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#Gulasch und Glück

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„Gulasch und Glück“

Anke Engelke sitzt in der Badewanne, Schaum bis zum Kinn, und shampooniert sich die Haare. Als sie das Wasser wieder abstellt, blickt sie knapp an der Kamera vorbei: „Ich war absolut frigide.“ Diese Beichte spricht nicht die Schauspielerin, sondern einer Frau Anfang siebzig. Engelke gibt deren Stimme einen seltsam asynchronen, aber dann doch wieder komplett zum Ton passenden Körper und dem Gesagten ein Gesicht, bewegt die Lippen in perfekter Synchronisation und beherrscht selbst jedes „Ähm“, das sich in den Redefluss schleicht, wenn das Erinnern stockt und die Ereignisse dramatischer werden.

Acht Frauen erzählen von ihren Kindern, der Suche nach Liebe, von Abtreibung, den Kompromissen in ihren Partnerschaften, von Affären, Geburtsschmerzen und -glück. Die Wahrheiten sind hart, die Geständnisse von brutaler Ehrlichkeit. „Mein Kinderwunsch war zeitweise größer als die Liebe zu meinem Mann“, sagt eine. „Als sie mir mein Kind einen Tag nach der Geburt ans Bett gebracht haben, dachte ich: Nun weiß ich, warum sie’s mir vorenthalten haben, das ist ja eine Missgeburt, die hat gar keine Wimpern“, gesteht eine andere. „Der Alltag frisst am meisten Energie. Ich muss mit meinem Sohn eine Stunde diskutieren, bis er die Hausaufgaben macht. Manchmal muss ich aus dem Zimmer gehen, damit ich nicht handgreiflich werde“, erklärt die nächste. Sie alle sagen Dinge, die Frauen sonst nur beim dritten Glas Wein der besten Freundin erzählen würden.

Regisseurin Carolin Schmitz gestaltet aus diesen acht Lebensgeschichten ein Panorama über Mutterschaft. Ihre Idee, die Geschichten zu anonymisieren und durch die Gestalt der Schauspielerin Anke Engelke zu filtern, ist genial. Erhebt es die Einzelschicksale doch aus dem Anekdotischen und fügt sie zu einer repräsentativen, wenn auch fiktiven Frauenfigur neu zusammen.

In ihrer Sketch-Sendung „Ladykracher“ hatte Engelke acht Staffeln lang ihr Talent für die perfekte, pointierte Nachahmung unterschiedlicher Stimmen und Charaktere bewiesen. Hier nun hebt sie dieses Können auf die nächste Stufe. Wir sehen sie bei Alltagsbeschäftigungen: Sie legt Wäsche zusammen, säubert das Gehege zweier Schlappohrkaninchen, geht Einkaufen – auch das alles ein unterschwelliger, elegant eingefügter Kommentar zu den schier endlosen Aufgaben der Hausarbeit, die Frauen neben Beruf und Familie zu erledigen haben. Während all dieser Handlungen verwaltet die Schauspielerin wie im Selbstgespräch die Erzählungen der Frauen. Die Geschichten wechseln sich ab, setzen sich nach und nach zu Lebenswegen und -entscheidungen zusammen, repräsentativ für mehrere Generationen. Lakonisch gibt Engelke diese Monologe wieder, kommentierend garniert maximal mit einer hochgezogenen Augenbraue, etwa wenn eine der Originalstimmen davon berichtet, wie sie das Hobby ihres Mannes bedingungslos unterstützte und für dessen Segelfliegerbegeisterung ihre Wochenenden opferte.

Und natürlich wäre Engelke nicht die Komikerin, die sie ist (und der man sogar zusehen will, wenn sie über den Inhalt ihrer Handtasche spricht), wenn sie nicht auch hier ein wenig Slapstick einbauen würde. Dem Gulasch, der in der Kantine vom Löffel auf die Bluse kullert, oder dem Kronenleuchter, der zum falschen Zeitpunkt bei einer Theaterprobe hinter der Schauspielerin zu Boden geht, ringt Engelkes Gesichtsausdruck die Absurdität des Alltags ab. Und so funktioniert, was fast unmöglich scheint: „Mutter“ wird zu einem klugen Film über das Frausein, der Einzelschicksale verdichtet und im Zwischenreich von Dokumentarischem und Fiktion Wahrheiten findet.

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