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#Hält biofidel den Kopf hin

Hält biofidel den Kopf hin

Vor einem halben Jahrhundert meldete das Statistische Bundesamt einen traurigen Rekord: 21 332 Verkehrsteilnehmer hatten 1971 bei Unfällen ihr Leben verloren. Im Jahr 2020 war diese Zahl um rund 87 Prozent auf 2 719 Todesopfer gesunken, für das vergangene Jahr wird ein Rückgang auf rund 2500 erwartet. Niemals zuvor wurden weniger Todesopfer gemeldet, obwohl sich in diesen fünf Jahrzehnten der Fahrzeugbestand weit mehr als verdreifacht hat und die durchschnittliche Jahresfahrleistung gestiegen ist.

Einen kleinen Teil zu dieser positiven Entwicklung mag die Pandemie beigetragen haben, die Hauptursachen liegen woanders. Sie reichen vom Ausbau des Rettungsdienstnetzes bis zur Optimierung der Fahrzeugsicherheit. Wesentlichen Anteil haben nicht zuletzt jene mit Elektronik vollgestopften Statisten, die in Crashtests stellvertretend für den Mensch ihr virtuelles Leben riskieren: die Dummys.

Deren Großfamilie bekam vor einiger Zeit Zuwachs durch den biofidelen Dummy. Der ist nicht etwa, wie sein Name suggerieren könnte, ein besonders froh gelauntes Exemplar, sondern zeichnet sich durch engere Verwandtschaft zum menschlichen Original aus. „Biofidelität bedeutet, dass der Dummy dem menschlichen Vorbild so nahe wie möglich kommt. Dann erhält man beim Crashtest nicht nur realistischere Bewegungsabläufe, sondern kann auch aus dem Schadensbild genauere Rückschlüsse auf die Verletzungswahrscheinlichkeit beim Menschen ziehen“, sagt Peter Schimmelpfennig, geschäftsführender Gesellschafter von CTS. Das Unternehmen betreibt in Münster ein Crashtestzentrum. In der dazugehörigen Manufaktur wird der Biofidel-Dummy gefertigt. Die Einsatzgebiete für die humanoide Versuchspuppe sind vielfältig. Gebraucht wird sie in der Unfallrekonstruktion und als Übungsobjekt für Rettungsdienste, für Sprengtests, zur Überprüfung von Freizeitparkgeräten oder bei Validierungsversuchen für autonomes Fahren. Dem Beschussamt in Ulm dient sie als Chauffeur oder Fahrgast gepanzerter Limousinen, um deren Schutzwirkung zu ermitteln.

Entwickelt und über die Jahre optimiert hat den Dummy der forensische Sachverständige für Verkehrsunfälle Michael Weyde aus Berlin in Zusammenarbeit mit der Dresdener Hochschule für Technik und Wirtschaft. „Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass bei simulierten Fahrzeug-Fußgänger-Kollisionen die im Crashtest aufgetretenen Schäden unrealistisch waren, weil die üblichen Dummys mit ihrem Stahl- oder Aluminium-Skelett einfach zu steif waren“, berichtet der Unfallforscher. Schon in Prototypen setzte Weyde deshalb statt Stahl, Aluminium oder Kunststoffen solche Materialien ein, die in ihren physikalischen Eigenschaften bestmöglich den realen „Bauteilen“ des menschlichen Körpers entsprachen. Knochen aus Epoxidharz und Aluminiumpulver entsprechen in Dichte, Struktur und Bruchfestigkeit weitgehend dem menschlichen Pendant, ebenso wie Bänder und Sehnen aus Polypropylen oder Weichteilgewebe aus Silikon und Acryl.

Im Gegensatz zu konventionellen Versuchspuppen, die Männer, Frauen und Kinder in unterschiedlichen Größen- und Gewichtsklassen darstellen, gibt es die biofidele Version derzeit nur im Standardformat: 1,78 Meter groß und 78 Kilogramm schwer. Damit repräsentiert sie den europäischen 50-Prozent-Mann: Statistisch liegt die eine Hälfte unterhalb dieser Werte, die andere darüber. Ein biofideler Dummy mit Nachnamen Primus kann sogar unmittelbar nach dem Crashtest im CTS-Labor geröntgt werden. Dabei werden Schäden an Knochen und Gewebeteilen sichtbar, die detaillierte Rückschlüsse auf den jeweiligen Verletzungsgrad erlauben. So wird der humanoide Zwilling seinem menschlichen Bruder immer ähnlicher. Einen Impfpass besitzt Primus allerdings (noch) nicht.

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