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#Was die Einigung mit Brüssel für Johnson bedeutet

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Was die Einigung mit Brüssel für Johnson bedeutet

„The Deal is done“ twitterte Boris Johnson am Donnerstagnachmittag und veröffentlichte ein Foto, auf dem er in der Downing Street die Arme in die Höhe reißt. Mit dem Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Europäischen Union findet für den britischen Premierminister ein unruhiges und durchwachsenes Jahr einen glücklichen Abschluss.

Jochen Buchsteiner

Die Pandemie hatte Johnson in den vergangenen zehn Monaten innenpolitisch noch mehr gefordert als die Verhandlungen mit der Europäischen Union über die künftigen Beziehungen, aber ein „No-Deal“-Ergebnis hätte die Kritik an Johnson verstärkt. Schon deswegen war er allen Unkenrufen zum Trotz an einem Abkommen interessiert.

In einer Pressekonferenz würdigte Johnson das Abkommen als „guten Deal für ganz Europa“. Es sei keine schlechte Sache für Europa, wenn das Königreich fortan „Dinge anders macht“. Wettbewerb in der Regelsetzung wirke stimulierend, sodass beide Seiten davon profitieren könnten. An die Europäische Union gewandt sagte er: „Dieser Deal gibt uns eine neue Stabilität und Sicherheit in einer Beziehung, die manchmal brüchig und schwierig war. Wir werden Ihr Freund bleiben, Ihr Verbündeter, Ihr Unterstützer, und, nicht zu vergessen, Ihr größter Markt.“

Auch wenn Großbritannien die Europäische Union verlassen habe, bleibe es „kulturell, emotional, strategisch und geologisch mit Europa verbunden“, sagte er und erwähnte die etwa vier Millionen EU-Bürger, die im Königreich leben und einen „großartigen Beitrag“ leisteten.

Von Seiten mancher Erz-Brexiteers war Johnson bei jeder Gelegenheit eingeflüstert worden, dass der Moment für einen messerscharfen Schnitt mit der EU, also ein Abschied ohne Vertrag, günstig sei wie nie. Die erwartbaren Disruptionen würden von den wirtschaftlich bedeutsameren Folgen der Pandemie zugedeckt werden oder sich aber zudecken lassen können, lautete ein Argument. Dafür winke größere Freiheit und mehr nationale „Souveränität“.

Aber Johnson ist kein Radikaler und auch nicht engstirnig. Er sah stets auch die politische Dimension der Verhandlungen. Ein Scheitern hätte die Beziehungen zur Europäischen Union womöglich in umfassender Weise zurückgeworfen. Das waren keine erfreulichen Aussichten für einen Politiker, der grundsätzlich an internationale Zusammenarbeit (von Regierungen) glaubt, von der Sicherheitspolitik bis zum Klimaschutz.

Die Rolle Macrons

Am Ende war selbst unter deutschen Außenpolitikern die Frage zu hören gewesen, ob nicht Johnson, sondern Emmanuel Macron das schwerste Hindernis für eine Einigung sei. Der unter großem innenpolitischen Druck stehende französische Präsident hatte die Latte in entscheidenden Augenblicken oft ein Stück höher gehängt.

Seine jüngste Entscheidung, wegen der „britischen“ Coronavirus-Variante die Kanal-Grenze zum Königreich zu schließen, wurde in London als politische Drohgebärde verstanden. Aber Johnson ließ sich nicht provozieren, und auch seine Minister behielten einen diplomatischen Ton bei. Rechtzeitig vor Weihnachten wurde auch hier ein Kompromiss gefunden, und Paris öffnete die Grenze wieder.

Modisches Statement: Premier Johnson trägt bei der Verkündung seines Brexit-Handelspakts mit der EU eine Fischkrawatte. Die Fischerei war der am härtesten umstrittene Verhandlungspunkt.


Modisches Statement: Premier Johnson trägt bei der Verkündung seines Brexit-Handelspakts mit der EU eine Fischkrawatte. Die Fischerei war der am härtesten umstrittene Verhandlungspunkt.
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Bild: dpa

Johnson kann nun damit rechnen, dass das Abkommen zwischen den Jahren, vermutlich am Mittwoch, vom Parlament abgesegnet und kurz darauf von Königin Elisabeth II. ratifiziert wird. Anders als seine Vorgängerin Theresa May verfügt Johnson über eine stattliche Mehrheit im Unterhaus. Möglicherweise wird sogar die Labour Party unter ihrem neuen Vorsitzenden Keir Starmer dem Deal zustimmen.

Die oft rebellischen Erz-Brexiteers haben nicht alles erreicht, aber unter dem Strich einen Austritt bekommen, den sie noch vor wenigen Jahren nicht zu erträumen gewagt hätten. Einige werden trotzdem murren, aber selbst Nigel Farage, den manche als „Vater des Brexit“ bezeichnen, sprach am Heiligabend vom „Ende des Krieges“. Der Deal sei „nicht perfekt“, aber Johnson habe Wort gehalten, sagte der Chef der „Brexit Party“, die sich jetzt auch „Reform Party“ nennt.

Damit schließt sich ein Kreis. Johnson, der 2016 die Kampagne für das Brexit-Votum angeführt hatte, brachte – nach vielen Zwischenschritten und Verwerfungen – im Oktober 2019 den Austritt über die Bühne und nun auch den Handels- und Zukunftsvertrag. Ob sich der Brexit damit als „abgeschlossen“ bezeichnen lässt, ist eine Frage des politischen Standpunkts. In vielen Angelegenheiten, nicht zuletzt in der Fischereifrage, dürfte weiter- wenn nicht dauerverhandelt werden, was aus Sicht der Brexit-Gegner die Unendlichkeit eines unsinnigen Prozesses demonstriert.

Aus Sicht der Regierung sind das nun normale Gespräche, die eine souveräne Nation auch mit anderen Ländern führen muss. Ob sich unmittelbar aus dem Vertrag neue Streitpunkte ergeben, so wie es beim Austrittsabkommen im Blick auf das Nordirland-Protokoll der Fall war, wird wohl erst klar werden, wenn die Details des Textes bekannt sind und von den Abgeordneten verdaut wurden.

Auch mit diesem Abkommen werden vom 1. Januar an Folgen des Brexit spürbar werden. Die neuen Handelsformalitäten dürften zu Beginn des Jahres zu Störungen an den Grenzen führen, viele Unternehmen und Dienstleister stehen vor Problemen, die sie bisher nicht kannten.

Der bisher freie Personenverkehr zwischen der EU und Großbritannien wird eingeschränkt; wer länger als drei Monate auf dem jeweils anderen Territorium bleiben will, braucht ein Visum. Sollte in den kommenden Wochen und Monaten Katerstimmung im Königreich aufkommen, wird Johnson alles versuchen, diese mit dem ihm eigenen Optimismus niederzuringen. Vermutlich werden die Briten aber noch eine ganze Weile so im Bann der Corona-Dramatik stehen, dass viele Veränderungen zunächst kaum wahrgenommen werden.

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