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#Fraktur: In der No-Go-Zone

Fraktur: In der No-Go-Zone

Wie sehr die Revolution von 1989 in Sachsen gelebt wird, lässt sich auch daran sehen, dass der Ministerpräsident hier persönlich Schnee schippt. Immerhin gibt es mal wieder welchen, denn im Gegensatz zur Eiszeit im Sozialismus ist die weiße Pracht im Kapitalismus ein rares Gut, das allerdings besonders nervt, wenn es sich in der Einfahrt zum eigenen Zuhause häuft.

Stefan Locke

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

So mag Michael Kretschmer zunächst froh gewesen sein, als neulich am Wochenende morgens ein Timur-Trupp aus zwei Dutzend Leuten vor seinem Haus anrückte, der dann aber gar nicht mit anpacken, sondern wie früher im Parteilehrjahr nur reden wollte, noch dazu und genau wie damals über Dinge, die mit der Realität eher nichts zu tun haben.

Was wäre ein falsches No-Go gewesen?

Diese Einschätzung teilt sogar die Linke, die in Sachsen bisher noch nie der CDU zugestimmt hat, aber den Ministerpräsidenten in diesem Fall verbal verteidigte, noch dazu zum Teil in Sprache und Syntax des einstigen Klassenfeindes. „Der Protest vor Kretschmers Privathaus war ein echtes No-Go!“, erklärte Fraktionschef Rico Gebhardt. Ratlos ließ uns jedoch zurück, was im Gegensatz dazu wohl ein falsches No-Go, quasi ein Fake-No-Go, gewesen wäre und ob ein solches den verrückten Auflauf womöglich gerechtfertigt hätte.

Mal angenommen, Kretschmer, der Erfinder des politischen Zuhörens, wäre zum Schneeschippen zu Bürgern gegangen und hätte mit ihnen einen Platz für die nächste Anti-Corona-Demo freigeräumt. Dann hätte sich die Linke im Dilemma befunden, einerseits den gemeinsamen Arbeitseinsatz würdigen, den Zweck jedoch missbilligen zu müssen. Ein oppositionspolitisches No-Go?




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Politische Gewissheiten aber gibt es schon lange nicht mehr. So erklärte Kretschmer jüngst in einem Gespräch mit der Chemnitzer Zeitung „Freie Presse“ – die auch schon so hieß, als selbige für die einstigen Herausgeber, nun ja, ein No-Go war –, er hätte sich gewünscht, früher vor dem Ausmaß der Pandemie gewarnt worden zu sein, und dass man sich eben nicht allein auf Vermerke verlassen dürfe: „Dann geht es schief.“ Selten ist eine Verwaltung so gewürdigt worden, wobei es Kretschmer überrascht haben dürfte, dass er nach den Sparorgien seines Vorgängers überhaupt noch über eine solche verfügt.

„Die Kanzlerin hatte Recht“

Der Regent im Nachbarfreistaat Thüringen ist da schon einen Schritt weiter und nimmt im Stil stalinistischer Selbstkritik gleich alle Schuld am vermasselten Krisenmanagement auf sich: „Die Kanzlerin hatte Recht, und ich hatte Unrecht“, erklärte Bodo Ramelow in der F.A.Z., was wiederum die Frage aufwirft, ob Thüringen damit nun auch amtlich als Unrechtsstaat bezeichnet werden darf.

Für einen auf äußerste Distinktion bedachten Politiker wie Ramelow freilich dürfte ein neben Bundesland und Freistaat stehender Unrechtsstaat als Alleinstellungsmerkmal im föderalen Gefüge einen ganz eigenen Reiz entwickeln. Auch Vorarbeiten dazu gibt es bereits, und zwar von Gerhard Schröders einstigem Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, der schon vor anderthalb Dekaden die Region, in der sich die hier geschilderten Vorfälle zutrugen, als „No-go-Area“ bezeichnet hat.

Ob diese Einschätzung auch durch das persönliche Erleben der Thüringer Cousinen seines Chefs befeuert wurde, wagen wir nicht zu beurteilen, auch wenn Schröder selbst, sofern wir es korrekt in Erinnerung haben, unmittelbar nach dieser Begegnung und umgehender Konsultation mit Joseph Fischer („I am not convinced!“) im Bundestag die Vertrauensfrage stellte.

„To go“ als No-Go

Bleibt schließlich noch eine für den Wissenschaftsstandort Deutschland entscheidende Frage: Wenn sich in einer solchen No-go-Zone nach Heye ein „echtes No-Go“ wie kürzlich bei Kretschmer ereignet, hat es dann überhaupt stattgefunden? Zweimal Minus ergibt doch Plus, das gehört zu den wenigen Wahrheiten, die wir aus dem analogen Mathematikunterricht behalten haben, der wiederum für uns echt ein No-Go war.

Und während in diesen Tagen in ganz Deutschland Einzelhändler ihren Kunden online oder telefonisch bestellte Ware „to go“ durch den Hintertürspalt reichen, ist selbiges allein für Sachsens Regierung nach wie vor „ein absolutes No-Go!“. Wir allerdings finden nicht nur in dieser Hinsicht: Mit der Monotonie dieses No-Go und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen.

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