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#Hektografierte Emotion

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„Hektografierte Emotion“

Too much Munch? Nach Eröffnung des neuen, im Osloer Hafen schimmernden Edvard-Munch-Museum mit seinen über sechsundzwanzigtausend Werken und Objekten des Malers, nach Ausstellungen zu seinem gewaltigen Einfluss auf zeitgenössische Künstler in Wien und London – braucht es da noch eine Schau im Kunstforum Ingelheim eigens zur Grafik des Norwegers? Die Antwort soll keine rhetorische sein, aber Munch schafft es, sein Theater der Emotionen in direktester Weise in seinen grafischen Werken auszudrücken, stärker noch als in den Ölgemälden. So simpel wie auch paradox ausgedrückt: Die oft in Holzstöcke geschnittenen, brachial in Metallplatten gravierten und auf den Bildoberflächen danach noch weiter traktierten Passionen Munchs übertragen sich in ihrer ganzen Rohheit und Unmittelbarkeit auf den Betrachter, während durch den Umdruck auf fragiles Papier die Subtilität, die seinen Arbeiten ebenfalls eignet, zum Ausdruck gebracht wird und damit eine Balance hergestellt wird.

Auch der Zufall und eine radikale Subjektivität arbeiten mit. Sein Pariser Drucker Auguste Clot überlieferte glücklicherweise, wie es zu den bis dato ungekannten Farbkombinationen in seinen Grafiken kam. Munch stellte sich vor die bis zu fünf in Reihe aufgestellten Lithographiesteine und dirigierte Clot mit geschlossenen Augen: „Drucken Sie grau, grün, blau, braun!“, um nach etlichen Schnäpsen im nächsten Bistro zurückzukehren und allein vor seinem inneren Auge die ebenso ungewöhnliche Farbkombination „Gelb, rosa, rot!“ abzurufen. Hinzu kommt, dass die gesamte Bandbreite oft genug widersprüchlicher Emotionen erst durch eine Serie abzudecken ist, was wiederum in der Grafik leichter zu bewerkstelligen ist. Munch schuf so wiederholt Fortsetzungsgeschichten der Seele auf Papier.

Dieser Ausgleich extremer Gegensätze zieht sich durch Munchs Leben. Nach einem kurzen Kunststudium in Christiania, dem heutigen Oslo, übersiedelt er im Jahr 1889 ausgerechnet in das impressionistische Paris, um sich mit dem Symbolismus auseinanderzusetzen, der sein Werk zwar nicht unwesentlich bestimmt, den er aber schon in Paris überwindet, was dann von 1903 an zu einem Expressionismus in Form und Inhalt führt. Persönliche Schicksalsschläge wie der frühe Tod der Mutter und einer Schwester („Das kranke Kind“, in Ingelheim mit vielen Variationen vertreten), aber auch unglückliche Beziehungen zu Frauen prägen schon früh das Werk. Seine Beziehung zum weiblichen Geschlecht pendelt zwischen den Extremausschlägen Angst und Glück, Sehnsucht und permanent enttäuschter Erwartung. Tiefste Depression und himmelhohes Jauchzen, Einsamkeitssuche und gleichzeitiges Gieren nach Freunden wie Ibsen, Stanislaw Przybyszewski oder Strindberg kommen hinzu. Den Gefühlen ist je einer der fünf thematischen Säle im Kunstforum gewidmet.

Großes Missverständnis der Kunstgeschichte: „Der Schrei“ (1895) wirkt als Lithographie noch einmal völlig anders, weil Munch ja nicht das Aufschreien der Person im Sinn hatte, sondern den „Schrei der Natur“, wie der ursprüngliche Bildtitel lautete, so dass sie sich eigentlich die Ohren zuhält.





Bilderstrecke



Edvard Munch in Ingelheim
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Psychologie in Holz und auf Papier

Munch fürchtet Frauen und liebt sie gleichzeitig abgöttisch, gibt sich ihnen schutzlos hin. Für die Auflösung dieses Dilemmas stürzt sich der Künstler auf Zwitterfiguren, die beide Seiten beinhalten: Da ist vor allem die fast zweitausend Jahre alte Imago der heiligen „Madonna“, makellos, doch verführerisch schön, Joseph als tumben Toren dominierend und demütig zugleich. Im fünfzehnten Jahrhundert wagt es mit Jean Fouquet erstmals ein Maler, seiner Madonna in Tricolore-Farben auf dem Diptychon von Melun die Züge der Königsmätresse Agnes Sorel zu verleihen. Hundert Jahre später bei Caravaggio im ausgehenden sechzehnten Jahrhundert zucken die Römer nur noch mit den Schultern, wenn er als Modell seiner Muttergottes eine stadtbekannte Prostituierte wählt, die er zudem bevorzugt aufsuchte.

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