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#Gewänder aus Punk und Seelengischt

Gewänder aus Punk und Seelengischt

Schon als Kind wird sie auf den Abfall geworfen, zwischen Tüll und Müll, krabbelt aber entschlossen raus. Als Erwachsene muss sie dann die Fliesen in Londons schönstem Modehaus putzen und sich von einem Manager mit Ilja-Richter-Frisur auf die Hand im grünen Gummihandschuh treten lassen. Estella heißt sie, in ihr aber wohnt eine Stärkere namens Cruella. Was die will? Schwarze Plateaulackstiefel, goldene Krawatten und ein weißes Cape aus Seufzern. Die Sterne, zu denen sie aus dem Dreck aufschaut, heißen Mary Quant und Coco Chanel. In Craig Gillespies Film „Cruella“ erzählt sie ihre Geschichte selbst und lässt auch die Geburt ihrer Kunst aus dem Geist der Kleinkriminalität nicht schamhaft weg: „I designed fabulous disguises.“

Denn Verkleidungen für Einbrüche und Diebstähle (von Herzen, Blicken etc.) sind die Urmuster all der Op-Art-Pullover in Übergröße, bissigen Lederwaren, zerrissenen Paisleyjacken und Abendkleider mit Korallenkragen, derentwegen Leute unterm Laufsteg so gern in Ohnmacht sinken. Es geht in „Cruella“ aber um mehr: Kleider als Wellenrauschen der Seele, Gischt auf dem Ozean der Emotionen. Mit der Spirituosenkaraffe in der Hand schlurft also die übermüdete Putzfrau Estella eines Nachts durch das von der Kamera bis dahin winkelweise durchgeröntgte Modehaus und vernichtet, das heißt: gestaltet als Cruella ein Schaufenster, das Stilgeschichte (kaputt)macht. Auftritt: die Baroness, gespielt von Emma Thompson, die, ganz Designdrache, auf die Szene rauscht und sich das verrückte Kind schnappt, um es mit ihrem Gift zu nähren. Der Rest des Films ist ein höllisches Duell der zwei Emmas, Atridentragödie und Muttermordwitz in einem. Die Alte ritzt der Jungen mit dem Schneidermesser den Arm und zeigt ihrem Stab das Blut: So müsst ihr Farben wählen!

Die Figur Cruella de Vil hat die Kinogeschichte vor sechzig Jahren betreten, als der Riesenschmetterling „Popkultur“ noch eine jazzversessene Beatnik-Raupe oder ein rumpelnder Rock-’n’-Roll-Kokon war. Im Disney-Trickfilm „101 Dalmatiner“ zieht Cruella die Selbstdarstellung („Ich will einen weißen Pelzmantel mit schwarzen Punkten“) der Moral („Du sollst keine süßen Welpen abmurksen“) vor und wird so Avantgarde einer konsumhedonistischen Jugend- und Massenkultur, die vor allem durchs Fernsehen weltweit durchgesetzt werden sollte (der Kasten spielt im Film eine tückische Rolle, seine Charaktere glotzen schon so gern wie später die Simpsons). Der offene Zeichenstrich des Werks hat mehr mit „New Yorker“-Cartoons zu tun als mit Disney-Klassik; Disneys bester Mann Ub Iwerks bekam mit Recht einen Technik-Oscar für das Animationsverfahren, das Cruella und ihr Begleitpersonal in die Welt warf.

Auch die Dalmatiner fehlen nicht: Cruella (Emma Stone) mit ihren Handlangern (links Paul Walter Hauser, rechts Joel Fry)


Auch die Dalmatiner fehlen nicht: Cruella (Emma Stone) mit ihren Handlangern (links Paul Walter Hauser, rechts Joel Fry)
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Bild: AP

Sieht man ihrer Cartoonversion zu, wie sie Zigarettenasche in anderer Leute Tee und Törtchen klopft, mag man sie für eine Vorbotin von Punk halten, aber das wäre ein Schubladenfehler. Denn die Hexe, die da Eheglück, Stubenwärme und Haustierhaltung bedroht, hat Punk schon 1961 hinter sich, als wüsste sie, dass nur wieder eine Massenmarkenschablone dabei rauskommen muss. So steht sie näher bei Post-Punk als bei Proto-Punk, eher in der Londoner Batcave-Welt bei Siouxsie Sioux und den Lords of the New Church als bei den Slits oder Iggy Pop.

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