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#Fürs Sprechen anatomisch vereinfacht

„Fürs Sprechen anatomisch vereinfacht

Gesteigerte Fähigkeiten basieren oft auf einem anatomischen Ausbau – doch bei der Evolution der menschlichen Sprachbegabung könnte das Gegenteil der Fall gewesen sein: Eine strukturelle Vereinfachung im Kehlkopf hat dabei möglicherweise eine wichtige Rolle gespielt. Dies schließen Forscher aus der Feststellung, dass Primaten Membranstrukturen an den Stimmlippen besitzen, die dem Menschen fehlen. Diese Elemente verursachen den Untersuchungsergebnissen zufolge bei den Affen eine akustische Instabilität. Der Verlust dieser Strukturen könnte demnach dazu beigetragen haben, dass der Mensch die klaren Laute erzeugen konnte, die für die Sprache charakteristisch sind.

Kein anderes Wesen kann sich so komplex mitteilen wie wir: Die Fähigkeit, über bestimmte Lautfolgen unseren Mitmenschen vielschichtige Informationen zu vermitteln, avancierte zu einem Schlüsselelement des Erfolges unserer Spezies. Schon lange gehen Wissenschaftler deshalb der Frage nach, welche Grundlagen die menschliche Sprachfähigkeit besitzt. Oft stehen dabei die kognitiven Fähigkeiten im Fokus, doch es ist auch bereits bekannt, dass anatomische Anpassungen eine Rolle spielten.

Der Kehlkopf im Visier

Grundsätzlich basiert die menschliche Stimmproduktion auf denselben akustischen und physiologischen Prinzipien wie bei anderen Landwirbeltieren: Ein Luftstrom versetzt die Stimmlippen im Kehlkopf in Schwingung. Man geht allerdings bereits davon aus, dass der vergleichsweise tief sitzende Kehlkopf und Zungensatz beim Menschen mit der Sprachfähigkeit verknüpft sind. Im Rahmen der aktuellen Studie hat das internationale Forscherteam nun die Kehlkopfanatomie bei Primaten noch einmal genauer ins Visier genommen. Dazu haben die Wissenschaftler zunächst die Kehlköpfe von 44 Arten mittels Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT) detailliert untersucht.

Dabei stellten die Forscher fest, dass mit Ausnahme des Menschen alle Primaten bestimmte Strukturelemente im Vokaltrakt aufweisen: Die Stimmlippen sind um zusätzliche Membranstrukturen erweitert. Anschließend beobachteten die Wissenschaftler die Aktivität dieser Elemente während der Lautäußerungen einiger der Primaten. Dabei wurde deutlich, dass sie ein spezielles Schwingungsverhalten aufweisen. Um die akustischen Auswirkungen dieser Vibrationen genauer zu charakterisieren, entwickelte das Team auf der Grundlage der gewonnen Daten schließlich Computermodelle.

Weniger ist mehr

So zeigte sich, dass die Membranstrukturen mit der Entwicklung charakteristischer Merkmale tierischer Stimmen verbunden sind: Sie schwingen unregelmäßig und verursachen dadurch abrupte Frequenzübergänge. „Im Kehlkopf von vokalisierenden Schimpansen und anderen Affen sehen wir aktive Vibrationen dieser Membranen, die laute und instabile schreiähnliche Rufe verursachen“, sagt Seniorautor Tecumseh Fitch von der Universität Wien. Der Verlust dieser Strukturen beim Menschen erscheint vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse plausibel, erklären die Wissenschaftler: „Durch die Vermeidung der akustischen Instabilität konnte der Mensch möglicherweise klarere Ausgangslaute hervorbringen, wodurch die Evolution der menschlichen Sprache beschleunigt wurde“, sagt Co-Autor Isao Tokuda von der japanischen Ritsumeikan Universität in Kusatsu.

„Wenn nur dem Menschen diese Strukturen fehlen, die alle anderen Primaten besitzen, liegt nahe, dass wir sie in unserer jüngeren Evolutionsgeschichte verloren haben“, sagt Co-Autor Jacob Dunn von der Anglia Ruskin University in Cambridge. Interessanterweise war die Anpassung an das Sprechen in diesem Fall also nicht von einem Hinzufügen von Merkmalen geprägt, hebt Erstautor Takeshi Nishimura von der Universität Kyoto hervor: „Paradox erscheinender Weise ging die zunehmende Komplexität der menschlichen Kommunikation mit einer Vereinfachung unserer Stimmanatomie einher“. Abschließend betont der Wissenschaftler allerdings: „Natürlich waren auch andere Veränderungen, unter anderem in unseren Gehirnen, notwendig, um die Sprachfähigkeiten auszubauen, aber diese anatomische Vereinfachung steigerte wohl die Genauigkeit, mit der wir uns verständigen können“, so Nishimura.

Quelle: Kyoto University, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abm1574

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