#Ein neuer Konflikt mit Frankreich
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Robert Habeck hat ein neues Thema für sich entdeckt: Der Bundeswirtschaftsminister will die zivile nukleare Zusammenarbeit mit Russland sanktionieren. Es müsse jetzt ein „konkretes Enddatum für die Bestellung von Uran“ geben, forderte er nach seinem Besuch in Kiew Anfang des Monats. Am Wochenende legte er nach. Die Bundesregierung habe sich „jetzt gegenüber der Europäischen Kommission für eine Einbeziehung auch des zivilen Nuklearsektors ausgesprochen“, sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur. „Das sollte Bestandteil des nächsten Sanktionspakets sein.“
Flankiert wurde sein Vorstoß von einer Tweet-Kaskade, die sein Staatssekretär Sven Giegold, ebenfalls von den Grünen, absetzte. „Es ist ein schwerer Fehler, die russische Kriegskasse zwar bei Öl und Gas zu beschränken, aber ausgerechnet im Bereich der Atomenergie das Geld weiter sprudeln zu lassen“, ließ Giegold wissen, der im Ministerium seit einiger Zeit für Wirtschaftssanktionen verantwortlich ist.
Tatsächlich setzt sich die Bundesregierung schon seit einem Jahr in Brüssel dafür ein, dass auch die Lieferung von Brennelementen und von Kernkrafttechnik per EU-Beschluss verboten wird. Seit Mai 2022, als es um das sechste Sanktionspaket ging, stand das Thema immer wieder auf der Tagesordnung der EU-Botschafter. Anfangs wurde Deutschland dabei nur von Österreich unterstützt, wo die Grünen ebenfalls mitregieren. Später legten auch Polen und die baltischen Staaten dazu Papiere vor. Einen konkreten Vorschlag hat die EU-Kommission, bei der die Initiative liegt, dennoch nie gemacht – zu groß war der politische Widerstand dagegen.
„Geschäfte mit Putin sollten beendet werden“
Offensichtlich sind die Interessen jener fünf Staaten, deren Atomkraftwerke noch aus sowjetischer Zeit stammen und die ihre Brennstäbe vertragsgemäß aus Russland beziehen, vom Staatskonzern Rosatom: Bulgarien, Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn. In der Regel sind damit auch Wartungsverträge verbunden. Vier dieser Staaten haben ihren Willen bekundet, diese Abhängigkeit von Russland zu vermindern. Sie wollen ihren Brennstoff schrittweise von anderen Lieferanten beziehen. Hier bietet sich vor allem der amerikanische Konzern Westinghouse an. Ein Staat will dagegen seine Kooperation mit Rosatom sogar noch vertiefen. Ungarn hat ein Rahmenabkommen mit Rosatom geschlossen, um den Reaktor in Paks um zwei Blöcke zu erweitern. Außenminister Péter Szijjártó war gerade in Moskau, um diese Partnerschaft zu bekräftigen. Mit dem Bau solle so schnell wie möglich begonnen werden, sagte er.
Es gibt aber noch ein weiteres Land, das in dieser Debatte eine zentrale Rolle spielt, sich in Brüssel aber gern hinter den genannten Ländern versteckt. Giegold hat es jetzt beim Namen genannt: „Frankreich und andere Staaten werden wir versuchen, mit Übergangsfristen zu überzeugen.“ Die französische Atomindustrie arbeitet eng mit Russland zusammen, der Konzern Framatome und Rosatom vereinbarten im Dezember 2021 eine strategische Langzeitpartnerschaft. Das war kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, das Abkommen wurde danach nie gekündigt. Eine Zeit lang hieß es in Paris, die Kooperation liege auf Eis. Doch inzwischen trägt sie Früchte, und eine davon bereitet gerade der Bundesregierung große Kopfschmerzen.
So will Framatome in seiner Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen künftig sechseckige Brennstäbe für sowjetische Atommeiler in Osteuropa herstellen – und zwar unter russischer Beteiligung. Eine Tochter von Rosatom, TVEL, soll nach Medienberichten mit 25 Prozent an dem Unternehmen beteiligt sein. Für beide Seiten wäre es ein gutes Geschäft: Die Russen zementieren ihre Marktposition, und die seit Jahren schlecht ausgelastete, defizitäre Fabrik in Lingen erschließt sich einen größeren Markt. Die niedersächsischen Grünen laufen allerdings dagegen Sturm. „Geschäfte mit Putin sollten beendet werden, das gilt auch und gerade für den Atombereich“, forderte ihr Umweltminister Christian Meyer Ende März. Die Zusammenarbeit durch direkte oder indirekte Beteiligungen Russlands zu verfestigen sei angesichts von Putins brutalem Energiekrieg gegen Europa fatal. Meyer ist in einer unbequemen Lage: Er muss die Umstellung der Fertigung atomrechtlich genehmigen, hat angesichts des geltenden Rechts aber kaum Spielraum für eine Ablehnung.
Politisch lässt sich der Zusammenhang nicht übersehen
Das würde erklären, warum Habeck und Giegold nun öffentlich den Druck erhöhen, um den Export russischer Brennelemente auf dem Umweg über Brüssel zu stoppen. Zwar wird diese Deutung im Wirtschaftsministerium zurückgewiesen. Es gehe nur darum, eine Sanktionslücke zu schließen, heißt es dort. Außerdem sei man für die Genehmigung in Niedersachsen gar nicht zuständig. Das ist aber nur die formale Seite. Politisch lässt sich der Zusammenhang nicht übersehen, zumal Giegold von sich aus auf Frankreich zeigte. Und natürlich müsste Habeck am Ende der Öffentlichkeit erklären, wieso ausgerechnet in Deutschland mit russischer Hilfe Brennstäbe produziert werden.
Ob der Vorstoß Wirkung entfaltet, hängt jetzt von der EU-Kommission ab. Wann sie ihren Vorschlag für das elfte Sanktionspaket gegen Russland präsentiert, ist ungewiss; noch laufen die Vorarbeiten. Bisher hat sich Brüssel bei der Kernenergie an Frankreichs Seite gestellt, wie sich bei der Initiative zur Taxonomie zeigte: Investitionen in Kernkraftwerke dürfen als klimafreundlich eingestuft werden.
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