmung das Spiel um Bronze gegen die deutsche Formation gewannen, das neuerdings olympische Breakdance mit seinen Hip-Hop-Rhythmen im Amphitheater von Nowy Sącz oder Teqball, eine Art Fußball-Tennis über einen leicht gewölbten Tisch, das bei freiem Eintritt auf dem historischen Marktplatz der Weichselstadt präsentiert wurde.

„Die Leute hassen die Spiele“

Mehr Sichtbarkeit der Spiele in der Stadt, mehr Werbemaßnahmen in der Region hätten nach Meinung Tabors den Zuspruch erhöhen können. Aus dem Kreis der Volunteers oder von Unbeteiligten war aber wiederholt zu hören: „Die Leute hassen die Spiele.“ Das Geld, das für diese ausgegeben wurde, hätte man besser investieren können, so die Begründung. Dass die bestehende Sportinfrastruktur zum Teil modernisiert wurde, blieb dabei unberücksichtigt.

Kicker aus Italien und der Schweiz beim Finale im Beach-Soccer


Kicker aus Italien und der Schweiz beim Finale im Beach-Soccer
:


Bild: EPA

Um Studentenzimmer in ein Athletendorf zu verwandeln, mussten die Bewohner ausziehen, obwohl an der Universität noch letzte Semesterprüfungen liefen. Aufgrund der weiten Entfernung zu einigen Sportstätten, wie die der Pistolen- und Gewehrschützen im 270 Kilometer entfernten Breslau, übernachteten viele Teilnehmer außerhalb in Hotels statt in den Hochbetten im Village. Das allumfassende Wirgefühl, der Eindruck, sportartübergreifend etwas gemeinsames Großes zu erleben, wollte sich so nicht einstellen.

Die Aufnahme der Wintersportart Skispringen als Mattensport ins Sommerprogramm, der Popularität der Sportart im Gastgeberland geschuldet, setzte trotz einiger Irritationen ein deutliches Zeichen dafür, dass es für den durch den Klimawandel gefährdeten Sport auf Schnee und Eis nicht viel weniger spektakuläre Alternativen gibt. Ein weiteres Beispiel dafür, dass viele Gedanken dieser Spiele vorbildlich, richtig und zukunftsorientiert waren, die Umsetzung allerdings noch viel Luft nach oben ließ.

Organisatorische Mängel abzustellen, die nicht nur auf den Sparkurs zurückzuführen waren, dürfte dabei leichter fallen als die Umsetzung eines überzeugenden Gesamtkonzepts. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen würde sich eine Veranstaltung anbieten, die in allen teilnehmenden Disziplinen qualifizierenden Charakter und damit eine leicht nachvollziehbare Wertigkeit besitzt. Die in ihrer Dimension die jüngeren Athleten auf den Karrierehöhepunkt vorbereitet und so selbst neben den konkurrierenden European Championships eine Daseinsberechtigung haben könnte. Sofern sich genügend Ausrichter finden. Das Beispiel Krakau zeigt, dass jeder Schritt in die Zukunft ein wackliges Wagnis ist.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!