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#Hirn-Netzwerk für Tics identifiziert

Hirn-Netzwerk für Tics identifiziert

Unwillkürliches Zucken, Blinzeln oder Räuspern sind typische Symptome, unter denen Menschen mit Tic-Störungen wie dem Tourette-Syndrom leiden. Forscher haben nun herausgefunden, welche Hirnregionen an der Entstehung der Tics beteiligt sind. Anhand von Fallberichten von Menschen, die nach einer Hirnschädigung Tics entwickelten, identifizierten die Forscher relevante Bereiche und glichen deren Vernetzung mit Hirnscans von mehr als 1.000 gesunden Personen ab. So entdeckten sie ein „Tic-Netzwerk“ – und zeigten anhand von Tourette-Patienten, dass eine tiefe Hirnstimulation, die auf dieses Netzwerk abzielt, die Symptome lindern kann.

Etwa eines von hundert Kindern erfüllt die diagnostischen Kriterien eines Tourette-Syndroms. Die Erkrankung geht üblicherweise mit motorischen und vokalen Tics einher, von Muskelzuckungen bis hin zur ungewollten Äußerung von Schimpfworten. In vielen, aber nicht allen Fällen lassen die Symptome mit zunehmendem Alter nach. Auch andere Erkrankungen können zu Tics führen, darunter Schädigungen der Hirnsubstanz, etwa durch einen Schlaganfall oder einen Unfall. Wie genau die Tics entstehen, ist allerdings bislang nicht vollständig geklärt.

Auf der Suche nach der Quelle der Tics

Ein Team um Christos Ganos von der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat nun ein Netzwerk von Hirnregionen identifiziert, die an der Entstehung der Tics beteiligt sind. „In den vergangenen Jahren hat die neurologische Forschung verschiedene Bereiche des Gehirns identifiziert, die für Tics eine Rolle spielen“, sagt Ganos Kollege Andreas Horn. „Unklar blieb jedoch: Welche dieser Hirnareale lösen die Tics aus? Welche sind stattdessen aktiv, um fehlerhafte Prozesse zu kompensieren? Wir konnten jetzt zeigen, dass es nicht eine einzelne Hirnregion ist, die die Verhaltensstörungen verursacht. Tics sind stattdessen auf Fehlfunktionen in einem Netzwerk verschiedener Areale im Gehirn zurückzuführen.“

Um die ursächlichen Hirnareale zu identifizieren, werteten die Forscher zunächst 22 bereits veröffentlichte Fallbeschreibungen von Patienten aus, bei denen sich die Tics in Folge einer Hirnschädigung entwickelten, etwa nach einem Unfall oder einem Schlaganfall. Bei diesen Menschen war also klar, dass die jeweils betroffene Hirnregion die Tics auslösen musste. Ganos und seine Kollegen kartierten detailliert, wo genau im Gehirn die Schädigung vorlag. Diese Daten kombinierten sie mit mehr als 1.000 Hirnscans von gesunden Personen, die zeigten, wie die Hirnregionen miteinander verschaltet sind.

Netzwerk von Hirnregionen als Verursacher

Das Ergebnis: Die kartierten Schädigungen liegen zwar in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns – darunter Inselrinde, Striatum, Thalamus und Kleinhirn – doch diese Bereiche sind über Nervenverbindungen miteinander verschaltet und bilden ein gemeinsames Netzwerk. „Diese Strukturen haben unterschiedlichste Funktionen, von der Steuerung der Motorik bis zur Verarbeitung von Emotionen. Sie alle wurden in der Vergangenheit bereits als mögliche Auslöser für Tics diskutiert, ein eindeutiger Beweis ist jedoch bisher nicht gelungen und auch ein direkter Zusammenhang zwischen diesen Strukturen war nicht bekannt“, sagt Ganos Kollege Bassam Al-Fatly. „Jetzt wissen wir, dass diese Hirnbereiche ein Netzwerk bilden und tatsächlich die Ursache für Tic-Störungen sein können.“

Obwohl die Erkenntnisse nur auf Daten von Menschen beruhen, die ihre Tics durch Hirnschädigungen erworben haben – einer vergleichsweise seltenen Ursache für Tics –, sind sie offenbar auf Tourette-Patienten übertragbar. Das zeigten die Forscher an 30 Menschen, die aufgrund ihrer Tourette-Symptome einen Hirnschrittmacher implantiert bekommen hatten. Dieser soll in besonders schweren Fällen helfen, wenn Medikamente und Verhaltenstherapie nicht ausreichend wirken. Mit Hilfe von Hirnscans bestimmten die Forscher exakt, welche Hirnregionen durch den Schrittmacher stimuliert wurden. Handelte es sich dabei um Teile des neu identifizierten Tic-Netzwerks, gingen die Symptome der Betroffenen am stärksten zurück.

„Menschen mit schweren Tic-Störungen profitieren also offenbar am meisten, wenn die tiefe Hirnstimulation auf das Tic-Netzwerk abzielt“, sagt Ganos. „Diese neue Erkenntnis werden wir in Zukunft in die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten mit einfließen lassen, indem wir bei der Implantation des Hirnschrittmachers das Tic-Netzwerk berücksichtigen. Wir hoffen, dass wir so den wirklich hohen Leidensdruck für die Betroffenen noch besser abmildern können, um ihnen ein weitestgehend selbstbestimmtes und sozial erfülltes Leben zu ermöglichen.“

Quelle: Christos Ganos (Charité – Universitätsmedizin Berlin) et al., Brain, doi: 10.1093/brain/awac009

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