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#Fröhliche Versammlung mit Makel

Fröhliche Versammlung mit Makel

Donnerstag, 15 Uhr. Noch eine Stunde bis zur konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung. Auf den Römerfluren herrscht beinahe gespenstische Stille. Die meisten Abgeordneten sind auf dem Weg in die Mainarcaden, wo die Versammlung  pandemiebedingt tagt. Der Reporter irrt durch die Gänge auf der Suche nach der Fraktion Volt, die irgendwo hier im Römer am Mittwoch ihre Geschäftsräume bezogen haben muss. Nur wo? Kein Schild an der Tür, kein Hinweis. Dabei könnte es doch so einfach sein – ihre Politik verortet Volt in der Nähe der Grünen oder SPD. Doch die Raumzuteilung funktioniert nach anderen Kriterien: Volt tagt im rechten Block, eingezwängt zwischen den Räumen von BFF-BIG und der AfD. Eileen O‘Sullivan, die Fraktionsvorsitzende, ist nicht gerade begeistert, aber was solle man tun? Die Räume seien frei geworden, sagt die Stadtverordnete.

Martin Benninghoff

Innen herrscht noch Umzugschaos. Aktenordner liegen auf dem Boden verstreut, leere Schränke, ein aufgeklappter Laptop steht auf dem Tisch. An der Wand hängt ein Kalender mit Bornheimer Ansichten, eine Hinterlassenschaft des Vorgängers und früheren Nutzers Bernhard Ochs und seiner kleinen Fraktion. „Das ist noch ziemlicher Büromief“, sagt O‘Sullivan, deren Fraktion Teil der nächsten Koalition mit den Grünen, SPD und FDP, der „V-Ampel“, werden könnte, wenn man sich einigen kann. Jetzt aber soll erstmal eine Kaffeemaschine her.

Mehr als die Hälfte der Stadtverordneten ist neu im Parlament

So ähnlich ergeht es vielen Stadtverordneten in diesen Tagen, die sich im neuen Ehrenamt zurechtfinden müssen. Nicht alle sind so jung und kommunalpolitisch unerfahren wie Volt, aber mehr als die Hälfte der 93 Mandatsträger ist neu im Stadtparlament. Mit 48 Prozent ist der Frauenanteil so groß wie nie zuvor in Frankfurt. Eine Zäsur, auch und gerade in politischer Hinsicht, wie die neuen Mehrheitsverhältnisse zeigen: Die CDU-Fraktion ist um drei Plätze geschrumpft, die Grünen als stärkste Fraktion breiten sich mit 23 Sitzen aus. Noch sitzen die amtierenden Dezernenten vorne, doch für die Vertreter der CDU dürfte bald Schluss sein: Die Magistratsmitglieder werden für sechs Jahre gewählt, sie können aber nach einer Wahl sogar mit einfacher Mehrheit abgewählt werden. Die christdemokratischen Dezernenten suchen sichtbar nicht die Weite des Raumes, sondern bleiben meist in der Nähe des Podiums.

Neu im Stadtparlament:  Eileen O‘Sullivan, die Fraktionsvorsitzende von Volt.


Neu im Stadtparlament: Eileen O‘Sullivan, die Fraktionsvorsitzende von Volt.
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Bild: Lucas Bäuml

Dabei herrscht an diesem Nachmittag im Sitzungssaal zunächst ein munteres Hallo. Ein bisschen ist es so wie am ersten Schultag nach den Ferien, wenn sich Freunde wiedersehen und die Neuen beschnuppert werden. Coronakonforme Ellbogenchecks, angeregte Gespräche in kleinen Grüppchen. Es ist Zeit zum Netzwerken, auch wenn sich manche, vermutlich die Neuen, durch die Reihen drücken, als wüssten sie noch nicht, mit wem sie sprechen sollen. Dann ertönt der Gong, wie zum Ende der großen Pause.

Plötzlich sieht die Versammlung wie ein Impfzentrum aus

Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) eröffnet die Sitzung. „Wir werden unsere Heimatstadt nach diesem Sommer kraftvoll wieder aufbauen“, sagt er im Hinblick auf die Härten der Corona-Pandemie. Als er danach ein paar politische Ziele aufzählt und kostenlose Eintritte in städtische Einrichtungen anpreist, ruft er den ersten Zwischenruf dieser Wahlperiode auf den Plan, wenig überraschend von Ökolinx-Urgestein Manfred Zieran: „Was soll diese Lobhudelei?“ Die Worte von Alterspräsidentin Christiane Loizides, die nach Feldmann bis zur Wahl der neuen Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner-Gölbasi die Sitzung leitet, finden in der Folge schon reichlich Beispielfälle – auch wenn die Stimmung noch von Humor geprägt ist: Sie wünsche sich ein faires Miteinander, „gerne im scharfen, aber respektvollen Diskurs“. Und so gehen die munteren, aber wenig scharfen Geplänkel weiter: Wer einen Livestream seiner Reden nicht wolle, müsse dies beantragen, stellt Loizides fest. „Die AfD hat das grundsätzlich beantragt“, ulkt Jutta Ditfurth (Ökolinx). „Das fängt ja schon gut an“, ruft Patrick Schenk von der AfD.

Richtig Stimmung kommt auf, als die Fraktion der Linken eine geheime Wahl der Stadtverordnetenvorsteherin beantragt. Ein regelrechtes Schauspiel beginnt: Die Mitarbeiter des Stadtparlaments holen Wahlkabinen aus Pappe, für jeden Abgeordneten eine, die auf die Tische gestellt werden. Plötzlich sieht die Stadtverordnetenversammlung wie ein kleines Impfzentrum aus, Abgeordnete steigen auf die Pressetribüne, um Fotos zu schießen. Das Wahlergebnis ist eindeutig: Von 81 gültigen Stimmen entfallen 70 Ja-Stimmen auf Arslaner-Gölbasi, die damit gewählt ist. Zu ihren Stellvertretern werden Christoph Rosenbaum (Grüne), Gregor Amman (SPD) und Claudia Korenke (CDU) bestimmt. Weitere Abgeordnete werden ins Präsidium gewählt – die AfD geht mit ihren Vorschlägen leer aus.

Was in bester Stimmung begonnen hat, kippt in der zweiten Hälfte. Die „Fraktion“ um den Satire-Politiker Nico Wehnemann bringt einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung ein, wonach Abgeordnete der Union eine „Ehrenerklärung“ abgeben sollen. Der wohl nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag zielt auf Lobbyismus und Korruptionsvorwürfe und verfehlt vor allem seine Wirkung im Stadtparlament nicht: Nils Kößler, der Fraktionsvorsitzende der CDU, reagiert sauer und hält den Antrag mit Datum 1.4.2021 für einen Aprilscherz. Daraufhin entbrennt eine Debatte, bei der sich zwar keiner auf die Seite von Wehnemann schlägt, aber ein erster Vorgeschmack auf künftige Scharmützel aufkommt. Michael Müller von der Linken kritisiert, dass sich nur Männer zu Wort gemeldet hätten, was mit hämischem Gelächter als „Eigentor“ quittiert wird – klar, auch Müller ist ein männlicher Redner. Annette Rinn von der FDP sagt, zu einer solch „doofen Debatte“ wären wohl nur Männer fähig, während sich Ursula Busch von der SPD vor allem bei den neuen Stadtverordneten für das Niveau entschuldigt.

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