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Finis Britanniae

Strahlend geht die Sonne auf an diesem Augustmorgen des Jahres 491 nach Christus, der für die meisten Männer, die auf den Mauern des Römerkastells von Anderitum Wache stehen, der letzte sein wird. Ihre Frauen und Kinder, die sich in den mit Reet gedeckten Holzbauten im Inneren der Festung zusammendrängen, werden in die Hände der Sieger fallen, was für fast alle von ihnen Sklaverei und Erniedrigung und für einige wenige unverhofften Reichtum und sozialen Aufstieg in eine sächsische Herrschersippe bedeuten wird. Aber noch sieht das träumende Auge des Zeitreisenden den Kampf nicht beginnen, noch steht das Drama dieses Tages auf der Kippe, auch wenn es über seinen Ausgang keinen Zweifel geben kann.

Andreas  Kilb

Seit Wochen wird Anderitum belagert. Das Kastell, vor zweihundert Jahren auf einer Halbinsel in den Salzmarschen errichtet, ist die letzte Fluchtburg der britonischen Bevölkerung von Kent, die vor den fremden Kriegern von jenseits des Meeres aus Dover, Richborough, Portchester und den anderen Küstenbefestigungen in das ausgedehnte Waldgebiet südöstlich von London geflohen ist, dessen römische Schmelzöfen und Kohlenmeiler seit langem erloschen sind. Das Litus Saxonicum, die Sachsenküste, war die Antwort des Römischen Reiches auf die zunehmende Bedrohung Britanniens durch germanische Piraten, und Anderitum mit seinen fast zehn Meter hohen Mauern, Doppeltoren und zahlreichen Halbtürmen bildete das stärkste Glied in der Kette der Forts, die bis hinauf nach Yorkshire reichte.

Die Städte verfielen, die Einwanderer kamen

Doch seit dem Abzug der Römer zu Beginn des fünften Jahrhunderts konnten die Germanen die Küste nach und nach unter ihre Kontrolle bringen. Bewaffnete Banden, die ursprünglich als Söldner im Dienst der Städte im Landesinneren standen, haben sich mit ihren Familien in verlassenen Villae und vom Krieg verwüsteten Dörfern niedergelassen. Während der Handel erlosch, die großen Landgüter verfielen, die Magistrate sich auflösten und die dezimierte Stadtbevölkerung vor den Eindringlingen nach Norden und Westen flüchtete, landeten immer neue Schiffe mit Sippen und Stämmen aus Friesland, Jütland und der sächsischen Nordseeregion an den Stränden Südenglands.

Hier kamen die Neuen auf die Insel: Kreidefelsen von Dover


Hier kamen die Neuen auf die Insel: Kreidefelsen von Dover
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Bild: Picture-Alliance

In Kent, das schon den römischen Heeren als Aufmarschzone diente, haben die Ankömmlinge seit der Jahrhundertmitte die Oberhand gewonnen, und Ælle, ihr Anführer, will in diesem Sommer den letzten, vernichtenden Streich gegen die romanobritischen Bewohner des Landes führen. Fällt Anderitum, gehört ihm ganz Kent.

Im Westen werden Hügelfestungen wiederbesiedelt

Alle europäischen Nationen sind Kinder des Chaos. Frankreich erstand aus dem Grauen der Völkerwanderung, Italien wurde von Goten, Hunnen, Langobarden, Sarazenen überschwemmt, Deutschland von Barbarenstämmen auf den Trümmern römischer Siedlungen gegründet. Aber nirgendwo war der Zivilisationsbruch nach der Römerzeit so radikal wie in Britannien. Weil der Völkerstrom aus dem Osten auf der Insel keinen Ausgang findet, staut sich seine Energie zu endlosen Kriegen auf. Stück für Stück, Stadt für Stadt, Flusstal für Flusstal werden die romanisierten Kelten aus dem fruchtbaren Südosten ins Hinterland gedrängt.

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