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#Vergewaltigt, stranguliert, die Leiche beseitigt

Vergewaltigt, stranguliert, die Leiche beseitigt

Wörter können verschleiern und beschönigen, Opfer erniedrigen und Täter entschuldigen. Dass man sie in enger Verbindung zur bezeichneten Sache verwenden sollte, wusste schon Konfuzius. Auch schon seit langem versuchen Frauenrechtsinitiativen, für Begriffe mit juristischem Anschein, die Wirklichkeit verfälschen, zu sensibilisieren. „Ehrenmord“ ist ein solches Wort, „Beziehungstat“ ein weiteres. Beides bezeichnet Gewalttaten und Tötung von Mädchen und Frauen durch Männer, die sich ein Recht über das Leben ihrer Opfer anmaßen. Für solche Taten aus Frauenhass hat sich die Bezeichnung Femizid eingebürgert. In Großbritannien ist das Strafgesetz eigentlich besonders fortschrittlich, was Taten gegen die weibliche Selbstbestimmung anbetrifft. In den Katalog der Kriterien „häuslicher Gewalt“ etwa wurde sogar der Straftatbestand des „financial abuse“ (finanzieller Missbrauch) eingeführt.

Im Fall von Banaz Mahmod hat nicht nur die fortschrittliche britische Rechtsprechung zur häuslichen Gewalt, sondern das gesamte System gleich mehrfach versagt. Nicht nur einmal, gleich fünfmal war die zwanzigjährige Kurdin bei der Polizei und im Krankenhaus vorstellig geworden. Sie wurde stets abgewiesen, nicht ernst genommen, für verrückt und betrunken gehalten. Die Metropolitan Police hatte sich für nicht zuständig erklärt und ihre Anzeige nach Birmingham, zur West Midlands Police, geschickt, wo die Sache versandete. Das eindringliche Video ihrer Befragung blieb irgendwo liegen. Eine Rolle spielte das kulturelle Vorurteil, dass in der kurdischen Community eben andere Regeln gälten. Die Polizei verbündete sich zu einer Art Nichteinmischungspakt.

Obwohl Banaz Mahmod ihren Exmann aus einer Zwangsheirat wegen Vergewaltigung und Misshandlung angezeigt hatte, obwohl sie einmal ihren Häschern entkam und im Krankenhaus ihre Wunden vorzeigte und obwohl sie sechs Wochen vor der Tat bei der Met eine detaillierte Liste mit Namen und Angaben zu den drei Männern, die ihr Vater mit dem Mord beauftragt hatte, abgab, geschah – nichts. Bis ihre Mutter sie in einen Hinterhalt lockte, die Männer sie vergewaltigten, strangulierten und ihren Leichnam in einem Koffer „entsorgten“. Und sich anschließend ihrer Tat brüsteten.

So sollte es sein zwischen der Polizei und ihren Bürgern

Der wahre Fall der Ermordung von Banaz Mahmod im Jahr 2006 wurde von einer engagierten Polizistin, Caroline Goode, geklärt. Es ist ein niederschmetterndes Exempel des Versagens der Polizei gegenüber einer besonders schutzbedürftigen Staatsbürgerin. Gleichzeitig aber auch, so erzählt es der bedrückende ITV-Film „Die Ehre der Familie“, eine Art Heldinnengeschichte. Bei ihrer Ermittlung des Vermisstenfalls Banaz begegnete Goode nicht nur dem Schweigen und Hohn der kurdischen Männer dieser Familie, sondern auch dem Bemühen der eigenen Behörden, das Nest nicht beschmutzt zu sehen.

Es gelang Goode (Keeley Hawes) und ihren Leuten (unter anderen Mark Stanley als Andy) nicht nur, den Leichnam der jungen Frau zu finden, damit sie ein würdiges Grab erhalten konnte, und ihren Vater und einen Täter vor Gericht zu bringen, sondern der beiden anderen Täter im ersten Auslieferungsfall aus dem Irak nach Großbritannien habhaft zu werden. Für ihre Verdienste um das Ansehen der Polizei wurde Caroline Goode von der Queen ausgezeichnet.

Die Eltern der Verschwundenen (Fisun Burgess und Umit Ulgen) geben sich im Gespräch mit den Polizisten unbesorgt.


Die Eltern der Verschwundenen (Fisun Burgess und Umit Ulgen) geben sich im Gespräch mit den Polizisten unbesorgt.
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Bild: © Itv Global Entertainment Limit

Der einerseits in schnörkellos-kaltfarbiger britischer Krimimanier, andererseits entschieden emotional Partei nehmend gedrehte Film „Die Ehre der Familie“ ist auch ein wichtiges, gesellschaftskritisches Stück Aufklärung. Die echte Ermittlerin beriet das Filmteam, was sich in mancher Einstellung ausdrückt, aber nicht unangenehm auffällt. Immer wieder zeigt der Kamerablick auf das Vermisstenplakat mit der zarten Banaz (Buket Komur), einmal erscheint es im Regen, als ob sie weine. Teile Südlondons sind für die Beamten hier wie Terra incognita. Die lokale Ortsvermittlerin Diana (AHD Kamel) ist die Einzige, die Tacheles redet. Als einer der Polizeichefs bei einer PR-Besprechung übervorsichtig anmerkt, man müsse unbedingt vermeiden, zu generalisieren, und dürfe strenggläubige muslimische Männer nicht als sexfixiert darstellen, platzt der Kurdin der Kragen. Sie erzählt, wie die Männer in ihrem Viertel jeden Tag in Gruppen zusammenstehen und Aussehen und Verhalten der Frauen überwachen. Ein kurzer Rock sei ein Züchtigungsanlass, ein Kuss an einer U-Bahn-Station ein mögliches Todesurteil.

Vor männerverurteilenden Eindeutigkeiten hütet sich der Film aber zu Recht. Keine kleine Rolle spielt ein kurdischer Übersetzer (Behnaz Vakili), ein älterer Mann, der nach der Übersetzung der Greuel, mit denen sich die Männer am abgehörten Telefon die Zeit vertreiben, erschüttert zusammenbricht. Die Verurteilung wird erst möglich durch die Aussagen von Banaz’ älterer Schwester Behya Mahmod (Fisun Burgess), die in ein eigenständiges Leben geflohen ist. Hier zeigt der Film, wie es sein sollte zwischen der Polizei und ihren Bürgern. Durchweg geschützt wird Behya durch die einfühlsame Beamtin Sarah (Amanda Laurence), bevor sie mit neuer Identität ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird.

Trotz des Themas ist „Die Ehre der Familie“ kein Lehrfilm. Überzeugend dramatisierte Ermittlung, klar konturierte Figuren, später klassisches Gerichtsdrama, gelingt es ihm, fiktionales Denkmal für das Opfer zu sein und die britische Polizei als genauso blind gegenüber Hassverbrechen an Frauen zu zeigen, wie es die deutsche vielleicht auch ist.

Die Ehre der Familie, um 20.15 Uhr bei Arte

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