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#Hormontherapie bei Down-Syndrom?

„Hormontherapie bei Down-Syndrom?

Eine Therapie mit dem Gonadotropin-Releasing-Hormon GnRH könnte womöglich kognitive Einschränkungen bei Menschen mit Down-Syndrom verringern. Im Mausmodell entdeckten Forscher, dass einige Symptome des Down-Syndroms durch eine gestörte Freisetzung dieses Hormons bedingt sein könnten. Eine bereits etablierte Therapie für Menschen mit GnRH-Mangel sorgte sowohl im Mausmodell als auch in einer Pilotstudie mit sieben Down-Syndrom-Patienten für eine Verbesserung der kognitiven Funktionen. Größere klinische Studien sollen nun den Nutzen weiter evaluieren.

Das Down-Syndrom, auch bekannt als Trisomie 21, tritt bei etwa einem von 800 lebend geborenen Kindern auf und ist damit die häufigste genetische Ursache für eine geistige Behinderung. Ursache ist ein zusätzliches Chromosom 21. Neben verschiedenen körperlichen Symptomen haben Betroffene in der Regel deutlich verringerte kognitive Fähigkeiten. Zudem treten bei vielen im Erwachsenenalter Alzheimer-ähnliche Symptome auf. Ein weiteres Symptom ist der allmähliche Verlust des Geruchssinns, der oft bereits in der Vorpubertät beginnt. Während viele Frauen mit Down-Syndrom Kinder bekommen können, sind die meisten betroffenen Männer unfruchtbar.

Trisomie 21 stört Hormonproduktion

Ein Team um Maria Manfredi-Lozano von der Universität Lille in Frankreich hat nun eine mögliche Therapie gegen einige Symptome des Down-Syndroms erforscht. „Der Verlust des Geruchssinns, kombiniert mit Unfruchtbarkeit, sind auch typische Symptome von Patienten mit einem angeborenen Mangel an Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH), dem sogenannten Kallmann-Syndrom“, erklären die Autoren. GnRH wird von spezialisierten Neuronen im Hypothalamus freigesetzt und ist vor allem dafür zuständig, die Produktion bestimmter Fortpflanzungshormone in Gang zu bringen. Neue Studien deuten aber auch darauf hin, dass es zusätzlich Einfluss auf höhere Hirnfunktionen haben könnte.

Die Parallelen der Symptome beim Kallmann-Syndrom und beim Down-Syndrom veranlassten die Forscher, sich genauer mit der Rolle von GnRH beim Down-Syndrom zu beschäftigen. Dazu arbeiteten sie zunächst mit einem Mausmodell, das die Veränderungen in Folge einer Trisomie 21 nachahmt. Tatsächlich stießen sie auf einen Mechanismus, der erklärt, warum GnRH bei Personen mit Down-Syndrom ein Problem ist: Reguliert wird die Produktion des Hormons durch sogenannte microRNAs. Mindestens fünf dieser microRNAs werden von Regionen auf dem menschlichen Chromosom 21 codiert – und sind dadurch bei Menschen, die dieses Chromosom dreifach besitzen, gestört.

Vielversprechende Ergebnisse an Mäusen

An den Down-Syndrom-Mäusen wiesen Manfredi-Lozano und ihr Team nach, dass es tatsächlich der GnRH-Mangel ist, der bei den Tieren zu kognitiven Beeinträchtigungen, Geruchsverlust und gestörter sexueller Reifung beiträgt. Verabreichten die Forscher den Mäusen regelmäßig GnRH oder pflanzten ihnen Zellen ein, die das Hormon korrekt produzierten, milderten sich die Symptome. Die Mäuse zeigten bereits nach einer 15-tägigen Behandlung verbesserte kognitive Funktionen und erlangten zudem ihren Geruchssinn zurück. Fruchtbar wurden die Tiere durch die Behandlung jedoch nicht.

„Aufgrund der überzeugenden Ergebnisse bei Mäusen haben wir im nächsten Schritt eine Pilotstudie an menschlichen Down-Syndrom Patienten durchgeführt“, schreiben die Forscher. Dabei setzten sie eine Therapieform ein, die bereits für die Behandlung des Kallmann-Syndroms etabliert ist: Die Patienten bekommen eine kleine Pumpe unter die Haut am Arm transplantiert, die ihnen alle zwei Stunden eine kleine Dosis GnRH verabreicht. Diese sogenannte pulsatile GnRH-Therapie ahmt die natürliche Freisetzung des Hormons im Körper nach.

Größere klinische Studien erforderlich

Sieben Männer mit Down-Syndrom im Alter zwischen 20 und 50 Jahren erhielten diese Therapie sechs Monate lang. Vorher und nachher testeten die Forscher ihre kognitiven Fähigkeiten und ihren Geruchssinn und führten zudem MRT-Untersuchungen durch. Das Ergebnis: Sechs von sieben Patienten konnten nach der halbjährigen Therapie Anweisungen besser verstehen, Logikaufgaben besser lösen, waren aufmerksamer und hatten ein verbessertes episodisches Gedächtnis. Auch die MRT-Aufnahmen zeigten, dass die funktionelle Konnektivität im Gehirn zugenommen hatte. Anders als bei den Mäusen hatte die Behandlung allerdings keinen Einfluss auf den Geruchssinn der Patienten.

„Die pulsatile Verabreichung von GnRH scheint ein vielversprechender Ansatz mit wenigen zu erwartenden Nebenwirkungen zu sein, um die kognitive Funktion bei einem breiten Spektrum von Erkrankungen mit kognitivem Verfall zu verbessern, die durch eine gestörte Funktion der GnRH-Neuronen gekennzeichnet sind“, schreibt Hanne Hofmann von der Michigan State University in einem begleitenden Kommentar zur Studie, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Science erschienen ist. „Um den Wert von pulsatilem GnRH zur Verbesserung der kognitiven Funktion vollständig zu ermitteln, ist eine randomisierte kontrollierte Studie erforderlich, die beide Geschlechter einschließt.“ Frauen waren in der Pilotstudie nicht berücksichtigt worden, da GnRH bei ihnen den Menstruationszyklus stören kann. „Bei Frauen, die das reproduktive Alter überschritten haben oder nicht schwanger werden wollen, ist die pulsatile GnRH-Behandlung jedoch wahrscheinlich ebenso vorteilhaft wie bei Männern, um die kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern“, so Hoffmann.

Quelle: Maria Manfredi-Lozano (Université de Lille, Frankreich) et al., Science, doi: 10.1126/science.abq4515

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