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#Harter Kampf um die Mikrochips

Harter Kampf um die Mikrochips

Für die europäische Autobranche wird der Mangel an Mikrochips zu einer immer größeren Belastung. Der Volkswagen-Konzern will in seinem Wolfsburger Stammwerk, der größten Autofabrik der Welt, kommende Woche bis Donnerstag nur noch in der Frühschicht auf Montagelinie 3 arbeiten, wo der VW-Golf vom Band läuft. Alle anderen Bänder stünden still, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Auch die konzerneigene Lastwagen-Holding Traton kämpft mit den Engpässen wichtiger Elektronik-Bauteile und rechnet mit einem Verkaufsdämpfer im zweiten Halbjahr.

Angesichts solcher Hiobsbotschaften verstärkt die Vereinigung europäischer Halbleiterhersteller ESIA den Druck auf die Politik, Projekte zur Förderung der Chipindustrie in Europa schneller auf den Weg zu bringen. Es gelte „keine Zeit zu verlieren“, erklärte Hendrik Abma, ESIA-Generaldirektor. Konkret geht es um ein neues „Important Project of Common European Interest“, kurz IPCEI. Solche Vorhaben mit besonderer staatlicher Förderung unter dem Dach der EU-Generaldirektion Binnenmarkt gibt es seit 2018 schon für Mikroelektronik und seit 2019 für Batteriezellen.

Nun will die Chipbranche für ihren Bereich einen IPCEI-2 – und zwar möglichst zügig. Hintergrund des im vergangenen Jahr erstmals erörterten Projekts war eine Einigung wichtiger Mitgliedstaaten der EU, rund 150 Milliarden Euro in den Binnenmarkt, die Digitalisierung und weitere Vorhaben zu investieren, um die Corona-Krise wirtschaftlich zu bewältigen und den Wiederaufbau voranzutreiben. Ein Drittel der Mittel könnte für den weiteren Aufbau einer global wettbewerbsfähigen Halbleiterbranche zur Verfügung stehen.

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Das Thema drängt, denn Europas Schlüsselindustrien wie der Auto- und der Maschinenbau hängen in zahlreichen Arten der Chips von asiatischen Herstellern ab. In Europa werden heute rund 40 Milliarden Euro des globalen Umsatzes mit Halbleitern erzielt, das sind weniger als 9 Prozent. In den Neunzigerjahren waren es noch mehr als 40 Prozent gewesen. Es gibt zwar große Hersteller wie Infineon, NXP und STMicroelectronics, die in ihren Spezialgebieten führend sind. Doch verglichen mit Branchengrößen wie Taiwans TSMC, Koreas Samsung oder Amerikas Intel spielen die Europäer eher in der zweiten Liga.

Das soll sich bis zum Jahr 2030 ändern. Die EU-Kommission will den Anteil ihrer Mitgliedstaaten auf ein Fünftel der globalen Branchenerlöse heben. Angesichts eines prognostizierten Umsatzes der Chipindustrie von dann einer Billion Dollar rund um die Welt entspräche das einer Verfünffachung der Erlöse hiesiger Hersteller.

Im vergangenen Jahr waren die Herausforderungen so offen zutage getreten wie nie zuvor. Die wirtschaftlichen Verwerfungen rund um die Corona-Krise zogen einen teilweise eklatanten Mangel an Chips nach sich, der bis heute andauert und vor allem Branchen wie die Autoindustrie trifft, den mit Abstand bedeutendsten Industriezweig in Deutschland. Nach nahezu einhelliger Ansicht der Halbleiterbranche ist der Mangel bis Ende kommenden Jahres kaum zu beheben. Einerseits bleibt die Nachfrage wegen des ungebremsten Trends zur Digitalisierung weiter hoch. Andererseits arbeitet die Branche faktisch unter voller Auslastung.

Andere Länder helfen schneller

Auch lassen sich die Produktionskapazitäten nicht über Nacht so ohne Weiteres hochfahren. Die Fertigung eines Chips braucht in der Regel rund tausend verschiedene Fertigungsschritte, Maschinen zum Stückpreis von Dutzenden Millionen Euro und ein globales Netz an Unternehmen. Die Produktion kostet aber nicht nur viel Geld, sondern noch mehr Zeit, je nach Art der Chips zwischen drei und neun Monaten. Dar­über hinaus kann der Bau, die Ein- und Ausrichtung einer neuen Chipfabrik bis zu fünf Jahre dauern.

Andere Länder drücken schon mächtig aufs Tempo. So haben die Vereinigten Staaten ein 52 Milliarden Dollar schweres Programm für den Aufbau heimischer Fertigungskapazitäten in der Pipeline. Südkorea kann seinen Chipherstellern faktisch über Nacht mit 65 Milliarden Dollar unter die Arme greifen. China spult ein Programm über 160 Milliarden Dollar zur Schaffung einer leistungsfähigen Chipindustrie ab.

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„Um das Blatt für die europäische Chipindustrie zu wenden, darf Europa nicht zulassen, dass sich sein vielversprechendstes Instrument verspätet“, sagt ESIA-Generaldirektor Abma mit Blick auf das neue IPCEI. Um angesichts starker Konkurrenz in Amerika und Asien sowie des bereits offen bekundeten Interesses dortiger Chiphersteller in Europa investieren zu wollen, müssten die politischen Rahmenbedingungen schnell besser werden.

Ungewöhnliche Maßnahmen

Wie groß die Belastung ist, zeigt die Holding Traton, zu der die Hersteller MAN, Scania und Navistar zählen. Obwohl sie für ihre Lastwagen und Busse weniger Halbleiter braucht als für einen modernen Personenwagen, führen die Lieferengpässe von Chips und weiteren wichtigen Teilen schon seit August zu einem geringeren Absatzvolumen, wie das Unternehmen aus München am Mittwoch mitteilte.

„Darunter leidet der Absatz insbesondere im September. Diese Situation wird voraussichtlich auch im weiteren Jahresverlauf und bis ins kommende Jahr anhalten“, warnt Traton-Vorstandschef Matthias Gründler. Um trotzdem möglichst viele Kunden bedienen zu können, greifen die Hersteller unter dem Dach der Holding zu ungewöhnlichen Mitteln: Teilweise würden Steuergeräte aus Lagerfahrzeugen ausgebaut und in bestellte Wagen eingesetzt, um die Lieferzeiten für Kunden zu verkürzen, hieß es am Mittwoch.

Auch der VW-Konzern als Ganzes steht unter hohem Druck. Schon im März hatte VW-Chef Herbert Diess in der F.A.Z. vor drastischen Folgen für die Industrie gewarnt. „Bisher konnten wir schon rund 100.000 Autos wegen Mangel an Halbleitern nicht bauen“, sagt er. Im Jahresverlauf werde die Zahl weiter wachsen. Für das Wolfsburger Stammwerk wurde nun die Kurzarbeit abermals verlängert, um auf das geringere Arbeitsaufkommen durch den Stillstand an den Produktionslinien jenseits der Golf-Fertigung zu reagieren.

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