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#Gesera, das heißt Verhängnis

Gesera, das heißt Verhängnis

Die zeitliche Lücke zwischen zwei Corona-Lockdowns hat das Jüdische Museum in Wien dazu genutzt, eine neugestaltete Ausstellung an einem ganz besonderen Ort zu zeigen. Ihr Herzstück sind die Fundamente einer mittelalterlichen Synagoge. Sie war Zentrum der ersten jüdischen Gemeinde in der damaligen Residenzstadt des österreichischen Herzogtums. Vor 600 Jahren wurde das Haus zerstört und die Gemeinde ausgelöscht: teils durch Zwangstaufen, teils durch Vertreibung, schließlich auch durch die obrigkeitlich angeordnete Ermordung ihrer Mitglieder.

Stephan Löwenstein

Es war eine bedeutende Gemeinde im deutschsprachigen Raum, berichten die Kuratorinnen Astrid Peterle und Adina Seeger. Rabbiner lehrten hier, deren Texte noch heute als theologisch relevant gelten. Der Prozess der Auslöschung, der sich über mehr als ein Jahr hinzog, wird nach einem Begriff benannt, der in einer frühneuzeitlichen jiddischen Chronik jener Ereignisse gebraucht wurde: Gesera, das heißt Verhängnis.

Hell angestrahlt in einem kühlen, dunklen, betongefassten unterirdischen Schauraum, zeigen Mauerreste die Umrisse eines Teils des einstigen gotischen Gebäudes. Ein erstaunlich gut erhaltener Fliesenboden gehörte zu dem einem Seitenschiff gleichenden Raum, der Frauen vorbehalten war. In der Mitte steht das Fundament der Bima; der Vorleseplatz ist das Zentrum jeder Synagoge. Die teils gelblichen, teils rötlichen Ziegel stammen aus unterschiedlichen Epochen: Beim Bau der Synagoge wurde auch Material aus der Römerzeit verwendet. Sogar ein Ofen aus der einst hier stehenden Kaserne des Römerlagers Vindobona ist zu erkennen. „Ein Pizzaofen“, scherzt Peterle.

Ein Schlüssel, der in den Überresten der Synagoge gefunden wurde. Welche Tür er öffnet, ist ungewiss.



Bilderstrecke



Jüdisches Museum in Wien
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Ausstellung „Unser Mittelalter“

Das Wissen darüber, dass es im Mittelalter schon eine jüdische Gemeinde gegeben hatte, war die längste Zeit weitgehend verschüttet – ebenso verschüttet wie die Fundamente der Synagoge. Auf sie war man erst in den neunziger Jahren gestoßen, als am Judenplatz Baumaßnahmen stattfanden. Einem hellwachen Vorarbeiter namens Vladu sei das zu verdanken gewesen, der den Eckstein bemerkte und die Bagger stoppte, erzählt Peterle. „Sonst wäre er mit der Baggerschaufel durchgefahren, und alles wäre weg gewesen.“

Schon die Bauarbeiten hatten eine im Doppelsinn historische Bedeutung, denn sie galten einem Mahnmal für die österreichischen Opfer der Schoa, das heute dort steht: ein mausoleumsartiger, aber geschlossener Kubus. Das Denkmal war hochumstritten. Filmaufnahmen von Anwohnerprotesten mit teils gestrigen Argumenten sind in der Ausstellung zu sehen; nach dem Fund der Fundamente gab es aber auch Komplikationen mit Religionsgelehrten und einigen Mitgliedern der Gemeinde: Sie wollten kein Mahnmal über der Synagoge und schon gar nicht über der Bima. So wurde der Bau versetzt dazu errichtet, während die alten Fundamente um anderthalb Meter abgesenkt wurden, damit sie unterirdisch begehbar würden.

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