#Gegen Putin gibt es keinen Impfstoff
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„Gegen Putin gibt es keinen Impfstoff“
Kursverluste an den Börsen, stillstehende Bänder in der Autoindustrie, Hamsterkäufe in Supermärkten und Minister, die von einer Krisensitzung zur nächsten eilen: Deutschland erlebt ein Déjà-vu. Wie vor zwei Jahren, als der erste Corona-Lockdown begann, ist die Unsicherheit zurück. Wie lange wird der Krieg in der Ukraine dauern? Wie stark werden die Verbraucher und Unternehmen hierzulande unter den wirtschaftlichen Folgen leiden? Und wie kann die Regierung helfen? Eines ist klar: Die Hoffnung auf Normalität erfüllt sich nicht. Auf eine Krise folgt die nächste.
Eine Rezession droht aus Sicht von Stefan Kooths, Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), noch nicht. „Aktuell ist davon auszugehen, dass die deutsche Wirtschaft trotz der Kriegsfolgen nach dem ruppigen Winterhalbjahr wieder auf einen Erholungskurs einschwenkt“, sagt er. Die Auftragsbücher der Industrie seien voll, die Verbraucher hätten Kaufkraft. Aber die Erholung werde „einen deutlichen Dämpfer“ bekommen, prophezeit er. Und sollte es zu einem Stopp der Energielieferungen aus Russland kommen, sind die Prognosen ohnehin obsolet. Volkswagen-Chef Herbert Diess warnt bereits: Die Folgen des Ukrainekriegs für die Wirtschaft könnten „sehr viel schlimmer“ sein als die der Pandemie. Gegen Corona konnten Forscher immerhin Impfstoffe entwickeln. Aber gegen Putin?
„Russland-Schutzschirm“
Neben den Sanktionen gegen Russland machen den Unternehmen vor allem die gestiegenen Preise für Gas, Öl und Kohle zu schaffen. Auf Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) prasseln gerade viele Forderungen ein. Der Verband für den Güterkraftverkehr warnt vor leeren Supermarktregalen, wenn die Regierung keine Zuschüsse zur Dieselrechnung zahlt. Die Familienunternehmer befürchten Betriebsstilllegungen, weil sich mancherorts die Produktion schlicht nicht mehr rechnet. „Die Unternehmer tragen die Sanktionspolitik der Bundesregierung mit, erwarten aber angesichts der Gaspreiskrise eine ähnliche Liquiditätshilfe wie sie die coronagebeutelten Unternehmen bekommen haben“, so Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée.
Ein Kreditprogramm für Unternehmen mit Liquiditätsengpassen hat Habeck schon angekündigt. Weitere Maßnahmen sind im Gespräch. Die ersten Vorschläge der EU-Kommission für einen neuen Krisen-Beihilferahmen lägen vor, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Freitag. Diese würden jetzt geprüft. Dieter Janecek, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen, bringt eine bekannte Idee ins Spiel: „Gibt es unverschuldete Härten, die für ein Unternehmen existenzbedrohend sind? Dann könnte ein Härtefallfonds helfen.“ Ein solcher wurde auch schon im Zuge der Corona-Pandemie aufgelegt. Von den 1,5 Milliarden Euro ist der Großteil noch da.
Minister Habeck macht in diesen Tagen immer wieder deutlich, dass der Staat nicht alle Verluste ausgleichen kann, Sanktionen keine Entschädigungspflicht nach sich ziehen. Doch nach zwei Jahren Corona, in denen der Bund rund 80 Milliarden Euro an Zuschüssen, 55 Milliarden Euro an Krediten und mehr als 43 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld ausgezahlt hat, ist es nicht leicht, die Erwartungen zu dämpfen. Nach der „Bazooka“ gegen die Corona-Folgen ist in Berlin jetzt von einem „Russland-Schutzschirm“ die Rede. In der Hoffnung, dass der nicht ganz so teuer wird.
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie haben sich, wohl auch wegen der Hilfsprogramme, als weniger schlimm erwiesen, als anfangs befürchtet. Weder kam es zu Massenarbeitslosigkeit noch zu einer Insolvenzwelle. Steffen Müller, Leiter Insolvenzforschung am Institut für Wirtschaftsforschung Halle, gibt jedoch zu bedenken, dass nun im Fall eines insolventen Unternehmens mehr Arbeitsplätze betroffen wären und größere Einkommenseinbußen drohten. Denn jetzt leiden nicht nur Restaurants, Einzelhändler und Veranstalter, sondern die Industrie, die ein Viertel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt.
Noch ruckelt es in der Industrie erst hier und da. Autohersteller müssen wegen fehlender Kabelbäume aus der Ukraine zeitweise die Produktion drosseln. Der Nachschub an Toilettenpapier stockt, weil Zellstoff fehlt. Stahl-, Glas- und Papierhersteller rechnen mit spitzem Stift, ob sich angesichts der hohen Gaspreise die Produktion noch lohnt oder sie mit ihren Kunden nachträglich höhere Preise aushandeln können. Ein Drittel des Gasbedarfs in Deutschland kommt aus der Industrie.
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