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#Hermann Funkes gesammelte Architekturkritiken

Es gibt Journalisten, denen gelingt es, so über ein Haus zu schreiben, dass man sich vorstellen kann, wie es aussieht und wo seine Qualitäten oder Fehler liegen. Dann aber gibt es Autoren, die anhand des Hauses, über das sie schreiben, mit literarischer Präzision und einem genauen Blick für Details, feine Verschiebungen, kleine und große Absurditäten eine ganze Gesellschaft erklären können. Zu diesen Autoren gehört Hermann Funke.

Der 1932 geborene Architekt hatte in den Fünfzigerjahren in Braunschweig Architektur studiert und die lichten Momente der bundesrepublikanischen Wiederaufbaujahre ebenso hautnah mitbekommen wie ihre Abgründe und Desaster. Seit den Sechzigerjahren hat er aber vor allem in der „Zeit“ und im „Spiegel“ Texte zum Bauen veröffentlicht, die niemanden kaltließen. Funke war einer der Ersten, die erkannten, wie sehr die gebaute Umwelt das Leben prägt – und die darüber auch schreiben konnten. Der damalige Feuilletonchef der „Zeit“, Rudolf Walter Leonhard, schrieb einmal, Funke habe „dem deutschen Journalismus eine neue Gattung erfunden: die Architektur-Kritik“.

Nun liegen diese Kritiken der Jahre 1962 bis 2003, die Funke neben seiner Tätigkeit als Architekt verfasste, endlich in einem Band vor. Man kann ihn nicht nur als Sammlung von Architekturkritiken, sondern als eine Geschichte der bundesrepu­blikanischen Nachkriegsgesellschaft, ihrer Träume und Traumata, ihrer ökonomischen und ideologischen Verstrickungen lesen – ob es um die Schrecken des Großraumbüros geht oder die der seelenlosen Schlafstädte, um den Sprachschwindel der Hamburger „City Nord“, die ein Büroghetto, aber eben genau keine „City“ ist, oder aber um die Luxusferienhäuser im sentimentalen Bauernkatenstil, die sich die neuen Wirtschaftsführer auf Sylt errichten, wo sie wie einst Marie Antoinette im Hameau von Versailles das einfache Leben derer nachspielen, die sie tatsächlich ausbeuten.

Leidenschaftlich, kämpferisch, oft umwerfend komisch

Funke streift durchs Nachkriegsdeutschland wie ein verwunderter Ethnologe, der einen fremden Planeten und seine seltsamen Bewohner erkundet. In Hannover soll im Schlosspark, wo man das Parlament hätte bauen können, ein Restaurant für den bürgerlichen Geschmack der Fresswellenjahre errichtet werden: Eisbein und Sauerkraut für die Wirtschaftswunderlinge statt Politik für alle. Die salbungsvolle Sprache der modernen Architekten wird mit feiner Ironie wahrgenommen: „Wer zu seinem Arbeitszimmer Studio sagt, darf das Atrium Patio nennen. Jetzt können wir mitreden. Oder sollten wir etwas Ungewöhnliches tun? Sollten wir vielleicht fragen, was das eigentlich ist, an dem die Diskussion vorbeigeht“, heißt es in einer Kritik.

Hermann Funke: „Architekturkritiken 1962–2003“.


Hermann Funke: „Architekturkritiken 1962–2003“.
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Bild: Adocs Verlag

Schon 1963 schreibt Funke kritisch über „Star-Architektur“ und prägt damit einen Begriff, der international erst Jahrzehnte später Karriere machte. Er schreibt leidenschaftlich, kämpferisch, oft umwerfend komisch, immer hellsichtig; in seinen Texten findet sich eine feine, menschenfreundliche Ironie, eine Skepsis gegenüber großen Ideologien, eine Schärfe des Arguments, die an die Feuilletons von Kracauer und Tucholsky erinnert. Nicht alle, die Funkes scharfer Blick traf, waren angetan von dem, was sie über sich lesen mussten: Der Architekt Hermann Henselmann schrieb 1965 an Funke, er könne sich „vorstellen, dass viele Architekten sich über Ihre Kritiken ärgern. Ich habe verschiedene Leute gesprochen, die Ihnen geradezu zähnefletschend gegenüberstehen . . .“

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