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#Frankreich verfällt in alte Muster

Frankreich verfällt in alte Muster

Diesen Gast hat der französische Präsident am Mittwoch besonders gerne empfangen: Am Nachmittag hieß Emmanuel Macron im Elysée-Palast die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, willkommen. Sie war nach Paris gereist, um grünes Licht zum französischen Wiederaufbauplan mit den Mitteln aus Europa zu erteilen. Frankreich erhält im Rahmen der Direkthilfen 39,4 Milliarden Euro aus dem europäischen Hilfsfonds und liegt damit nach Italien und Spanien auf dem dritten Rang der größten Empfängerländer. 40 Prozent des 100 Milliarden Euro schweren Investitions- und Konjunkturplans Frankreichs kommen somit aus Brüssel, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass Frankreich die Mittel mitfinanziert, weil es einer der größten EU-Beitragszahler ist und an den Kapitalmärkten niedrige Zinsen genießt.

Der Plan, mit dem die Franzosen die Pandemie-Folgen wirtschaftlich hinter sich lassen wollen, geht in zwei Punkten über die Vorgaben aus Brüssel hinaus: Wo die EU einen Anteil von 37 Prozent für die Klima- und Umweltwende verlangt, lässt Frankreich die Hälfte seiner 100 Milliarden Euro diesem Zweck zukommen, etwa mit hohen Subventionen für die Isolierung von Häusern, Wohnungen sowie öffentlichen Gebäuden, mit der Umsetzung einer Wasserstoff-Strategie und dem Ausbau emissionsarmer Transportmittel, vor allem der Bahn. Auch bei der Digitalisierung, die laut Brüssel mindestens zu 20 Prozent von den EU-Mitteln profitieren soll, will die französische Regierung über die Mindestmarke hinausgehen und ein Viertel für dieses Ziel aufwenden. Schulen, Behörden und Unternehmen sollen digitalisiert werden, und geplant ist auch, die „digitale Kluft“ zu benachteiligten Menschen zu schließen. Verstärkte berufsbildende Maßnahmen sind der dritte große Ausgabenblock.

Eine Zumutung für die Franzosen

Die französische Regierung hatte für den EU-Plan gekämpft und freut sich nun auf das neue Phänomen der europäischen Geldflut. An der Front der strukturellen Reformen kehrt dagegen anscheinend wieder der schwierige Alltag der Vorkrisenzeit ein. Gerade jetzt, wo die Franzosen die Rückkehr zur Normalität mit neuer Lebensfreude feiern, haben drei Gewerkschaften pünktlich zum Ferienbeginn im Juli Streiks beim staatlichen Bahnbetreiber SNCF angekündigt. Dessen Mitarbeiter erhielten während der Pandemie zwar fast vollständig ihr normales Gehalt, nicht aber die auch vom Verkehrsaufkommen abhängigen Prämien. Die Gewerkschaft Unsa spricht lapidar von einer „allgemeinen Unzufriedenheit“ der Beschäftigten. Verhandlungen zum Umstimmen der Streikwilligen laufen noch.

Auch die Regierung stößt wie vor der Pandemie auf große Widerstände. Der Staatsrat hat als oberstes Verwaltungsgericht in dieser Woche die Reform der defizitären Arbeitslosenversicherung teilweise vorerst gestoppt. „Der Abstand zwischen den Bezügen aus der Arbeitslosenversicherung und den Arbeitseinkommen ist in Frankreich einer der niedrigsten des Euroraumes“, berichtet der Ökonom Denis Ferrand von der Pariser Beratungsgesellschaft Rexecode. Damit lohnt sich der Eintritt in den Arbeitsmarkt nicht unbedingt. Das ist besonders bei den Kurzzeitverträgen der Fall, mit denen nicht wenige Franzosen zwischen Arbeitsverhältnissen von einem oder wenigen Tagen sowie der Arbeitslosigkeit hin- und herspringen, etwa in der Gastronomie oder im Baugewerbe.

Daher will die Regierung die Arbeitslosenversicherung ein Stück weit weniger großzügig machen. Die Berechnung der Tagesbezüge soll sich ändern, zudem muss man künftig sechs statt nur vier Monate gearbeitet haben, um die ersten Ansprüche zu haben. Für Gutverdiener ist ein schrittweiser Abbau des Arbeitslosengeldes im Zeitverlauf vorgesehen, und die Unternehmen sollen eine zusätzliche Abgabe zahlen, wenn sie besonders viele befristete Arbeitsverhältnisse vereinbart haben. Der Staatsrat winkte jetzt jedoch ab. Das Projekt sei wegen der weiter herrschenden wirtschaftlichen Unsicherheit derzeit eine Zumutung für die Franzosen, befand der Conseil d’Etat in einem Urteilsspruch, der erstaunlich wenig juristische Argumente enthält. In der Sache habe der Staatsrat die Reform nicht abgelehnt, betont die Regierung und hofft auf ein Inkrafttreten der Reform vor Jahresende.

Sorgen wegen des Wahlprogramms der CDU

„Frankreich tut sich allgemein schwer damit, den Einstieg in das Ende der Pandemie-Hilfen einzuleiten“, stellt der Ökonom Ferrand fest. Das gilt erst recht seit dem ersten Durchgang der Regionalwahlen am vergangenen Wochenende, der den Vertretern von Macrons Regierungspartei schwere Schlappen zufügte. Auch das schon vor der Covid-19-Krise heftig umstrittene Projekt einer Rentenreform ist unwahrscheinlich geworden. Macron deutete kürzlich zwar an, dass er das Vorhaben noch vor der Präsidentschaftswahl im April 2022 wieder „in veränderter Form“ auf den Tisch bringen könnte, doch die meisten Beobachter schätzen die Chancen dafür als gering ein. Trotz der großen wirtschaftlichen Einbußen im Zuge der Pandemie scheint in der Bevölkerung die Bereitschaft, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, nicht gewachsen zu sein. Dabei sind die Rentenkassen auch wegen des im internationalen Vergleich frühen Renteneintrittsalters mit hohen Defiziten konfrontiert.

Das Rentensystem ist mit rund 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes einer der größten staatlichen Ausgabenblöcke und trägt damit zur Staatsverschuldung bei. Der französische Rechnungshof beklagte kürzlich, dass die staatliche Neuverschuldung im Jahr 2024 unter den Ländern des Euroraumes nirgends so hoch sein könnte wie in Frankreich. Auf europäischer Ebene plädiert die französische Regierung daher für eine dauerhafte Lockerung der Schuldengrenzen. Das kürzlich vorgestellte Wahlprogramm der CDU, das die Forderung einer raschen Rückkehr zur Haushaltsdisziplin enthält, ist in Frankreich daher mit Sorge aufgenommen worden.

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