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#Geheimnisse eines Auktionshauses

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„Geheimnisse eines Auktionshauses“

Man braucht eine gute Portion kriminalistischen Spürsinns, um solche Randnotizen zu entschlüsseln: In Katalogen dienten sie Auktionshäusern vor Jahrzehnten dazu, Wichtiges für den internen Gebrauch und für Unbefugte unverständlich zu vermerken. Gelingt es, tun sich in den „Handexemplaren“ relevante Informationen für die Kunsthandels- und Sammlungsforschung auf, insbesondere die Provenienzforschung: Namen von Einlieferern und Käufern können ans Licht kommen, Limit-, Schätz- und Zuschlagpreise ebenso wie Rückgänge.

Material dieser Art aus dem von 1887 bis 1937 tätigen Münchner Auktionshaus Hugo Helbing interessiert schon deshalb außerordentlich, weil das Haus, auch über Filialen in Berlin und Frankfurt, als eines der bedeutendsten in Deutschland europaweit agierte – bis die Nationalsozialisten Helbing, der Jude war, Repressalien aussetzten, ihn zur Geschäftsaufgabe zwangen und schließlich seinen Tod verschuldeten. Helbings Geschäftsunterlagen scheinen verschollen, doch glückhaft gelangten mehr als sechshundert seiner annotierten Kataloge an das Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) in München. 2016 schenkte die Kunsthandlung Rudigier einen Schwung, 2021 kam ein weiteres Konvolut hinzu, das im Keller des Auktionshauses Karl & Faber aufgefunden und einem Helbing-Erben ausgehändigt wurde. Dieser überließ es dem ZI als Dauerleihgabe. Einschließlich weiterer Bestände in der Schweiz konnten im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG insgesamt 1064 von Helbing selbst oder von seinen Mitarbeitern mit den wertvollen, einst dem hauseigenen Gebrauch vorbehaltenen Notizen gefüllte Handexemplare von der Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert und unter „German Sales“ auf der Plattform „arthistoricum“ online gestellt werden. Dort sind sie allgemein zugänglich.

Aufnahme aus dem Jahr 1902: Geschäftshaus der Firma Hugo Helbing in München


Aufnahme aus dem Jahr 1902: Geschäftshaus der Firma Hugo Helbing in München
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Bild: Zentralinstitut für Kunstgeschichte

Doch ohne die von Theresa Sepp am ZI geleistete wissenschaftliche Erschließung käme man nicht weit. Was die Projektleiterin herausfand, kann sich sehen lassen, und das Entziffern der verschiedenen Sütterlin-Handschriften war dabei die kleinste Herausforderung. Denn selten steht alles so schön beieinander wie im Protokollkatalog einer der bedeutendsten Versteigerungen des Auktionshauses, der Sammlung des Industriellen und Mäzens Oscar Huldschinsky. Helbing veranstaltete sie mit seinem Berliner Geschäftspartner Paul Cassirer 1928 im Marmorsaal des Hotels Esplanade: ein gesellschaftliches Ereignis und eine Fundgrube für die internationale Kunstkäufer-Elite. Häuser wie das Amsterdamer Rijksmuseum kauften Alte Meister, namhafte Händler wie Colnaghi aus London oder Knoedler aus New York boten mit. Die Duveen Brothers ersteigerten ein Hendrickje-Stoffels-Bildnis von Rembrandt für 570.000 Reichsmark, und der berühmte Sammler Albert C. Barnes aus Philadelphia nutzte die Gelegenheit, nicht nur ein Frauenbildnis von Bernhard Strigel zu erwerben.

Dass in einigen der annotierten Kataloge Namenseinträgen auch Vornamen und Wohnorte beigestellt sind, kann bei der Fahndung nach in der NS-Zeit verfolgungsbedingt veräußerten Objekten helfen. Die digitale Zusammenführung von mehreren Exemplaren des gleichen Auktionskatalogs, die verschiedene Personen auf unterschiedliche Art annotierten, machte „Zusammenhänge erkennbar und Rätsel lösbar“, schreibt Theresa Sepp in einem Blogbeitrag über den kuriosesten Code, den sie knacken konnte.

Erschlossen für die Forschung: Handexemplare des Auktionshauses Helbing


Erschlossen für die Forschung: Handexemplare des Auktionshauses Helbing
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Bild: Florian Schröter, Zentralinstitut für Kunstgeschichte

Immer wieder fielen der Wissenschaftlerin Buchstabenkombinationen auf, die zwar als Verschlüsselung von Limitpreisen erkannt waren, aber erst durch Katalogexemplare mit an gleicher Stelle stehenden Ziffern lesbar wurden. R steht für die 1, ein i für die 2 – schließlich ergibt sich stellvertretend für neun Ziffern das Wort „Rindskopf“, ergänzt durch H für 0 und HE für zwei Nullen. Die Forscherin vermutet, Helbing habe bei der Erfindung dieses Codes an Aleph gedacht, den ersten Buchstaben im hebräischen Alphabet, der einem stilisierten Rindskopf gleicht. Warum Helbing überhaupt Limitpreise codierte, ist freilich noch unklar. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Kataloge könnte noch weitergetrieben, die Suchfunktionen zu 350.000 Losnummern ausgebaut werden. Für ein Jahr Forschung stand das Geld zur Verfügung, der Antrag auf Verlängerung ist schon gestellt.

Nicht nur für die Provenienzforschung sind die digitalisierten Handexemplare bedeutsam. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch ökonomische Fragestellungen verfolgen, etwa die Entwicklung des Marktwerts von Künstlern oder Sparten. Man kann für Werkverzeichnisse recherchieren oder vieles über Kunsthandelsnetzwerke herausfinden, auch über Strategien des Betriebs von Hugo Helbing. Auf einem Onlinekolloquium zum Thema beleuchtete die Kunsthistorikerin Anna-Lena Lang kürzlich „Kooperation und Konkurrenz“ der Geschäftspartner Hugo Helbing und Julius Böhler, wobei dieser in den letzten Jahren der Firma eine zwielichtige Rolle spielte. Was die Kataloge über den Judaica-Spezialisten Theodor Harburger aussagen, dem das Jüdische Museum in München demnächst eine Ausstellung widmet, erläuterte dessen Direktor Bernhard Purin. Und der Archäologe Georg Gerleigner führte aus, wie er zahlreiche Stücke der Erlanger Antikensammlung der bislang unbekannten, unter NS-Druck verkauften Sammlung Georg Dehn zuordnen konnte. Solche Beispiele aus der Forschung unterstreichen die Bedeutung der über Jahrzehnte kaum beachteten Quellen, deren Erschließung noch für manche Überraschungen sorgen dürfte.

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