#Hoch gepokert, krachend gescheitert
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„Hoch gepokert, krachend gescheitert“
Zwei Beobachtungen aus der Mitgliederversammlung der Frankfurter FDP am Mittwochabend: Erstens, mehrere Redner attackierten namentlich Annette Rinn, die Fraktionsvorsitzende und Chefverhandlerin beim für die Liberalen so wichtigen Thema Verkehr. Sie ist die große Verliererin des Abends. Zweitens, und das ist erstaunlicher: Parteichef Thorsten Lieb, der hoch gepokert und krachend verloren hat, ist mit einem blauen Auge davongekommen. Keiner der Redner griff ihn offensiv an – und das, obwohl dieser Abend ein Desaster für die Parteiführung der Frankfurter Liberalen war.
Man muss es so formulieren: Wenn der zentrale Antrag der Parteiführung auf Annahme des Koalitionsvertrags faktisch durch einen Gegenantrag der Jungliberalen ausgehebelt wird, kommt dies einem Misstrauensantrag gegen die Hauptverhandlungsdelegation gleich. Und die ist deckungsgleich mit dem Kreisvorstand.
Strategie der deeskalierenden Ehrlichkeit
Der Parteichef ist daran nicht unschuldig. Mit seiner Strategie der deeskalierenden Ehrlichkeit, auf die Kritiker zuzugehen und die in den Koalitionsverhandlungen geschluckten Kröten lieber einmal zu viel als zu wenig zu nennen, hat er die Gegner des Vertragsentwurfs stärker gemacht. Womöglich hat er wankelmütige Parteimitglieder sogar in die Arme der vor Selbstbewusstsein strotzenden Koalitionskritiker getrieben.
Wobei man davon ausgehen muss, dass der Kampf schon früher verloren war, als die Parteiführung einsehen konnte. Liberale sind niemals Fundamentalopposition. Liberale wollen regieren. Deshalb kann man davon ausgehen, dass selbst einige Kritiker der angedachten „V-Ampel“ letztlich gegen den Jungliberalen-Antrag und damit für den Koalitionsvertrag in dieser Form votiert haben, obwohl sie noch bei Stimmabgabe skeptisch waren. Der Satz Christian Lindners, „es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, hallte am Mittwoch durch den Saal, aber er überzeugt längst nicht alle FDP-Mitglieder.
Hier ist etwas gründlich schiefgelaufen, das nicht hätte schieflaufen dürfen – da hilft kein Verweis auf eine lebhafte Debattenkultur. Die verschiedenen Strömungen muss eine Parteiführung zu kanalisieren wissen. Auch war es nicht sonderlich weise, die Jungen Liberalen nicht stärker in die Koalitionsverhandlungen einzubinden. Der Nachwuchs nutzte die Chance, sein eigenes Profil zu schärfen – das kann man den Jungen und, für FDP-Verhältnisse, auch Wilden nicht zum Vorwurf machen.
Eine Koalitionsbeteiligung um jeden Preis?
Andererseits saß Lieb zwischen zwei Stühlen. Als Parteichef musste er ein Produkt verkaufen, das zwar bei den Grünen, der SPD und Volt weggeht wie warme Semmeln, im eigenen Laden aber nur schwer absetzbar ist. Ob Lieb eine Koalitionsbeteiligung um jeden Preis braucht, sei dahingestellt. Eher nicht: Er verfolgt keine Ambition auf einen Dezernatsposten, mit Landeslistenplatz zwei wird er im September wohl in den Deutschen Bundestag einziehen.
Während die Bundes-FDP zuletzt im Aufwind war, durchzieht die Frankfurter Partei ein feiner, aber tiefer Graben zwischen klassisch-konservativen Mitgliedern und solchen mit einer durchaus grünaffinen Großstadtprägung. Deren Sound prägt das Wahlprogramm – und auch den Koalitionsvertrag. Wer regieren will, muss die beiden Pole integrieren. Das ist der Frankfurter FDP in dieser Woche gehörig misslungen.
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