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#„Hungrige“ Bakterien produzieren mehr Giftstoffe

Innerhalb einer Population von Bakterien können die einzelnen Bakterienzellen unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Obwohl sie genetisch identisch ist, sind bestimmte Gene bei manchen Untergruppen der Population aktiver als bei anderen. Bei Analysen der Genaktivität auf Einzelzellebene haben Forscher nun Erstaunliches entdeckt: Bakterien der Art Clostridium perfringens produzieren ihr krankmachendes Toxin vor allem bei Nahrungsmangel. Steht ihnen jedoch genügend Nahrung zur Verfügung, werden statt den Gift-Genen solche aktiviert, die den Abbau der Nahrung ermöglichen. Die Erkenntnis könnte zu neuen Strategien führen, bakterielle Infektionen zu verhindern.

Clostridium perfringens ist einer der häufigsten Auslöser von Lebensmittelvergiftungen. Verzehren wir Nahrungsmittel, in denen sich die Bakterien vermehrt haben, müssen wir nach wenigen Stunden mit heftigen Magen-Darm-Beschwerden rechnen. Denn Clostridium perfringens produziert Giftstoffe, die die Zellen in unserem Darm perforieren und zu starkem Durchfall führen. Auch in der industriellen Geflügelzucht ist das Bakterium gefürchtet. Es verursacht jährlich Schäden von sechs Milliarden US-Dollar und macht es schwer, auf Antibiotika in Geflügelfarmen zu verzichten. Doch nicht alle C. perfringens-Bakterien produzieren Toxine.

Genetisch identisch und doch unterschiedlich

Forschende um Ryan McNulty vom IFF Health and Biosciences in Wilmington in den USA haben nun eine Methode entwickelt, mit der sie auf der Ebene einzelner Bakterienzellen analysieren können, welche Gene in der jeweiligen Zelle aktiv sind und die Funktion prägen. „Bakterien verhalten sich deutlich anders, als wir bisher dachten“, sagt McNultys Kollege Adam Rosenthal. „Selbst wenn wir eine Gemeinschaft von Bakterien untersuchen, die alle genetisch identisch sind, verhalten sie sich nicht alle auf dieselbe Weise. Wir wollten herausfinden, warum.“

Wenn ein Gen abgelesen wird, erstellt die Zelle zunächst eine Art Blaupause, die Boten-RNA (mRNA). Diese enthält den Bauplan für das herzustellende Genprodukt. Um also herauszufinden, welche Gene aktiv sind, bietet es sich an, das Transkriptom einer Zelle zu analysieren, also die in der Zelle hergestellten RNA-Moleküle. Für große Mengen an Zellen gleichzeitig gibt es bereits gut etablierte Verfahren. Für tausende Zellen jeweils einzeln das mRNA-Profil zu ermitteln, war allerdings bisher kaum möglich. Die neue Methode namens ProBac-seq, die McNulty und sein Team entwickelt haben, ermöglicht nun, die Bakterienzellen in winzigen Tröpfchen zu vereinzeln, jeweils individuell zu markieren und anschließend automatisiert das Transkriptom zu analysieren. Auf diese Weise lässt sich feststellen, ob in bestimmten Untergruppen einer Bakterienpopulation andere Gene aktiv sind als in anderen.

Transkriptom tausender Einzelzellen analysiert

„Wir haben das Transkriptom tausender einzelner Bakterienzellen pro Experiment sequenziert und dabei im Durchschnitt mehrere hundert Transkripte pro Zelle nachgewiesen“, berichtet das Forschungsteam. Um ihre Methode zu validieren, nutzten McNulty und seine Kollegen zunächst die gut erforschten Bakterienarten Bacillus subtilis und Escherichia coli als Modellorganismen. „Mithilfe von ProBac-seq konnten wir bekannte zelluläre Zustände identifizieren und entdeckten darüber hinaus mehrere bisher unbekannte Transkriptionszustände, in denen Gene exprimiert werden, die für bestimmte Stoffwechselwege und physiologische Zustände des Bakteriums relevant sind“, berichten die Autoren.

„Als nächstes wollten wir herausfinden, ob wir unterschiedliche Subpopulationen in einem echten Krankheitserreger identifizieren können“, erklärt das Team. Dazu wählten sie Clostridium perfringens, dessen Giftstoffe unter anderem für schwere Darmerkrankungen bei Menschen und Tieren verantwortlich sind. Die Analyse mit ProBac-seq zeigte, dass zwar alle Bakterien in gewissem Maße Giftstoffe produzieren, aber nur 43 Prozent der Zellen besonders viel davon herstellten – und zwar genau jene, die wenig mit Nährstoffen versorgt waren. „Das veranlasste uns zu Spekulationen darüber, ob die Toxinproduktion und der Anteil der toxinproduzierenden Zellen durch die Zugabe von Nährstoffen wie Acetat reguliert werden können“, so die Forscher.

Mehr Nährstoffe – weniger Gift

Also fügten sie Natriumacetat zu der Bakterienkultur hinzu und untersuchten danach erneut das Transkriptom. Und tatsächlich: „Durch die Zugabe von Acetat verringerte sich der Anteil der Zellen im primären toxinproduzierenden Zustand signifikant von 43 Prozent auf 30 Prozent“, berichtet das Team. Und auch die verbleibenden 30 Prozent produzierten weniger Gift als ohne Acetat. Insgesamt verringerte sich dadurch der Giftgehalt in der Bakterienkultur deutlich. „Unsere Ergebnisse mit C. perfringens zeigen, dass das krankmachende Toxin von einer spezialisierten Subpopulation von Zellen unterschiedlich exprimiert wird und dass die Bereitstellung von Wachstumsbedingungen, die alternative Zellzustände begünstigen, den Anteil virulenter Zellen in einer genetisch identischen Bakterienpopulation verringern kann“, fassen die Wissenschaftler zusammen.

Zukünftige Studien sollen klären, ob es ähnliche Mechanismen auch bei anderen krankmachenden Bakterien gibt, beispielsweise Salmonellen und Staphylococcus aureus. Das könnte dabei helfen, Strategien gegen bakterielle Infektionen zu entwickeln und Antibiotikatoleranzen zu umgehen. „Wir gehen davon aus, dass unsere Methode in großem Umfang eingesetzt werden wird, um zu verstehen, wie die äußere Umgebung die Virulenz von Krankheitserregern auf Einzelzellebene moduliert“, so die Forscher.

Quelle: Ryan McNulty (IFF Health and Biosciences, Wilmington, Delaware, USA) et al., Nature Microbiology, doi: 10.1038/s41564-023-01348-4

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